Wladimir Kaminer – Die Kreuzfahrer

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Wladimir Kaminer – Die Kreuzfahrer

Eine Seefahrt, die ist lustig, eine Seefahrt, die ist schön – so oder so ähnlich hatte sich Wladimir Kaminer das Reise auf einem Kreuzfahrtschiff vorgestellt, was ihn erwartete, war der Alptraum aller Individualurlauber. Vier Reisen unternimmt er, bei dreien eingeladen im Kulturprogramm als Vorleser zu fungieren und erstaunlicherweise nach den Erfahrungen noch eine private Reise. Er durchquert den Atlantik, schippert durch Mittelmeer und Ostsee, bevor er die Karibik erkundet. Mit pointierter Ironie beschreibt er die Reisenden und die Gepflogenheiten auf dem Schiff und bei Landgang, kann irgendwann treffsicher Nationalitäten zuordnen und verbringt ansonsten sehr viel Zeit mit Essen und Trinken und dem Trällern der offenbar obligatorischen Schlager.

Das perfekte Buch, um einem jede Lust aufs Urlauben auf einem Kreuzfahrtschiff zu verderben – und zugleich köstliche Unterhaltung. Auf engstem Raum werden die unterschiedlichsten Menschen zusammengepfercht, um dann schaukelnd durch den Seegang und schunkelnd durch Ballermannmusik von A nach B transportiert zu werden. Man hat den Eindruck als wenn es sich um die komprimierte Form des Massenurlaubs rund ums Mittelmeer handelt und die bekannten Verhaltensweisen der Touristen sind dort natürlich genauso zu finden wie auf Mallorca:

„Obwohl Olga und ich als erste Reisende an Bord gingen, lagen bereits fremde Badetücher an strategisch wichtigen Plätzen: auf dem Sonnendeck, vor der Grillstation und am Pool. Fliegende Badetücher waren wahrscheinlich eine neue Reiseoption, die man bei AIDA buchen konnte, dachten wir. Noch bevor der Inhaber des Badetuches an Bord kam, wurde ihm ein warmes Plätzchen auf dem Sonnendeck reserviert.”

Auch wenn er in erster Linie unterhalten will – und das tut er ohne Frage – sind doch auch kritische Untertöne herauszuhören. Der seit Jahren boomende Tourismus auf allen Ozeanen und Binnenmeeren der Welt ist zu einer gnadenlosen Industrie geworden. Das Personal im Dauergrinsezustand bleibt stets freundlich und lässt den durchschnittlichen Urlauber nicht hinter die ausbeuterische Fassade in den unteren Stockwerken blicken, wo die geringverdienenden Philippinos schuften. Ebenso an Land, wo man selten noch auf Einheimische trifft, sondern sich Flüchtlinge und Migranten aus aller Welt der Nachfrage angepasst haben und die Kundschaft mit dem bedient, was sie sehen will: verkleidete Götter, Eseltreiber und heimatliche Tänze. Perfekt orchestriert, um in wenigen Stunden Aufenthalt das unmittelbare Erlebnis zu garantieren, wenn sie dies überhaupt noch wollen:

„(..) glich unsere AIDA einer schwimmenden Kneipe. Ihre Gäste – die meisten davon Stammgäste auf dem Schiff – hatten schon längst jede Lust aufs Festland verloren. Man konnte sie nur mit Gewalt zu den Sehenswürdigkeiten Griechenlands zwingen. Manche wurden von den Unterhaltungsoffizieren buchstäblich von Bord geschubst.”

Kaminers unverkennbarer Stil führt unweigerlich dazu, dass man im ersten Moment laut loslachen möchte, das Lachen einem dann aber doch im Halse stecken bleibt. Spätestens jetzt ist man von der Idee, eine Kreuzfahrt zu unternehmen völlig geheilt. Perfekte Sommerlektüre für den vollbepackten Strand, wo man neben Touristen aus aller Herren Ländern auf engstem Raum gemeinsam schwitzt.

Anneliese Mackintosh – Verdammt perfekt und furchtbar glücklich

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Anneliese Mackintosh – Verdammt perfekt und furchtbar glücklich

Ottila McGregor hat sich viel vorgenommen für 2014, sie will nicht nur vom Alkohol loskommen, sondern glücklich werden, verdammt glücklich. Doch das Leben macht es ihr nicht einfach, zum einen wird ihre Schwester in die Psychiatrie eingewiesen, wo sie hochgradig selbstmordgefährdet ist und Ottila sich fragt, inwieweit ihr Verhalten dazu geführt hat, dass Mina nicht mehr leben möchte. Zum anderen muss sie feststellen, dass sie eine Affäre mit der Schwester von Thales, ihrer aktuellen Flamme, hatte. Mit Hilfe ihres „Kleinen Buchs vom Glück“, in dem sie ihren Alkoholkonsum und ihre Gedanken notiert, und ihrer Therapeutin will sie alles auf die Reihe bekommen, aber so einfach wie gedacht ist das nicht.

Ottila McGregor erinnert zunächst stark an Bidget Jones, die ihre kleinen Sorgen und Nöte mit ihrem Tagebuch teilt und ebenfalls in einer unglücklichen Affäre mit ihrem Chef feststeckt und viel zu gerne viel zu viel Alkohol konsumiert. Noch stärker jedoch als bei Helen Fieldings Heldin gestaltet Anneliese Mackintosh ihren Debütroman jedoch als Kaleidoskop verschiedenster Textsorten – Tagebucheinträge, E-Mails zwischen Mutter und Tochter, Textnachrichten, Transkripte der Therapiesitzung etc. – aus denen sich erst die Handlung konstruiert. Und auch wenn humorvolle Passagen und urkomische Dialoge vorkommen, dominieren für mich in „Verdammt perfekt und furchtbar glücklich“ doch die ernsthaften Aspekte.

In erster Linie sind es Ottilas schwierige Beziehungen, zum einen mit ihrem Vater bzw. dem nicht verarbeiteten Tod des Vaters. Aber auch zu ihrer psychisch kranken Schwester und der Frage, ob sie etwas für sie hätte tun können oder gar die Situation durch ihr Verhalten verschlimmert hat. Vorwürfe, die sie sich selbst macht und die nur bedingt entkräftet werden können. Auch die Therapieformen, die Mina ausgesetzt wird, werden durchaus kritisch angesprochen, vor allem der Aspekt, dass die Angehörigen zwar informiert werden, aber letztlich doch passiv zuschauen müssen, hat einen etwas faden Beigeschmack. Wie viele Frauen Anfang 30 will Ottila eigentlich nur eine funktionierende Beziehung, die ihr Stabilität und Sicherheit gibt, doch den passenden Partner zu finden scheint ein Ding der Unmöglichkeit.

Die Art, wie Mackintosh den Leser in Ottilas Leben blicken lässt, gestaltet Roman authentisch und lebendig. Die Protagonistin ist sympathisch, gerade weil sie weit davon entfernt ist, perfekt zu sein und dies eigentlich auch gar nicht anstrebt. Sie hätte nur gerne ein kleines Stück vom Glück – wer würde ihr das übelnehmen wollen?

Laurie Gelman – Die Elternsprecherin

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Laurie Gelman – Die Elternsprecherin

Jenny Dixon hatte Kinder und Schule eigentlich hinter sich als sie mit ihrem Mann Ron doch noch einen Sohn bekommt. Also geht alles wieder von vorne los und da sie das Drama schon kennt, übernimmt sie den Job als Elternsprecherin der Vorschulklasse von Miss Ward. Damit die anderen Eltern wissen, wo der Hase langläuft, wendet sie sich mit deutlichen Ansagen und wenig feinfühliger Ironie an diese. Die einen sind verärgert, die anderen haben gehörigen Spaß. Doch wichtige Positionen locken Neider an und bald ist Jennys Job in Gefahr, aber sie hat ja auch noch andere Sorgen als nur die Vorschule, z.B. dem Schlammwettlauf, für den sie trainiert oder ihre High-School-Flamme, die plötzlich wieder aufgetaucht ist.

Laurie Gelmans Roman lebt von spritzigem Humor und Situationskomik. Die Protagonistin ist herrlich gezeichnet und unterhält bestens mit ihrer unkonventionellen Art. Sie entspricht so gar nicht dem Klischee der Nur-Mutter, die Helikopter-mäßig nur um ihren Jüngsten kreist, sondern sieht alles mit einer gelassenen Distanz, die die anderen Eltern bisweilen auf die Palme treibt.

Daneben gibt es größere und kleinere Dramen: Liebe, Affären, Zickereien -alles was das Leben so bietet. Humorvoll und nicht so ernstzunehmend, damit beste Unterhaltung für Zwischendurch.

Tanja Kokoska – Almuth spielt auswärts

Drei Frauen Anfang 60 gehen auf Reisen: Paula, Lilo und Almuth wollen sich ein paar gemütliche Tage in der Schweiz gönnen. Ohne Männer. Lilo ist ohnehin seit einiger Zeit verwitwet und wie sich herausstellt, hat Paulas Mann sich für eine jüngere entschieden. Almuth hingegen lebt mit ihrem Günter seit 30 Jahren eine zufriedene und glückliche Ehe. Man hat sich eingespielt, akzeptiert unterschiedliche Interessen und weiß, was man aneinander hat. Doch die Bekanntschaft und darauf folgende gemeinsame Nacht mit einem anderen Mann werfen Almuth aus der Bahn und sie beginnt sich zu fragen, ob denn wirklich alles so harmonisch ist und ob sie von ihrem Leben nicht noch mehr erwarten kann.
„Almuth spielt auswärts“ thematisiert eine wesentliche Frage der Generation Hausfrau um die 60. Mit viel Wortwitz und sprachlich sehr gelungenen Vergleichen zum Fußball – Almuth ist im Gegensatz zu ihrem Mann glühender Fußballfan und Anhänger des FC Barcelona – werden Routinen und gesellschaftliche Erwartungen und Normen in Frage gestellt. Von ganz persönlichen Fragen wie „bin ich noch hübsch“ bis zu der Entscheidung, wann und für wen das gute Geschirr eigentlich verwendet wird – ist man selbst nie gut genug dafür? – stellt Tanja Kokoska den Alltag und all die Dinge, die eigentlich so klar sind, auf den Prüfstand. In bewundernswerter Weise gelingt es ihr, essentielle Fragestellungen in leichter und unterhaltsamer Art darzubieten. Die skurrilen Freundinnen sorgen für amüsante Wortgefechte rund um das nie enden wollende Thema „Männer vs. Frauen“, Almuths liebenswerte Fußballmetaphern bringen ihre Zwickmühle kurzweilig auf den Punkt ohne dabei an Ernsthaftigkeit zu verlieren.

Als Fazit bleibt nur: lesen. Für mich passt das Buch in kein Schema. Es ist ausgesprochen unterhaltsam durch Tanja Kokoskas wortgewandte Ausdrucksweise, gleichzeitig in der Thematik durchaus ernsthaft und nachdenklich. Ein gelungener Mix nicht nur für Frauen in Almuths Alter.

Mia Morgowski – Dicke Hose

Ein wichtigtuerischer, angeberischer Makler. Ein angeblich sterbenskranker Freund in Not. Eine Hamburger Nobelboutique. Aus diesen Zutaten hat Mia Morgowski einen Roman gestrickt, der wohl lustig und unterhaltsam sein soll. Mag er auch sein, wenn man über widerliche Charaktere hinwegsehen kann, bei denen man nicht weiß, ob ihre Dummheit, ihre Ignoranz oder deren Arroganz einem am meisten nervt. Protagonist Alex ist mehr als eine Karikatur des eingebildeten Schnösels, dem man jede Katastrophe an den Hals wünscht und der den Leser dazu veranlasst, sich diebisch über jedes weitere Malheur zu freuen. Doch leider tut einem die Autorin nicht den Gefallen, diesen Widerling vor die Hunde gehen zu lassen, sondern tisch ein zuckersüßes, vor Friede-Freude-Eierkuchen nur so triefendes Happy-End auf, dass man das Buch nur noch in die Ecke pfeffern möchte.

Möglicherweise habe ich den Humor nicht verstanden. Vielleicht finde ich die präsentierten Figuren allesamt so furchtbar, dass ich den Witz nicht sehen konnte. Es mag auch sein, dass ich die wenig subtile Botschaft „jede brave Frau kann einen Typen zu einem echt netten supi-dupi-Kerl machen“ zu dämlich finde, um mit dem Buch etwas anfangen zu können.

**/5

Michael Meisheit – Irgendwas ist immer

Michael Meisheit schreibt in bester Blogmanier mal ironisch, mal lustig, mal verärgert, aber nie zu ernsthaft über großen und kleinen Dramen des Alltags. Von den verpatzten Flitterwochen über nervige Bauarbeiten und unfähige Autofahrer in der Rush Hour lässt er seinen Gedanken freien Lauf und den Leser so manches Mal sich selbst wiedererkennen.

****/5

Mike Ormsby – Never mind the Balkans, here‘ Romania

Mike Ormsby ist Engländer und nach Rumänien ausgewandert. Seine Erfahrungen mit der Bukarester aber auch der transilvanischen Bevölkerung hat er episodenhaft in kurzweiligem und humorvollen Stil verarbeitet. Wer einmal in Bukarest Taxi gefahren ist, kann seine Todesängste nachvollziehen, ebenso ist die bisweilen verquere Logik des Hauswartes zwischen schmerzvoll und lustig angesiedelt. Nichtsdestotrotz liebt er seine neue Heimat und bringt dem Leser auch die liebenswerten Seiten des Landes und der Bewohner nahe.

Abwechslungsreich, humorvoll und selbstironisch – beste Unterhaltung, vor allem, wenn man das Land schon einmal bereist hat.

*****/5

Frieda Lamberti – Club der Feinschmecker

Der Club der Feinschmecker handelt leider nicht von Feinschmeckern, sondern von der Frage, wie man seinen prügelnden Ehemann gegen die heiße Affäre eintauschen kann. Eine ganz seichte Frauenkomödie, die jedoch nur begrenzt witzig ist. Die Autorin hat versucht den dünnen Inhalt durch einen interessanten Handlungsort aufzupeppen, leider sind ihre Französischkenntnisse so schlecht, dass sich bei der Beschreibung der Provence und der typischen Lebensmittel ein Fehler an den anderen reiht und das Lesen zur Qual wird. Dank der Kürze des Textes ist diese jedoch schnell überstanden.

**/5

Matthias Zipfel – Katz oder Lügen haben schlanke Beine

Arno Katz hat es endlich geschafft: sein eigenes Detektivbüro. Und als Sahnehäubchen stellt sich die hochattraktive Sonia vor, die er direkt als Sekretärin engagiert. Der erste Fall lässt nicht lange auf sich warten: die Entführung eines Hundes. Zumindest glaub die 12-jährige Vanessa, dass der Dobermann entführt wurde. Die Tochter eines Schönheitschirurgen wirkt auf Katz leicht verschroben, doch er nimmt sich des Falls an – nicht ahnend, an was für eine Familie er da geraten ist und welche „Folgeaufträge“ ihm daraus erwachsen. Aber mit Sonias pragmatischer Unterstützung und schauspielerischem Talent geht der Jungdetektiv den Tatsachen auf den Grund und hat so einiges aufzudecken.

Ein kurzweiliger Kömodienkrimi mit viel Wortwitz und Situationskomik. Nichtsdestotrotz eine clevere Geschichte, die sich langsam entfaltet und unerwartet entwickelt. Die beiden Hauptfiguren mit netten Marotten ausgestattet, fern vom perfekten Ermittlerduo, aber mit viel Einfallsreichtum und Selbstironie. Gelungene Unterhaltung.

****/5