Reiner Neumann – Die Macht der Macht

„Macht ist immer und überall“ schreibt Reiner Neumann in der Einleitung. Zu Hause, im Beruf, in jeder Form von Gruppe, überall im Alltag, von der Politesse über den Finanzbeamten bis hin zur Putzfrau – ständig sind wir mit Fragen von Macht und Ohnmacht konfrontiert. In elf Kapiteln beleuchtet Neumann das Thema von nahezu allen Seiten: Charisma, Sprache, Symbole und Beziehungen sind nur einige der Aspekte, die der Autor näher erläutert bevor er im abschließenden Abschnitt zu dem wesentlichen Punkt „Macht und Karriere“ kommt.

Wissenschaftlich fundiert, mit vielen z.T. bekannten und prominenten Beispielen bringt Neumann dem Leser das komplexe Thema Macht näher. In Stichworten oder kurzen Phrasen werden am Ende des jeweiligen Abschnitts die wichtigsten Punkte zusammengefasst. Ganz konkrete Tipps für den Leser machen das Buch zu einem nicht nur informativen, sondern auch nützlichen Werk. Er warnt vor falschen Schlüssen und typischen Fehlern auf dem Weg nach oben. Sehr konkret ist das letzte Kapitel auch darauf ausgerichtet und liefert zahlreiche praktische und lebensname Hinweise.

Der Sprachstil ist angenehm zwischen unterhaltsam und doch nicht zu oberflächlich. So viele Beispiele wie nötig, um das Gesagte zu verdeutlichen, ohne aber in Längen zu verfallen, auf den Punkt gerichtet und auf das Wesentliche beschränkt verzichtet Neumann auf jede Form von Selbstdarstellung und Abseitsplauderei.

Informativ, in der Breite eine Zusammenfassung und Einführung in das Thema liefernd und mit vielen praktischen Tipps ein gelungenes Buch.

*****/5

Helmut Barz – WestEnd Blues

Katharina Klein wird durch das Klingeln eines Handys geweckt: ihr Vorgesetzter. Sie ist einen Moment desorientiert. Wo ist sie aufgewacht – ach ja, der One-Night-Stand, weil sie sich irgendwie davon ablenken musst, dass sie zwei Männer getötet hat, nachdem diese ihren Partner niedergeschossen hatten. Dem schlechten Morgen sollen für die Hauptkommissarin noch mehr schlechte Neuigkeiten folgen. Nicht nur ist sie suspendiert und ein Verfahren mit dem Ziel sie für immer aus dem Dienst zu entfernen wird eröffnet, nein, ihre Nachbarin wurde tot aufgefunden und in Ermangelung eines Vaters muss sie Ersatzmutter für die vierjährige Laura spielen. Inoffiziell versucht sie nun den Mörder von Lauras Mutter zu finden und gleichzeitig ihre eigene Haut zu retten. Doktor Amendt wird ihr tatkräftig Unterstützung leisten, doch auch er muss gerade um seine berufliche Zukunft fürchten.

Der erste Band der Katharina-Klein Reihe, die in Frankfurt am Main angesiedelt ist und mit dezenten Hinweisen Seitenhiebe auf die hessische Metropole liefert, überzeugt. Eine spannende, durchaus komplexe Geschichte, deren Handlungsstränge geschickt verwoben werden und in rasantem Tempo voranschreiten. Die Charaktere sind ausgefallen und mit vielen interessanten Facetten ausgestattet. Es fehlen die klassischen, hunderte Mal gelesenen Züge der Ermittler, erfrischen neu kommen Katharina Klein und Andreas Amendt daher. Die Familiengeschichten der beiden lassen Raum für weitere Romane und können – neben dem aktuellen Fall – Lust auf mehr wecken.

Helmut Barz ist für mich auf dem Regionalkrimi-Markt eine echte Entdeckung. WestEnd Blues kann nicht nur überzeugen, sondern vor allem gut unterhalten. Ein echtes Lesevergnügen.

*****/5

Donna Leon – Acqua Alta [Hörspiel]

Commissario Brunetti dieses Mal nicht nur im Regen, sondern auch noch im Acqua Alta – Hochwasserzeit in Venedig. Brett Lynch, amerikanische Archäologin und Expertin für chinesische Kunst wird zu hause von zwei Gorillas brutal zusammengeschlagen und gewarnt: sie solle Abstand von einem treffen mit dem Museumsdirektor Semenzato Abstand nehmen. Als dieser kurze Zeit später tot aufgefunden wird, ist klar, dass hier mehr dahintersteckt. Die Kollegen aus Rom bestätigen, dass es Unregelmäßigkeiten in der Kunstszene gibt. Während sich Brett noch um ihren guten Ruf und die Beziehungen zu China sorgt, planen dunkle Kräfte schon ihren Abgang – um sich selbst an edlen Vasen zu erfreuen.

Gewohnt legerer Brunetti, wieder einmal angesiedelt in den besseren Kreisen und mir Kunst und Kultur geschmückt.

****/5 (Hörspiel)

Daniela Böhle – Leichen im Keller [Hörspiel]

Daniela Böhle stellt uns in dem kurzen Hörspiel das Krankenhaus der Zukunft vor. Wer im Besitz einer Goldkarte ist, wird nicht nur bevorzugt behandelt, sondern bekommt sogar noch seine eigenen Röntgenbilder  und nicht irgendwelche aus dem Archiv zugeteilten. Mit etwas Glück reichen die Wertmarken noch für Bettpfanne und Schmerzmittel, sonst muss man eben warten, bis einem der nächste Besuch auslöst. Als medizinisches Personal finden sich willige und vor allem Billige Hilfskräfte, die mit virtueller Unterstützung Operationen durchführen. Da kann schon mal was daneben gehen, aber die Kollegen im Keller kümmern sich schon um die Entsorgung.

Eine bissige Komödie – oder eher Satire auf das heutige Gesundheitssystem und vermutlich realistischer als man sich das vorstellen und wünschen kann.

****/5 (Hörspiel)

Hans-Jürgen Heinicke – Was vom Leben übrig bleibt, kann alles weg

Das Cover des Buchs zeigt eine Straßenszene: diverse halbverpackte Möbel, ein Mann in zweckmäßiger Kleidung und ein Lieferwagen, indem diese Dinge gleich verschwinden werden. Was vom Leben übrig bleibt, kann alles weg. Fundstücke eines Wohungsauflösers. Hans-Jürgen Heinicke berichtet aus seinem Berufsleben – 30 Jahre professionelle Entrümpelung.

Nach einer kurzen  Einführung, die das eine oder andere seines Berufs erhellt und erläutert, wie eine Auflösung durch externes Personal vonstatten geht, taucht der Leser ein in verlassene Wohnungen. Ein reisebegeistertes Ehepaar, ein dekantener Steuerberater, eine berühmte Schauspielerin, Firmengründer, ganz verschiedene Wohnungen und Personen werden anhand ihres Nachlasses skizziert und wieder zum Leben erweckt. Die zum Teil unerwartet wertvollen, bisweilen aber auch nur für die Müllhalde tauglichen Gegenstände werden von Heinicke begutachtet. So mancher Schatz ist darunter, manchmal bleibt aber auch nur Entsorgungsarbeit.

Der Klappentext und der Inhalt des Buchs haben viel versprochen. Vieles ist auch sehr amüsant und spannend zu lesen. Neben den Wohnungsberichten schweift der Autor jedoch immer wieder auch lange aus und berichtet von seiner Lebensgeschichte und Nebenschauplätzen wie Trödelmärkten und polnischen Vertickungsmaschen. Auch fehlt mir ein vernünftiges Ende, das letzte Kapitel suggeriert zwar durch den Titel ein solches, bleibt es dann aber doch schuldig.

Der Schreibstil ist an sich ein angenehmer Plauderton, den man locker nebenbei wegliest. Vermutlich ist dies auch die Ursache für die fehlende Struktur des Buches und die ausufernden Nebengeschichten und Erinnerungen und Meinungen des Autors.

Mein Urteil fällt durchwachsen aus. Meine Erwartungen wurden nur zum Teil erfüllt. Zwar wurden ganz nette Episoden geschildert und das eine oder andere Erhellende des Berufs war auch dabei, aber einen nachhaltigen Eindruck könnte das Buch nicht hinterlassen.

**/5

Lucy Clarke – Die Landkarte der Liebe

Katie wird mitten in der Nacht durch das Klingeln an der Tür geweckt. Zwei Polizisten stehen davor und haben eine schreckliche Nachricht für sie: ihre Schwester Mia, die seit Monaten mit ihrem besten Freund Finn auf Weltreise ist, hat sich in Bali von einem Felsen gestürzt. Nach dem Tod der Mutter wenige Monate zuvor ist Katie nun völlig allein auf der Welt.

Die junge Frau kann die polizeiliche Version vom Tod der Schwester nicht ganz glauben und nach kurzer Bedenkzeit entschließt sie sich, auf Basis des Reisetagebuchs aufzubrechen und auf den Spuren ihrer Schwester zu wandeln. Sie möchte nachvollziehen können, was diese in den letzten  Monaten erlebt hat und weshalb sie diesen Schritt getan hat.

Sie ahnt bereits beim Aufbruch, dass dies keine leichte Reise wird. Welche schrecklichen Erkenntnisse und Erfahrungen auf sie warten, ahnt sie jedoch nicht. Am Ende hat sie nicht nur Licht ins Dunkel  der letzten Stunden im Leben ihrer Schwester gebracht, sondern auch ihrem eigenen Leben eine völlig neue Wendung gegeben.

Das Cover des Buchs ist sehr kitschig, was mich vom Kauf eher abgeschreckt hätte. Der deutsche Titel ist völlig unpassend zum Inhalt und lenkt zusammen mit dem Cover klar in die Frauen-Schnulzen-Ecke. Das ist das Buch nicht. Es ist die Geschichte zweier sehr verschiedener Schwestern, voller nicht gesagter Dinge, Missverständnisse und später Reue. Ein wenig kitschig schon auch, gegen Ende etwas zu wenig gradlinig in der Handlung mit mehreren überflüssigen Schnörkeln und Nebensträngen.

Gut gefallen hat mir die zeitversetze abwechselnde Erzählperspektive zwischen den Schwestern. Sprachlich war das Buch nicht weiter bemerkenswert, das Erstlingswerk einer jungen Autorin erfüllt eher die Erwartungen. Die Geschichte an sich ist nicht uninteressant, auch die Tatsache, dass nach und nach immer mehr aufgeklärt wird und zugleich weitere Fragen aufgeworfen werden, hat die Spannung aufrechterhalten.

Die Charaktere waren leider vielfach etwas schablonenhaft und klischeebehaftet. An mancher Stelle fand ich auch das Verhalten nicht kohärent, bisweilen auch unlogisch. Gegen Ende verzettelt sich Clarke und trägt schlicht zu viel auf.

***/5

Frida Mey – Manchmal muss es eben Mord sein

Elfie, Elfriede Ruhland, hat es sich zur Aufgabe gemacht, in der Welt für Ordnung zu sorgen. Als freelance Büro-Organisatorin übernimmt sie diese Aufgabe an verschiedensten orten, aktuell ist eine Versicherung ihr Auftraggeber. Aber auch das Zwischenmenschliche muss manchmal wieder geordnet werden, damit es allen gut geht und sich die Stimmung wieder hebt. Gelegentlich funktioniert das nebenbei – manchmal muss es eben Mord sein. Geschickt meistert sie die selbst auferlegte Aufgabe. Doch dieses Mal droht sie aufzufliegen, denn ihre Gegenspielerin, Kommissarin Alex von Lichtenstein, ist ihr auf den Versen. Und das obwohl ihr Privatleben gerade massiv durch Schwiegertante Lydia gestört wird.

Das Autorinnen-Duo Friedlind Lipsky und Ingeborg Struckmeyer haben versucht eine Verbindung zwischen Krimi und Komödie zu schaffen. Es ist ihnen gelungen. Neben den obligatorischen Mordfällen, die die Ermittlerin aufzuklären hat, kommt die Situationskomik nicht zu kurz und selbst die Figuren (sowohl die beiden Protagonistinnen wie auch die Nebenfiguren) werden liebevoll konstruiert und als interessante, bisweilen auch skurrile Charaktere gezeichnet.

Hoher Unterhaltungswert mit durchaus spannenden Krimielementen. Bleibt abzuwarten, wie sich die beiden Hauptfiguren weiterentwickeln.

*****/5

Rafik Schami – Eine Hand voller Sterne

Damaskus zu Zeiten politischer Unruhen und Umwälzungen. Ein Bäckersjunge beginnt in seinem 14. Lebensjahr damit, Tagebuch zu führen und aus seinem Alltag in Syrien zu berichten. Sein großer Traum ist es, eines Tages als Journalist zu arbeiten. Ein älterer Mann, der im selben Haus wohnt und den er Onkel Salim nennt, ist einer seiner Begleiter und weiser Ratgeber auf dem Weg ins Erwachsenwerden. Sein Vater, zunächst wenig von dieser Idee angetan, nimmt ihn auch schon bald von der Schule, da er Hilfe in der Bäckerei braucht. Doch der Junge verfolgt sein Ziel weiterhin, kann eine Anstellung in einer Buchhandlung erhaschen und die ersten seiner Gedichte werden veröffentlicht. Durch die Bekanntschaft mit dem Journalisten Habib kommt er seinem großen Traum immer näher und muss doch auch lernen, dass er sich in der gegenwärtigen politischen Lage eine heikle Aufgabe gesucht hat.

Obwohl als Kinderbuch erschienen ist der fiktive Tagebuchbericht auch für Erwachsene interessant. Rafik Schami stellt sein Heimatland und seine Heimatstadt Damaskus, die er schon früh verlassen musste vor und entwirft ein bisweilen erschreckendes Bild des politischen Terrors. Die kindlichen Augen verstehen nicht alles, berichten aber trotzdem auf interessante Weise und erlauben Einblicke in den Alltag der Syrer – ein seit langen Zeiten gebeuteltes Volk.

*****/5

Ursula Waage – Kreuzwege am Oderstrom

Ursula Waage zeichnet in ihrer zeitgeschichtlichen Dokumentation ihren eigenen und den Lebensweg einer jungen Polin nach. beide wurden im selben Jahr – 1928 – geboren und haben nach durchaus glücklicher Kindheit die Wirren und Entbehrungen der Kriegsjahre und Naziherrschaft in Breslau erlebt. Erst Jahrzehnte nach Kriegsende wird durch eine Fernsehdokumentation die Parallelität sichtbar und die beiden Damen freunden sich an und tauschen ihr Schicksal aus.

Aus unterschiedlichen sozialen Schichten und Gebieten des heutigen Polens stammend, verschlägt sie die Schreckensherrschaft in die gemeinsame lebensgefährliche Zwangsarbeit im Zentrum Breslaus – nichts von einander ahnend kämpfen die Mädchen in diesen und in den Folgejahren ums Überleben und um ihre Zukunft. Unterstützt mir diversen Realia zeichnet Ursula Waage dies nach und liefert einen eindrucksvollen Zeitzeugenbericht über die ostdeutsch-polnischen Kriegs- und Nachkriegsjahre.

Das Thema ist heute für mich relevanter denn je, denn endlich sind die Menschen in großem Stile mobil und zeigen auch das Interesse an den Nachbarvölkern im Osten – und das nicht nur, weil sie eine persönlich-familiäre Motivation dazu haben. Die Idee die Stadt oder besser den Fluss im Titel als verbindendes Glied zwischen den beiden Leben zu wählen, gefällt mir gut. Ein Dank an die Autorin, ihre Erfahrungen als Schatz an die jüngeren Generationen weiterzugeben. Das individuelle menschliche Schicksal ist häufig viel eindringlicher als faktische, historische Berichte.

Zwei Kritikpunkte gibt es für mich an diesem Büchlein. Insgesamt hätte ich mir einen ausgewogenen Bericht über beide Frauen gewünscht, Danuta kommt mir zu kurz, die zeit nach dem Krieg, der Wiederaufbau in Polen ist fast gänzlich ausgeblendet. Zum zweiten ist mir die Distanz zwischen der Erzählung und den Personen oft zu groß. Gemessen an den Erlebnissen, hätte es für mich etwas mehr Emotion und genauere Schilderung sein dürfen. Beide Punkte schmälern aber das Buch in seiner Aussage und historischen Relevanz.

****/5 (Sachbuch)

Christoph Koch – sternhagelglücklich

Christoph Koch begibt sich auf die Reise ins Land der Glückseligkeit – zumindest wird er sich 12 Monate lang intensiv damit beschäftigen, wie man glücklich(er) wird. Das Buch ist eine Dokumentation seines Selbstversuchs unterfüttert mit wissenschaftlichen Erkenntnissen und einer ganzen Reihe von Alltags-Anekdoten und Überlegungen.  Vom Lachyoga über ehrenamtliches Engagement, von Heirat bis zum Guerrilla Gardening und Gesangsunterricht stellt er sich mutig noch so absurden Herausforderungen, um auf der Glücklichkeitsskala nach oben zu klettern. Auch wenn ich das Fazit hier vorwegnehme: er ist erfolgreich bei seinem Versuch.

Bei einem Sachbuch ist die Bewertung schwieriger als bei einem Roman. Daher möchte ich einzelne Aspekte bewerten:

Unterhaltungswert: 5/5 Punkte
Das Buch ist unterhaltsam und interessant zu lesen und man ist fast zu schnell durch.

Erkenntnisgewinn: 3/5
Vieles wusste ich bereits, es war nur im Ansatz neu. Manches halte ich für kolossalen Humbug.

Nützlichkeit: 4/5
Ich war nicht wirklich auf der Suche nach einem Ratgeber, es werden aber durchaus auch einige konkrete Tipps genannt, die zu mehr Zufriedenheit im Alltag führen können und direkt umsetzbar sind.