Delphine de Vigan – No et moi

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Delphine de Vigan – No et moi

Die 13-jährige Lou, hochbegabt aber nach dem plötzlichen Tod ihrer kleinen Schwester emotional von den Eltern vernachlässigt, trifft auf die 18-jährige No, die seit Jahren auf der Straße lebt. Lou ist fasziniert von dem Mädchen und beschließt ihr zu helfen. Zunächst sind es Einladungen in ein Café, aber Nos Situation verschlimmert sich drastisch und Lou bittet ihre Eltern, sie bei sich wohnen zu lassen. Zunächst lebt das Mädchen auf, so viel Zuwendung haut sie nie erfahren. Auch Lous Mutter, die sich nach dem Verlust den Kindes völlig zurückgezogen hatte, kehrt ins Leben zurück. Doch das Märchen kann nicht andauern und Lou erkennt, dass das Leben nicht immer ein Happy-End zu bieten hat.

Ein wunderschöner Roman aus der Sicht der jungen Lou geschrieben. Ihr kindliches Alter gepaart mit der hohen Intelligenz erlauben ihr einen ganz eigenen Blick auf die Situation. Manches kann oder will sie noch nicht sehen, anderes erfasst sie mit erschreckendem Scharfsinn. Freundschaft und Vertrauen von denen viel abhängen, genauso große Erwartungen und Enttäuschungen, Delphine de Vigan hat die großen Themen der Jugendlichen auf nur 250 Seiten gepackt und gleichzeitig mit der Obdachlosen No eine dramatische Komponente, die auch einige offene Fragen hinterlässt, eingebaut, vor der man in seinem geregelten Leben oft die Augen verschließt. Kann ein Mensch, der gNz unten war wieder ins Leben finden? Reichen Liebe und Zuneigung aus, um alle Risse wieder zu kitten? Und wie viel Verantwortung kann man einem Mädchen zumuten?

Nicht nur für Jugendliche ein Roman mit vielen Facetten. Erinnert mich ein wenig an Muriel Barberys „L’élégance du hérisson“ und an Amélie Nothombs „Métaphysique des tubes“.

Jessica Thompson – Eindeutig Liebe

Zwei junge gutaussehende Menschen im hippen London mit kreativen Berufen. Sie sehen sich, es ist Liebe auf den ersten Blick, doch sie trauen sich nicht, sich ihre Liebe zu gestehen. Jahre vergehen, in denen sie beste Freunde werden, gegenseitige Beziehungen und Trennungen mit einander erleben und beklagen. Es dauert, bis endlich der große Moment – dank der Intervention eines Freundes – gekommen ist und sie sich in den Armen liegen.

Typische Chick-Lit ohne Überraschungen. Da das Ende absehbar ist, zieht sich die Geschichte und kann den guten Anfang nicht fortsetzen. Im Wechsel taucht man in die Gedanken der beiden Protagonisten ein, bisweilen erhält man auch dieselbe Szene aus zwei Blickwinkeln, was an sich ja gar nicht unclever gemacht ist. Leider leidet die Autorin an viel zu viel Klischee, was die Figuren angeht – natürlich sind Traumprinz und Prinzessin unglaublich hübsch und erfolgreich und werden sowieso von allen angehimmelt, außerdem absolute Gutmenschen, die jeden retten wollen und auch können! Gleichzeitig mangelt ihr bisweilen der Blick für die männliche Perspektive: welchem Mann fällt schon als allererstes auf, dass seine Traumfrau unheimlich tolle Haut hat? Noch dazu über mehrere Meter Entfernung hinweg und unter Schminke verpackt?

Das Buch bleibt letztlich belanglos und so richtig kann man sich mit den beiden am Ende nicht freuen, da sich das Drama etwas zu lange gezogen hat.

**/5

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Christian Stadelmann- 2 Wochen verschlafen

Der Autor, der den Leser schon in seinem dilettantischen Vorwort plump duzt, beschreibt die Zeit seines selbst-diagnostizierten Burnouts und der Heilung. Was gerade mal zwei Wochen andauert, in denen er schläft, Ramschfernsehen schaut, bei seinen Eltern isst oder seine 50 Facebook-Kontakte pflegt. Zwischen den atemberaubend langweiligen Beschreibungen dieser Tagesabläufe lamentiert er noch über die nicht vorhandene Freundin, die Filme im Fernsehen, die er leider verpennt und seinen ungemein anspruchsvollen Staplerfahrerjob.

Abgesehen vom völlig überflüssigen Inhalt besticht das Buch durch Rechtschreibfehler und den Verzicht auf Interpunktion, mit Ausnahme von Ausrufezeichen, die sind dem Autor bekannt. Stilistisch bewegen wir uns knapp über Grundschulniveau, einfachste Begriffe, kreative Verwendung von Zeiten und Konjugationen und bis weilen hat man den Eindruck, dass auch ein wenig copy and paste dabei war.

Alles in allem eine Zumutung für den Leser und eine Unverschämtheit gegenüber all den tatsächlich an Burnout Erkrankten, die nur unter größten Mühen wieder ins Leben finden. Aber der Autor hat ja einen guten Tipp: mach 14 Tage krank und schlaf dich aus.

Christian Sidjani – Schließfach 644

In Sidjanis Kurzkrimi findet ein Mann durch Zufall einen Schlüssel zu einem Schließfach. Nach kurzer Odyssee kann er am Bahnhof das korrekte Fach finden und öffnen. Doch noch bevor er sich den Inhalt des im Fach befindlichen Koffers näher ansehen kann, spürt er eine Waffe in seinem Rücken.

Kurz und knackig, jedoch nur mäßig überzeugend. Die Figuren genau wie die Geschichte sind nicht ausgereift und kommen irgendwie halbfertig daher. Da wäre mehr drin gewesen.

**/5

Émile Zola – Nana

„Nana“, neunter Band der Rougon-Macquart Reihe von Émile Zola, erzählt die Geschichte der jungen und lebenshungrigen Nana. In „L’Assommoir“ begegnet sie dem Leser als Tochter der tüchtigen aber vom Glück verlassenen Gervaise und von Coupeau, einem Säufer, der die Familie ins Verderben stürzt. Nana hat mehr vor mit ihrem Leben, sie will berühmt werden und träumt von der Karriere im Theater. Als blonde Venus erhält sie ihre Chance und verzaubert die Männer auch ohne das geringste Talent. Ihren Traum vom Luxus finanziert sie auf den Rücken der Liebhaber, diese sind nicht nur zahlreich, sondern auch gutsituiert und lesen ihr jeden Wunsch von den Augen ab. Skrupel kennt Nana nicht, nur manchmal erinnert sie sich an ihren Sohn Luiset, den sie von einer Tante aufziehen lässt, oder es kommen ihr religiöse Zweifel -dass sie bei ihrem Lebenswandel in der Hölle landen muss, steht außer Frage. Nana ist stark, auch in schlechtesten Zeiten weiß sie sich zu helfen und geschickt spielt sie alle gegeneinander und zu ihrem Vorteil aus. Leichen pflastern im wahrsten Sinne des Wortes ihren Weg und sie selbst muss sich ebenfalls dem Schicksal ergeben.

Mit Nana erlaubt Zola einen Blick in die Pariser Frauenwelt der Zeit vor dem deutsch-französischen Krieg. Leichte Mädchen mit großen Träumen, angesehene Herren mit gefülltem Portemonnaie und Abenteuerlust, die sich gerne auf die jungen Damen einlassen und sich mit ihnen vergnügen. Der Roman besticht, typisch für den Naturalismus, mit detaillierten Beschreibungen – die jedoch bisweilen für den Leser auch sehr anstrengend werden. Wie auch in den anderen Werken der Reihe sind die Figuren in ihrer Entwicklung das zentrale Thema, so manches Mal lässt Nana den Leser schier verzweifeln und zwischen Mitgefühl und nahezu Hass hin und her springen.

Ein Klassiker außer Frage, typisch für seine Epoche und für Émile Zola.

Detlev Crusius – Kasino Rossija: Moskau

„Moskau“ ist der erste von fünf Teilen der Kasino Rossija Reihe, die in Zeiten der zusammenbrechenden Sowjetunion spielt. Gorbatschow hat mit Glasnost und Perestroika die Wende eingeleitet, alte Strukturen sind aber präsent wie eh und je. In dieser Zeit begibt sich Robert nach Moskau, um dort Geschäfte mit Grischa, einem alten Freund seiner Familie, den er seit Kindestagen kennt, zu machen. Nach und nach lernt er nicht nur russische Eigenheiten kennen, sondern vor allem die Funktionsweisen eines korrumpierten Staates, dessen Geheimdienst von den eigenen Leuten unterwandert wird und gleichzeitig über ein schier unglaubliches Informationsnetz verfügt. Bald stellt sich die Frage, wer wen hintergehen will und wie viel Vertrauen Robert zu seinem alten Freund haben kann. Ein großes Geschäft lockt ihn, ebenso eine attraktive Frau – aber in welche Gefahr begibt er sich dabei?

Crusius gibt interessante Einblicke in die kritischste Zeit der UDSSR, manche der Figuren scheinen bereits der „guten alten Zeit“ nachzutrauern, andere planen die Flucht in den gelobten Westen und wieder andere versuchen im System das beste für sich herauszuholen. Trotz der wiederkehrenden Besuche und fast belanglosen Gesprächen mit Agenten des KGB ist das Buch jeder Zeit spannend und hat so manche brenzlige Situation zu bieten. Gute Unterhaltung in unaufgeregter Art.

****/5

Mia Morgowski – Dicke Hose

Ein wichtigtuerischer, angeberischer Makler. Ein angeblich sterbenskranker Freund in Not. Eine Hamburger Nobelboutique. Aus diesen Zutaten hat Mia Morgowski einen Roman gestrickt, der wohl lustig und unterhaltsam sein soll. Mag er auch sein, wenn man über widerliche Charaktere hinwegsehen kann, bei denen man nicht weiß, ob ihre Dummheit, ihre Ignoranz oder deren Arroganz einem am meisten nervt. Protagonist Alex ist mehr als eine Karikatur des eingebildeten Schnösels, dem man jede Katastrophe an den Hals wünscht und der den Leser dazu veranlasst, sich diebisch über jedes weitere Malheur zu freuen. Doch leider tut einem die Autorin nicht den Gefallen, diesen Widerling vor die Hunde gehen zu lassen, sondern tisch ein zuckersüßes, vor Friede-Freude-Eierkuchen nur so triefendes Happy-End auf, dass man das Buch nur noch in die Ecke pfeffern möchte.

Möglicherweise habe ich den Humor nicht verstanden. Vielleicht finde ich die präsentierten Figuren allesamt so furchtbar, dass ich den Witz nicht sehen konnte. Es mag auch sein, dass ich die wenig subtile Botschaft „jede brave Frau kann einen Typen zu einem echt netten supi-dupi-Kerl machen“ zu dämlich finde, um mit dem Buch etwas anfangen zu können.

**/5

Peter Buwalda – Bonita Avenue

Peter Buwalda breitet auf 640 Seiten eine tragische Familiengeschichte aus. Der auf dem Cover dargestellte, verspielt-glückliche Teenager wird Unheil bringen über alle Familienmitglieder sowie ihren Freund, der dem Leser zunächst als Ich-Erzähler gegenüber tritt. Unchronologisch und permanent die Perspektiven wechselnd ist es nicht einfach sich in die Geschichte hineinzufinden, erst nach und nach entfaltet sich das Drama, zudem die Figuren alle auf ihre Weise beitragen.

Im Zentrum steht Siem Sigerius, zuerst erfolgreicher Judoka, später angesehener Mathematiker, der mit zweiter Frau und den beiden Stieftöchtern Joni und Janis eine kurze Zeit der heilen Welt in der Bonita Avenue verbringen darf. Zurück in den Niederlanden entwickeln sich die Dinge schwieriger. Der Sohn aus erster Ehe ist kriminell und bedroht die Familienidylle. Tochter Joni erfüllt auch nicht die Erwartungen des biederen, geordneten Lebens und bereitet unbeabsichtigt mit ihrem Freund Aaron den Sturz des geliebten Stiefvaters vor. Siem scheitert zudem an seinen eigenen Moralvorstellungen und der Aufrechterhaltung des Bildes nach außen. Am Ende bleiben nur Verlierer, die das miteinander Reden und Vertrauen auf ihre Nächsten verlernt haben.

Ein starkes Erstlingswerk, dass durch intensive und sehr nahe Beschreibungen besticht. Die Dramaturgie ist außergewöhnlich und fordert die volle Aufmerksamkeit des Lesers. Die Figuren entwickeln sich langsam, sind interessant angelegt, so dass man trotz der Zeitsprünge ihre Veränderungen nachvollziehen kann.

Mich erinnert Peter Buwalda ein wenig an Ian McEwan, wenn auch (noch?) nicht in derselben Intensität, aber die Fähigkeit, die emotional intensiven Verstrickungen von Familienmitgliedern in einen komplexen Roman zu verpacken, der trotz wenig aktiver Handlung nichts an Spannung vermissen lässt, ist ganz eindeutig vorhanden. Ich bin auf die folgenden Werke gespannt!

*****/5

Lilian Grzesiak – Die Cappuccinos

Zwei Waschweiber, scheinbar beide frustrierte 50 plus schreiben sich E-Mails (gelegentlich auch an sich selbst, fehlendes bzw. Mangelhaftes Lektorat lässt grüßen) und diskutieren die wesentlichen Dinge der Welt: Angebote bei Tchibo, Mode bei Kik und das wundervoll anspruchsvolle Fernsehprogramm von Sat1. An Niveau ist diese Veröffentlichung kaum zu unterbieten, die Damen Bewegen sich haarscharf über dem Niveau von Cindy aus Marzahn -nur ohne lustig, sondern um ausschließlich dumm zu sein. Die Ergüsse könnten schlimmer kaum sein, dazu schwankend zwischen vollemanzipiert männerhassend und erzkonservativ die heile Familie beschwörend. Ein unerträglicher Erguss, der zum Glück schnell vorbei war. Ein weiterer Beleg dafür, dass nicht alles veröffentlich werden sollte.

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Moniqua Sexton – The Unexpected

Sharon und ihr Sohn Trey müssen wieder einmal umziehen. Eine Serie von Todesfällen -alles Exlover von Sharon – verfolgt sie. Ein Unbekannter will sie für sich alleine haben. Auch die Exfreundin ihres neuen Liebhabers muss recht schnell daran glauben, als ihr Sohn Trey auch noch verunglückt, hat Sharon jedoch nicht besseres zu tun als zuerst einmal sich ausgiebig mit David im Bad zu vergnügen. Was als Krimi begann, versinkt in primitivem Mummy porn. Wie es der Zufall will, wird noch in derselben Nacht der Verlobte von Sharons Zwillingsschwester Serena ermordet. Die Ermittlerin Sara hat beide Schwestern im Visir.

Zur Obsession der Autorin gehören auch Beschreibungen von Wohnungen, die ellenlang ausfallen und alle Figuren wohnen wundersamer Weise nur in den exklusivsten Wohnungen mit der teuersten nur denkbaren Einrichtung. Eigentlich fehlen nur noch die Preisschilder an den ganzen Hifi Geräten und Designerstücken. Auf Dauer kann eine solche übertriebene Show-off Darstellung extrem nerven.

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