Sarah A. Denzil – One For Sorrow

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Sarah A. Denzil – One For Sorrow

Leah und ihr Bruder wollen einfach nur weg aus London und glücklicherweise findet die Krankenschwester schnell eine neue Anstellung im ländlichen Crowmont Hospital, einer Einrichtung für psychisch kranke Straftäterinnen. Leah ist diese Arbeit nicht fremd und ihr Einstieg verläuft besser als erwartet. Die drei Patientinnen, die man ihr zugeteilt hat, scheinen unproblematisch und vor allem mit Isabel Fielding fühlt sie sich schnell verbunden. Dass die junge Frau wegen dem Mord an der 6-jährigen Maisie Earnshaw verurteilt wurde, kommt Leah jedoch zunehmend weniger nachvollziehbar vor. Sie ist eine vorbildliche Bewohnerin, die die meiste Zeit damit verbringt, unglaubliche Bilder von Vögeln zu zeichnen. Leah spürt, dass sie die notwendige professionelle Distanz verliert, glaubt aber noch alles unter Kontrolle zu haben. Bis sie erwacht und ihr klar wird, dass sie diese vollends verloren hat und Isabel fliehen konnte.

„One For Sorrow“ ist der erste Band der Isabel Fielding Reihe, der wahrlich die Bezeichnung Psychothriller verdient. Schon der Handlungsort in einer forensischen Psychiatrie bietet hier einiges an Gänsehaut, auch wenn die Figuren zunächst ausgesprochen sympathisch und harmlos erscheinen. Liegt es bei Isabel noch nahe, dass sie unter extremen psychischen Problemen leidet, wird das Ausmaß an Leahs Alpträumen und Halluzinationen erst im Laufe der Handlung offenkundig.

Das geschickte Spiel mit Wahrheit und Realität gelingt Sarah A. Denzil hervorragend, man weiß als Leser bald schon nicht mehr, was innerhalb der Fiktion tatsächlich geschieht oder nur halluziniert wird, worauf man sich verlassen kann und wer eigentlich von den Figuren krank oder gesund ist. Daneben hat mir das Spiel mit dem Aberglauben gut gefallen, schon der Titel weißt auf den bekannten Kinderreim hin, demzufolge die Anzahl der Elstern, die man sieht, Glück oder Pech bringt. Der mythische Todesvogel wird auch in der Geschichte seinem Ruf als Unheilsbringer gerecht. Der Cliffhanger am Ende für mich nur ein kleines Ärgernis, da Band zwei schon bereitliegt, davon abgesehen, eine überzeugende und vor allem gruselige Lektüre.

William Boyd – Restless [Ruhelos]

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William Boyd – Restless [Ruhelos]

Ruth Gilmartin, alleinerziehende Mutter, die ihr Lebensunterhalt als Fremdsprachenlehrerin für Privatschüler in Oxford verdient, macht sich zunehmend Sorgen um ihre Mutter. Diese verhält sich seltsam und fühlt sich offenbar verfolgt. Ruth nimmt das nicht ernst, bis ihre Mutter ihr Tagebücher zum Lesen gibt, in denen sie eine unglaubliche Geschichte niedergeschrieben hat: Sally Gilmartin ist nicht immer die brave britische Hausfrau und Mutter gewesen, als geborene Eva Delectorskaya wurde sie 1939 von den Briten als Spionin engagiert und hat gleich mehrere Anschläge überlebt. In den Wirren des Zweiten Weltkrieges gelang es ihr unterzutauchen und sich eine neue Identität zu verschaffen, diese, befürchtet sie, ist nun aufgeflogen und mit ihrem ehemaligen Liebhaber Lucas Romer ist noch eine Rechnung offen. Um diese zu begleichen, benötigt sie die Hilfe ihrer Tochter.

William Boyds neunter Roman gewann 2006 den renommierten Costa Book Award, der eher die populären Romane und weniger die hohe Literatur honoriert. Nichtsdestotrotz reiht er sich damit in eine beachtliche Anzahl bekannter Autoren wie Ali Smith, Hilary Mantel, Kate Atkinson, Colm Tóibin, A.L. Kennedy, Ian McEwan oder Salman Rushdie ein. Mit der Spionagegeschichte erfüllt er auch wieder genau das, was ich von ihm erwartet hatte: eine spannende Geschichte mit interessanten Figuren und einer Hintergrundstory, die durchaus einiges zum Nachdenken liefert.

Sally/Evas Spionagevergangenheit wird in Rückblenden durch die Tagebücher erzählt, die die Handlung der Gegenwart unterbrechen, diese aber unweigerlich in einem gewissen Licht erscheinen lassen. Ihre Tochter Ruth hatte eine Affäre mit einem Deutschen, aus der ihr Sohn Jochen hervorgegangen ist. Unerwartet nistet sich ein anderer Deutscher bei ihr ein, vorgeblicher Onkel des Jungen, und kurz danach sucht auch noch eine zwielichtige junge Frau Unterschlupf. Im Oxford des Jahres 1976 sind die Ereignisse der RAF in Deutschland durchaus bekannt und je tiefer sich Ruth in die schmutzigen Angelegenheiten der Agenten vertieft, desto naheliegender ist es auch, dass ihre beiden ungebetenen Gäste nicht ohne Grund nach England geflüchtet sind. Das Auftauchen der Polizei und deren vage Fragen schüren nur noch ihren Verdacht.

Das Spiel mit Identitäten und Wahrheiten gelingt Boyd meisterhaft. Die Spannung – die gleich in beiden Handlungssträngen vorhanden ist – dosiert er wohlüberlegt bis zum Höhepunkt und der unausweichlichen Konfrontation. Dem großen Erzähler von Spionageromanen John Le Carré steht er meines Erachtens in nichts nach. Auch wenn der Plot durchaus gewisse Ähnlichkeiten zu anderen Romanen wie Jennie Rooneys „Red Joan“ [dt. Geheimnis eines Lebens] oder Kate Atkinsons „Transcription“ [dt. Deckname Flamingo] aufweist – wobei Boyd seinen bereits 2006 verfasste und damit vor den anderen genannten lag – kann mich das Setting immer wieder faszinieren, vor allem wissend, dass es zahlreiche dieser Geschichten real gab und gibt und viele Spione des Zweiten Weltkrieges später ein  unbehelligtes Leben mitten unter uns führten.

Karen M. McManus – Two can keep a secret

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Karen M. McManus – Two can keep a secret

Schon immer war Ellery fasziniert von True Crime Stories, vermutlich, weil ihre Tante Sarah als junge Frau spurlos verschwand. Als ihre Mutter einen längeren Klinikaufenthalt antreten muss, zieht sie zusammen mit ihrem Zwillingsbruder Ezra nach Echo Ridge zu ihrer Großmutter, der Ort des Verbrechens, der kein gutes Pflaster für junge Frauen zu sein scheint. Just als sie dort ankommen wird nämlich der fünfjährige Todestag der hübschen Lacey begangen. Kurz darauf wird die Stadt durch diffuse Morddrohungen alarmiert und es dauert nicht lange, bis wieder ein Mädchen verschwindet. Ellery ist verschreckt und fasziniert zugleich und beginnt wildeste Theorien über den möglichen Mörder zu spinnen. Dieser ist womöglich näher als sie ahnt, denn Malcolm, mit dem sie sich in der neuen Schule anfreundet, ist der Bruder des Hauptverdächtigen.

Karen McManus konnte mich mit ihrem ersten Roman „One of Us is Lying“ restlos begeistern. Der Nachfolger reicht leider nicht ganz an diesen heran, wenn auch die Geschichte überzeugend konstruiert ist und man lange Zeit völlig im Dunkeln tappt. Gefallen hat mir die Protagonistin mit ihrem Spleen für True Crime Geschichten, der sie zur engagierten Detektivin macht und immer wieder neue Theorien über die Geschehnisse in der Kleinstadt entwickeln lässt.

Gleich mehrere Verbrechen werfen große Fragen auf, ob und wie diese im Zusammenhang stehen, bleibt lange unklar. Mit Ellery und Ezra kommen zwei Außenseiten in die Kleinstadt, die sich die Verbindungen der Bewohner untereinander erst erarbeiten müssen und so gemeinsam mit dem Leser ein Bild von Echo Ridge entwickeln. Dass sie selbst unmittelbar mit den Geheimnissen verbunden sind und gefühlt jede Figur auch etwas zu verheimlichen hat, hält sie Spannung konstant hoch, auch wenn ich mir bisweilen etwas mehr Tempo gewünscht hätte. Die einzelnen Fälle werden am Ende insgesamt glaubhaft gelöst, wobei mein persönliches Highlight – Achtung Spoiler! – der Schlusssatz war. Ich mag es, wenn irgendwie alles vorbei ist und dann aus dem Nichts nochmals ein Akzent, oder eher ein heftiger Schlag, gesetzt wird.

J.T. Ellison – Good Girls Lie

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J.T. Ellison – Good Girls Lie

The Goode School will be the perfect place to leave her old life behind. Ash Carlisle has just lost both her parents and is now happy to flee to Marchburg, Virginia, to concentrate on school and forget what happened in Oxford. However, her fellow schoolmates do not like secrets and eye her suspiciously, it is obvious that the newcomer has some interesting things to tell them and this exclusive all-girls school has its own rules that have to be followed. When Ash is exposed and her roommate found dead, her carefully set up facade is threatened to crumble and reveal the real person she so hard tried to hide.

J.T. Ellison has chosen the perfect setting for a mysterious story where everybody has some well-hidden secrets: the old buildings of the élite private school provide the characters with tunnels and undisclosed rooms, a history of secret societies with old passed down hazings and rules that bind the girls, rumours about suspicious deaths and a headmistress with her very own agenda. It all adds up to a thrilling atmosphere where the protagonist herself offers only shady bits and pieces of her own story so that you are well alert not to trust any of them.

I really adored J.T. Ellison’s style of writing, the author brilliantly creates suspense by only hinting at what happened back in England and by insinuating that there is much more to know about Ash. It only takes a couple of pages to dive into the atmosphere of this elite school and its very own rules that seem to have a long history and make the girls bond immediately.

Admittedly, there were some aspects I found not totally convincing, e.g. 16-year-olds acting and plotting like adults, the detective providing the girls with core information about one of the deceased, another detective investigating such a delicate case even though she has been suspended or the headmistress’s behaviour which equals much more the girls’ than would be considered adequate for her position. Nevertheless, I enjoyed the read and the mystery surrounding the characters.

Mark Johnson – Die schlichte Wahrheit

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Mark Johnson – Die schlichte Wahrheit

Dass er einmal in der Politik landen würde, hatte sich Jonatan Stark nicht vorstellen können. Neue Technologien entwickeln, um umweltfreundlich die erforderliche Energie herzustellen, war sein großer Traum. Doch als ein ehemaliger Studienkollege ihm den Job offerierte, schlug er zu. Nun aber läuft die Sache aus dem Ruder, der Ministerpräsident persönlich bittet ihn als Experten um einen Gefallen, er soll bei der Beraterfirma Lionshare spionieren und deren revolutionäre Technik auskundschaften. Alles zum Wohl des schwedischen Volkes – und um die Haut des Politikers zu retten, dessen Umfragewerte eine deutliche Sprache sprechen. Jonatan spielt notgedrungen mit und gerät in ein unglaubliches Geflecht von rücksichtslosen Politikern, geldbesessenen Interessen von Wirtschaftsbossen und brutalen russischen Oligarchen.

Mark Johnson bedient sich in seinem Debutroman „Die schlichet Wahrheit“ gängiger Versatzstücke guter Politthriller: eine aufgeheizte politische Stimmung; ehrgeizige Individuen, die bereit sind über Leichen zu gehen; Journalisten, die noch an höhere Ideale glauben und für diese viel riskieren; russische Oligarchen, die sich über den heimlichen Besitz an Energieunternehmen nicht nur ein Einkommen sichern, sondern westliche Staaten von sich abhängig und erpressbar machen. Dazu noch ein paar Mordanschläge und vor allem ein unbescholtener, sympathischer Bürger, der zwischen die Fronten gerät. Das kann in einem spannenden und rasanten Thriller münden – oder eben sensationell danebengehen. So wie hier.

Das ganze Konstrukt ist so aberwitzig, dass es jeder Glaubwürdigkeit entbehrt. Die beiden Politiker versuchen sich mit absurdesten Spielchen, die zu nicht mehr als Kopfschütteln taugen, gegenseitig reinzulegen. Die ganze Handlung wird auf wenige Stunden komprimiert, was allein schon große Fragen nach dem Realitätsgehalt aufreißt. Es gibt quasi kein Klischee, das Johnson auslässt, im Gegenteil, alle werden maximal bedient, großes Highlight: der folternde russische Oligarch – platter geht es kaum. Freund und Feind sind irgendwie einerlei und dem guten Jonatan können Folter, Verfolgungsjagden und brenzligste Situationen nichts anhaben. „Die schlichte Wahrheit“ ist schlicht ganz großer Unfug, der maximal als fürs Actionkino taugt, wo auf glaubwürdige und logische Handlung nicht viel Wert gelegt wird.

Nalini Singh – A Madness of Sunshine

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Nalini Singh – A Madness of Sunshine

After the death of her husband and a decade abroad, Anahera returns to Golden Cove, a small town on the west coast of New Zealand. Not much has changed there and vivid memories return to the young woman who was eager to escape the poor and violent home she grew up in. It is only days she is there when the beaming young Miriama does not return from running. The whole town is on their feet to search for the girl with the promising future that everybody loves. Police detective Will, an outsider to the Maori community, coordinates the search and quickly develops the greatest fears. In a town where domestic violence is a normal part of everyday life and where common secrets tend to be buried deep, it is not easy to investigate. When the inhabitants recollect a series of hikers missing over only a couple of weeks, they start to fear that a serial killer might be among them who now has started to go for women again.

Nalini Sing’s mystery thriller is a suspenseful story which lives from the atmosphere the author brilliantly creates. You arrive together with Anahera in the small town and feel like an outsider; she had been gone for so long that she is not a part of their life anymore, but the longer you stay there, the more you dive into the culture and get a feeling of the dynamics that drive a close community which is not very welcoming to people not belonging to them. Apart from the plot around the missing women, I found the description of nature, its forces and the old culture which lives in harmony with it the most interesting.

Anahera and Will first seem to be two opposing poles in the story, on the one hand, the woman who is a natural part of Golden Cove and who shares memories with everybody and knows to read and respect the nature she lives in. On the other hand, the police detective who is a double outsider due to his job people are highly suspicious of and since he is not of Maori descent. What they share are secrets they try to hide from the community and which quickly make them bond.

The case of Miriama starts with big questions marks, Nalini Sing has well dosed the information you get about the girls, but soon you see the discrepancy between the first picture of the girl and her other side which obviously was well-hidden. The more secrets are revealed the more suspense rises captivating the reader. “A Madness of Sunshine” is a slow burn that does not only rely on the mystery part but also offers a lot in psychological respects with interesting characters in a fascinating setting.

Anne Nørdby – Kalter Strand

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Anne Nørdby – Kalter Strand

Eine Frauenleiche wird am Strand von Ringkøbing angespült. Alles deutet darauf hin, dass die Unbekannte eine Deutsche war, weshalb die Dänen Jette Vestergaard und Tom Skagen von Skanpol in Hamburg zur Unterstützung anfordern. Vor Ort bestätigt sich die Annahme bald, das Opfer Elena lebte seit einiger Zeit in Dänemark und arbeitete in einem Supermarkt. Weshalb sie Drogen bei sich hatte, bleibt jedoch unklar und bald schon zeigt sich, dass die Würgemale an ihrem Hals nicht die Todesursache waren. Während Jette und Tom mit den Kollegen ermitteln, geschehen in der nahegelegenen Ferienhaussiedlung seltsame Dinge. Das Ehepaar Wagner erhält verdächtige Pakete, dann verschwindet Hoffmanns Hund, bevor dann auch noch die Ehefrau von Markus Schneider und Mutter der beiden Kinder entführt wird. Kann das alles Zufall sein? Die Dänen wollen eine schnelle Aufklärung des Todes der Wasserleiche, doch Tom setzt auf sein Bauchgefühl, das ihn nicht im Stich lassen wird.

Teil eins der Serie um den Ermittler Tom Skagen verbreitet das bekannte skandinavische Flair düsterer Thriller. Die Autorin Anne Nørdby, Pseudonym der deutschen Anette Strohmeyer, die in Dänemark lebt und arbeitet, hat mit ihrem Protagonisten eine interessante Figur geschaffen, die durchaus das Potenzial für eine starke Reihe hat, denn nicht nur ist er ein scharfer Beobachter, der die klassische Polizeiarbeit akribisch verfolgt, sondern er hat auch eine Vorgeschichte, die im ersten Band nur angerissen wird, aber für seinen Charakter ganz entscheidend zu sein scheint.

Der Thriller kombiniert zwei unterschiedliche Fälle, die zunächst nur durch die räumliche Nähe in Zusammenhang zu stehen scheinen. Der Fall um die tote Elena geht dabei nur langsam voran, bietet aber den roten Faden und die Begründung für die binationale Zusammenarbeit. Spannender ist der zweite Handlungsstrang, der sich parallel entfaltet und die Mieter der Ferienwohnungen betrifft. Ein unheimlicher Erpresser setzt die Familien unter Druck und ist offenbar bereit, bis zum Äußersten zu gehen. Man hadert mit den Opfern und fragt sich unweigerlich, wie weit man selbst gehen würde. Beide Fälle werden am Ende sauber gelöst und sind überzeugend motiviert. Je näher man der Auflösung kommt, desto mehr steigert sich auch der Thrill und somit bleibt nur das Fazit: gerne mehr davon.

Holly Jackson – A Good Girl’s Guide to Murder

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Holly Jackson – A Good Girl’s Guide to Murder

Pippa Fitz-Amobi hat sich ein ganz besonderes Thema für ihre abschließende Projektarbeit in der Schule gesucht:  fünf Jahre zuvor verschwand in ihrer Kleinstadt Little Kilton die 17-jährige Andie Bell. Ihr Freund Sal Singh wurde des Mordes verdächtigt, was sein Selbstmord nur wenige Tage später zu bestätigen schien. Doch Pippa hat Zweifel daran, dass die Geschehnisse am 20. April 2012 wirklich so waren, wie man sie sich erzählt, vor allem, da Andies Leiche nie gefunden wurde. Sie beginnt Fragen zu stellen und dokumentiert akribisch ihre Erkenntnisse. In Ravi, Sals jüngerem Bruder, findet sie schnell einen Verbündeten und je tiefer sie in die Geschichte einsteigen, desto größer werden die Lücken, die sich in der Erzählung auftun und desto länger wird die Liste der Verdächtigen. Sie scheinen auf der richtigen Spur zu sein, denn bald schon erhält Pippa Warnungen: sie soll aufhören mit ihren Nachforschungen, sonst wird sie dies böse bereuen.

Holly Jacksons Debut Roman ist eine gelungene Mischung aus Jugendbuch und Thriller und stellt den Auftakt einer Serie dar, von der inzwischen vier Bücher auf Englisch veröffentlicht wurden. Mich hatte zunächst der Titel angesprochen, den ich witzig fand, die Geschichte versprach auch spannend zu werden und meine Erwartungen wurden voll erfüllt: die Krimihandlung wird nachvollziehbar aufgebaut und am Ende sauber gelöst, wenn ich hier auch ein paar Abstriche dafür machen würde, dass es mir ein Tick zu viel des Guten war. Die Protagonistin ist dafür eine charmante Mischung aus cleverem Mädchen mit durchaus auch humorvollen Zügen.

Die gesamte Handlung lebt letztlich von Pippas Nachforschungen. Die Mischung aus erzählender Handlung, ihren Notizen und Transkripten ihrer „Verhöre“ lockert dabei die Erzählung immer wieder auf. Akribisch verfolgt Pippa kleinste Spuren, die Tatsache, dass sie mit zahlreichen Jugendlichen befreundet ist oder wegen ihres Alters gar nicht ernst genommen wird, erlauben ihr den Zugang zu wichtigen Informationen. Dass sie bisweilen etwas naiv vorgeht, passt dabei stimmig ins Bild. Die Autorin verzichtet auf typische Klischees, die man in diesem Genre leider häufig findet, ebenso müssen die beiden jugendlichen Ermittler nicht auch noch für eine Liebesgeschichte herhalten, was den Roman auch für Erwachsene unterhaltsam macht. Eine rundum überzeugende und unterhaltsame Geschichte.

Olen Steinhauer – The Last Tourist

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Olen Steinhauer – The Last Tourist

When CIA analyst Abdul Ghali is sent to Africa due to his family background and language knowledge, he expects a lot but surely not what his trip will turn into. He quickly finds Milo Weaver who runs the so-called “Library”, an organisation with its very own agenda between governments, international conglomerates and high ideals. A number of suspicious murders of members of the “Library” have triggered questions at home and it does not take too long for Ghali to become a target himself. He can flee with Weaver who then reveals what has been going on in the last couple of months: an incredible international conspiracy.

The final part of the Milo Weaver series is a highly complex spy novel linking political and economic interests with current events. There are not many global stakeholders missing and Olen Steinhauer‘s concept will be hard to surpass since it combines fast-paced suspense and authenticity concerning international politics and economics.

For me personally, the sheer number of characters and their individual agenda was a bit too much in order to simply enjoy the novel. I had to re-read several parts and take notes not to get lost. On the one hand, I enjoy demanding plots, on the other hand, this results also in demanding a bit less enjoyable reads. It definitely is also advisable to read the other novels of the “Tourism” series. The atmosphere created is convincing even so it was at times a bit over the top. All in all, a demanding espionage novel which takes some time to digest.

Matthias Brandt – Blackbird

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Matthias Brandt – Blackbird

Mit 15 ist das Leben nicht einfach. Erst trennen sich Mortons, genannt Motte, Eltern, dann wird sein bester Freund Bogi krank und zu guter Letzt fährt plötzlich auch noch Jacqueline, das hübscheste Mädchen überhaupt, mit wehendem Haar auf dem Fahrrad an ihm vorbei. Die Emotionen bewegen sich nur noch in den Extrembereichen, Normalität findet nicht mehr statt. Zwischen flatternden Schmetterlingen, erstem Rausch und ernüchternder Breitseite des Lebens geht ein schweres Jahr für Motte vorüber, das schonungslos zeigt, dass jung zu sein nicht immer erstrebenswert und schon gar nicht einfach ist.

Matthias Brandts erster Roman erzählt eine emotional berührende Coming-of-Age Geschichte einer längst vergangenen Zeit. Man kehrt zurück in die 70er Jahre der deutschen Kleinstadt, wo Jungs noch Liebesbriefe schrieben und die Lehrer echte Sadisten sein konnten. Die Freunde hatten die seltsamsten Spitznamen und Witze durften noch recht derbe sein. Brandt trifft für mein Empfinden den Ton und Seelenzustand seines Protagonisten überzeugend, vor allem seine schonungslose Schilderung des Umgangs mit dem Tod, der sowohl die Überforderung der jungen Freunde wie aber auch der Eltern zeigt, lässt seine Figuren ausgesprochen menschlich wirken.

Insgesamt eine vor allem unterhaltsame Angelegenheit. Motte ist weder der große Held noch der Dauerloser, er ist erfrischend normal und tut völlig normale Dinge. Das geht mal gut und mal daneben, ist aber locker geschildert und macht daher auch über weite Strecken einfach sehr viel Spaß. Die Erzählung von Freundschaft, erster Liebe und dem harten Alltag in einer Schule kommt so charmant daher, dass man auch die traurigen Momente gut verkraften kann. Besonderes Plus: kein belehrender Zeigefinger, kein Bildungsziel lugt hinter den Seiten hervor, sondern einfach nur die Erinnerung an eine vermeintlich sorgenfreie Zeit, die es so schon längst nicht mehr gibt.