Oliver Kern – Geist des Bösen

Der Nigerianer Cassidy Osuji wird wenige Tage vor Weihnachten tot in einer Waiblinger Lagerhalle aufgefunden. Das Kokain, das er bei sich trägt, lässt darauf schließen, dass er in den lokalen Drogenhandel verwickelt war und ein Streit unter den Händlern eskalierte. Allerdings werfen seltsame Markierungen im Gesicht der Leiche Fragen auf und schnell zeigt sich, dass der Fall weitaus komplexer ist. Wieso nutzt er seinen nigerianischen Pass und Visa, wo er sich doch mit dem zweiten, britischen Pass problemlos in Deutschland aufhalten kann? Weshalb erzählte er seiner deutschen Ehefrau Lügengeschichten und was treibt er, wenn er nachts unterwegs ist? Und welche Rolle spielen die Neonazis, die sich in der Nähe des Tatorts aufgehalten haben und ein weiterer Nigerianer, der kurz danach bei der Flucht vor der Polizei ums Leben kommt? Die Weihnachtstage rücken für Kommissarin Kristina Reitmeier und ihre Kollegen in weite Ferne.
Der Thriller überzeugt mich durch seine hohe Komplexität. Viele verschiedene Aspekte fließen mit ein und lassen die Ermittlungsarbeit immer weiter ausufern, eine einfache, leichte Klärung verweigernd. Auch als Leser kann man zwar allerlei Mutmaßungen anstellen, die tatsächlichen Zusammenhänge kommen aber erst spät ans Licht und sind auch dann keine simplen Lösungen. Eine Reihe von unterschiedlichen Faktoren und Motivlagen, unüberwindbaren Zwängen und Gefühlen leiten die Figuren, was sie facettenreich und glaubwürdig erscheinen lassen und der gesamten Handlung sehr viel Authentizität verleihen.  Der ganz große Thrill war für mich nur an wenigen Stellen gegeben, aber die Konstruktion als Ganzes in ihrer Vielschichtigkeit konnte mich überzeugen und fesseln.

Fazit: ein eher anspruchsvolles Exemplar im Thrillergenre, das nicht auf ausgetreten Pfaden wandelt. 

Lovelybooks Themenchallenge 2015

Dani hat eine große Herausforderung für die Lovelybooksleser gestellt: 

Die Themenchallenge 2015

Folgende Aufgaben sind zu erfüllen:

1.     Ein Buch, in dem es um Bücher, Literatur und / oder das Lesen geht.
Roger Morley – The Haunted Bookshop 
2.     Ein Buch, dessen Cover hauptsächlich (am besten ausschließlich) Schwarz und Weiß ist.
Patrick Modiano – Dora Bruder
3.     Ein Buch, dessen Titel aus genau 2 Wörtern besteht.
Daniela Gesing – Venezianische Delikatessen
4.     Ein Buch mit einer durchschnittlichen Bewertung von 3 oder weniger Sternen auf LovelyBooks. (Das Buch muss mindestens 3 Bewertungen haben, es gilt der Zeitpunkt, zu dem du zu lesen beginnst)
Michael Ziegelwagner – Der aufblasbare Kaiser (zu Lesebeginn 6 Bewertungen mit 2 Sternen im Schnitt)
5.     Ein Buch von einem Bestsellerautor, von dem du selbst noch nie etwas gelesen hast.
John Fowles – Der Sammler (international renommiert, mit „The Magus“ und „The French Lieutenant’s Woman“ hat er auch zwei internationale Bestseller verfasst, von der Times als einer der 50 wichtigsten britischen Autoren des 20. Jahrhunderts gelistet)
Ersatzbuch: Andreas Eschbach – Der Nobelpreisträger
6.     Ein Buch, das gedruckt bisher ausschließlich als Hardcover erschienen ist.
Dirk Reinhardt – Train Kids
7.     Ein Buch, das in Asien, Südamerika oder Afrika spielt.
Patricia Highsmith – The Tremor of Forgery (spielt in Tunesien)
8.     Ein Buch mit mehr als 650 Seiten.
Boris Pasternak – Doktor Schiwago (rund 800 Seiten)
9.     Ein Buch mit einer jungen und einer älteren Hauptfigur, mindestens 40 Jahre Altersunterschied.
Philippe Claudel – La petite fille de Monsieur Linh
10.  Ein Buch, zu dem es auf LovelyBooks noch keine Rezension sowie keine Kurzmeinung gibt. (Es zählt der Zeitpunkt des Lesebeginns.)
Svenja Leiber – Das letzte Land (Hörbuchausgabe)
11.  Ein Buch mit einen elektrischen Gegenstand auf dem Cover.
 Christa Bernuth – Innere Sicherheit (Telefon)
12.  Ein Buch, in dessen Buchtitel gegenteilige Wörter / Dinge genannt werden.
Sanne Munk Jensen – Wir wollten nichts. Wir wollten alles.
13.  Ein Buch von einem Autor, der bisher ausschließlich dieses eine Buch veröffentlicht hat.
Nathan Filer – Nachruf auf den Mond
14.  Ein Buch, das durch seinen Titel & sein Cover auf eine ganz bestimmte Jahreszeit hindeutet.
Tom Callaghan – Blutiger Winter (zeigt auch eine Schneelandschaft)
15.  Ein Buch, in dem mindestens 3 unterschiedliche fantastische Wesen vorkommen.
Arto Paasilinna – Der liebe Gott macht blau (neben Gott kommen auch noch Erzengel Gabriel, Petrus, Moses Obadja und weitere Engel und Heilige vor, da ich die Bibel jetzt nicht wörtlich verstehe, würde ich sie mal als fantastische Wesen bezeichnen).
16.  Ein Buch das, egal ob im Original oder in der Übersetzung, einen Literaturpreis gewonnen hat. (Bitte den Namen des Preises mit angeben.)
Ann Cleeves – Die Nacht der Raben (hat 2006 den Duncan Lawrie Dagger Award der Crime Writers‘ Association für dieses Buch erhalten) 
17.  Ein kunterbuntes Buch.
Emma Straub – The Vacationers
18.  Ein Buch, dessen Buchtitel eine Aufforderung ist.
Andreas Götz – Stirb leise, mein Engel
19.  Ein Buch, bei dem die Initialen des Autors 2 aufeinanderfolgenden Buchstaben im Alphabet entsprechen.
Heather Gudenkauf – One Breath Away
20.  Ein Buch, das erstmalig 2015 in dieser Sprache erschienen ist.
Robert Brack – Die rote Katze (veröffentlicht am 7.1.2015)
21.  Ein Buch, das du geschenkt bekommen hast. (Bitte verrate auch von wem und zu welchem Anlass.)
Milan Kundera – Das Fest der Bedeutungslosigkeit (geschenkt vom Osterhasen)
22.  Ein Buch, in dem ein Tier von großer Bedeutung ist.
Arno Geiger – selbstporträt mit Flusspferd
23.  Ein Buch mit Streifen auf dem Cover.
Rainbow Rowell – Eleanor & Park
24.  Ein Buch, das eine Buchreihe abschließt.
26.  Ein Buch, das in einem Verlag erschienen ist, dessen Verlagsname mit dem selben Buchstaben beginnt wie dein Vor- oder Nickname. Bitte den Vornamen ggf. mit angeben 😉
Amber Dermont – In guten Kreisen (aus dem Mare Verlag)
27.  Ein Buch, in dessen Titel das Wort „Liebe“ vorkommt.
Wolfgang Herrndorf – Bilder Deiner großen Liebe
28.  Eines der 5 Bücher, die schon am längsten ungelesen in deinem Regal stehen. (Falls du es weißt, verrate doch, wie lange du es schon besitzt.)
Stephen King – The Dark Half (muss seit über 10 Jahren bei mir rumstehen)
29.  Ein Buch, das für dich ein außergewöhnlich schönes Buchcover hat.
Laura Tait/Jimmy Rice – Das Beste, das mir nie passiert ist.
30.  Ein Buch, das verfilmt wurde oder sicher verfilmt wird.
F. Scott Fitzgerlad – The Great Gatsby (mehrfach verfilmt, zuletzt 2013)
31.  Ein illustriertes Buch. Es sollten richtige Zeichnungen und nicht nur Verzierungen am Seitenrand sein.
David Duchovny – Holy Cow
32.  Ein Buch, das zuerst auf Deutsch erschienen ist und ins Englische übersetzt wurde.
33.  Ein Buch, dessen Autor bereits verstorben ist.
Alfred Hayes – In love (verstorben 2005)
34.  Ein Buch, das einen Monat im Buchtitel hat. Bitte lies das Buch auch in dem Monat, der im Titel vorkommt.
Patricia Highsmith – The two faces of January (gelesen im Januar 2015)
35.  Ein Buch, in dem es um Musik geht.
Gaston Leroux – Le fantôme de l’Opéra 
36.  Ein Buch, von dem du dachtest, du würdest es niemals lesen, weil es z.B. nicht deinen Lieblingsgenres entspricht.
Leslie Kelly – Ich will dich (Erotikroman, gar nicht meine Welt)
37.  Ein Buch mit Blumen / Blüten auf dem Cover.
Thomas Wendrich – Eine Rose für Putin
38.  Ein Buch, das eine Krankheit oder Behinderung thematisiert. (Bitte gab auch an welche!)
 Philippe Pozzo di Borgo – Le second souffle (Biographie eines Tetraplegikers)
39.  Ein blutiges Buch.
Judith Winter – Lotusblut (klassischer Thriller mit mehreren Toten)
40.  Ein Buch, in dessen Titel mindestens ein Wort aus einer anderen Sprache vorkommt. (Es darf nicht im deutschen Duden stehen.)
Liane Moriarty – The husband’s secret

Cordula Hamann – Glasgesichter

Andreas Wahrig freut sich. ihre Galerie steht finanziell am Abgrund, aber sie konnte mit dem aufstrebenden Künstler Maximilian Ross eine Ausstellung vereinbaren, die den Durchbruch bringen wird. Seine verstörenden Glasbilder ziehen die Betrachter gleichermaßen an, wie sie sie abstoßen. Doch kurz vor der Vernissage erhält sie eine Drohung, die sie unmissverständlich auffordert, die Ausstellung abzusagen, da sonst ihre Mutter mit dem Leben bezahlen müsste. Als auch noch der Künstler verschwindet, machen sich Andrea und ihr undurchsichtiger Kunde Oleg selbst auf die Suche und finden befremdliche Unterlagen in Maximilians Wohnung. Offenbar sammelt er  Zeitungsmeldungen zu vermissten Personen. Doch Andrea lässt sich so schnell nicht abhalten, da muss schon Schlimmeres passieren. Und das passiert.
Ein Thriller, der einem schier umhaut. Das Cover ist zunächst verstörend, könnte aber kaum besser zum Inhalt des Buchs passen und ist schlichtweg perfekt gewählt. Die Handlung lässt mehrere Stränge parallel verlaufen, so dass man lange Zeit nicht ganz durchblickt. Langsam nähert sie sich dem Höhepunkt und wartet dann mit einer absolut schlüssigen und glaubwürdigen Lösung auf, die alle seltsamen Ungereimtheiten auf einen Schlag klärt und den Leser erkennen lässt, was sich zuvor tatsächlich abgespielt hat. Die psychologische Tiefe hinter dem Plot ist enorm, geht weit über das hinaus, was man im Genre sonst so findet.
Ein Thriller, der mit etwas Anlauf so in Fahrt kommt, dass man das Lesen schlicht nicht mehr stoppen kann.

Amanda Stevens – Die Verlassenen

Ree Hutchens arbeitet in einer Psychiatrischen Klinik und begleitet dort Miss Violet in ihren letzten Stunden. Als sie dem leitenden Arzt die Patientenunterlagen bringt, wird sie Zeugin eines Streits. Dr. Farrante wird offenbar erpresst, eine alte Geschichte scheint dahinterzustecken und soll vertuscht werden. Am nächsten Morgen ist der Erpresser tot. Alles, was Ree erfahren hat, war, dass ein alter Friedhof ein Geheimnis birgt.  Sie beginnt der Sache nachzuforschen.

Eine hochgradig absurde Geschichte um Geister und Mystik, die leider den Realitätsbezug völlig verloren hat. Auch die Figuren haben wenig Glaubwürdiges an sich, besitzen eine übernatürliche Sensorik bei gleichzeitig ziemlich dämlichem Handeln.

Susanne Limbach – Tödliche Flaschenpost/Tausend Träume

Eine für mich völlig neue Leseerfahrung: ein Wendebuch, das aus zwei Kurzgeschichtensammlungen besteht. „Tödliche Flaschenpost“ beinhaltet Kriminalgeschichten, „Tausend Träume“ Liebesgeschichten. Egal von welcher Seite man beginnt startet man im klassischen Buchlook mit einem thematisch stimmigen Cover, den Veröffentlichungsdaten und einem Inhaltsverzeichnis.
Die Kriminalgeschichten haben mich zuerst angezogen, einfach weil dies eher mein Genre ist.  In der Länge wie auch im Inhalt zeichnen sie sich durch Variabilität aus. Einzig auffällig war für mich die hohe Anzahl an weiblichen Mördern, was ich im Allgemeinen eher selten erlebe. Dafür waren aber sowohl Mordmotive wie auch Umsetzung immer wieder überraschend und verschieden.
Dies zeigt sich auch in der Sammlung der Liebesgeschichten, die glücklicherweise nicht durch schmachtende Bettszenen bestechen, sondern die unterschiedlichen Arten von Liebe zwischen den Menschen einfangen und in Geschichten kleiden. Oft näher sich die Autorin erst ganz langsam, nicht immer ohne Schmerz der Figuren.
Was mir insgesamt sehr gut gefallen hat, war, wie die Handlungsorte eingebettet wurde. Im Wesentlichen spielen sich die Geschichten im Ruhrgebiet und an der Nordsee bzw. Hamburg ab. Mit kleinen Details, die Ortskundigen sofort ins Auge springen, entsteht die Handlung vorm inneren Auge und wird so auch nicht beliebig und austauschbar.

Fazit: die Geschichten haben alle einen eigenen Charakter, was den unterhaltungswert des Buches enorm steigert. Die Idee des Wendebuchs finde ich interessant, aber auch gewagt, denn ob die Kombination gerade dieser beider Genre viele Leser anlockt, mag ich nicht zu sagen.

Thilo Corzilius – König Tod

Ein bestialischer Mord an der Studentin Monika, der zugleich an einen Fall vor einigen Wochen erinnert, erschreckt Hamburg. Markenzeichen des Täters: ein Shakespeare Zitat, das mit dem Blut des Opfers an die Wand geschrieben wird. Der Journalist Thaddäus von Bergen kann es nicht fassen, dass seine Untermieterin so bestialisch aus dem Leben gerissen worden sein soll und sieht sich selbst auch schon bald als Zielscheibe des Täters: in einem langem Artikel hat er über die erste Tat an einem Produzenten berichtet. Die Polizei tappt im Dunkeln und findet keine wirklichen Ansatzpunkte. Voller Unruhe und Sorge machen sich Thaddäus so wie ein weiterer Mitbewohner, der Informatikstudent Amir, selbst an die Recherchen. Waren Monikas letzte Arbeiten als Journalistin der Auslöser für die Taten? Immerhin hat sie im Bereich der Medien nachgeforscht, womit eine Verbindung zum ersten Fall gegeben ist. Oder steckt doch ihr Drogen dealender Ex-Freund, der sich auffallend verdächtigt verhält, dahinter?
Dem Krimi gelingt es gut, die Hansestadt einzufangen, nebenbei wird über die soziale Verteilung in der Stadt und die seit Jahren diskutierte Wohnungssituation berichtet. Der Fall selbst ist – vom Ende her betrachtet – gut konstruiert, führt immer wieder auf falsche Fährten und lässt bis zum Ende viele Möglichkeiten zu. Die Motivation des Täters ist mir nur zum Teil glaubhaft dargestellt, vielleicht war hier auch die Auflösung zu abrupt, um den entsprechenden Raum zu geben.
Bei den Figuren bin ich nicht wirklich überzeugt. Einerseits wird Thaddäus von Bergen als herausragender Journalist der überregionalen Wochenzeitung „Chronos“ vorgestellt, der dort vielbeachtete Artikel veröffentlicht und er hat zudem als Adelsspross beste Erziehung genossen und Zugang zur Oberschicht.  Andererseits handelt er dilettantisch wie ein unbedachter Teenager, kann bei seinen Nachforschungen kaum eine sinnvolle Frage formulieren und zeigt im Umgang mit Menschen nicht das geringste Feingespür. Das ist für mich alles nicht stimmig. Der zweite Protagonist Amir ist hier wesentlich authentischer gezeichnet, als Informatikstudent mit Hang zum Hacken kann er illegal Informationen beschaffen, die die Nachforschungen voranbringen.

Für mich noch hervorzuheben sind kleine, aber durchaus gelungene Details, wie die Anspielung mit dem Zeitungsnamen „Chronos“ oder auch die Wahl des Titels, die in direkter Verbindung zu den Morden steht. 

Saira Shah – Ziemlich nah am Glück

Anna freut sich auf ihre kleine Tochter und das Leben in Südfrankreich, das sie zusammen mit ihrem Mann Tobias auf dem alten Bauernhof beginnen will. Doch die kleine Freya wird krank geboren – multiple Behinderungen werden ihr nie ein normales Leben ermöglichen. Über das Stadium einer Neugeborenen hinaus ist keine Entwicklung zu erwarten. Diese verzweifelte Situation gepaart mit der neuen Lebenssituation, die das einst glückliche Pärchen ebenfalls überfordert, entsteht im Languedoc eine hochexplosive Mischung. Zu dieser gesellt sich noch ein Hippiemädchen, ein etwas ominöser Araber und natürlich die Dorfbewohner, die das Treiben auf dem Bauernhof interessiert beäugen.

Der Roman basiert auf den realen Erlebnissen der Autorin. Was ihr gelingt zu transportieren ist die schiere Verzweiflung der Eltern vor der Situation und die permanente Fragen, wie viel Energie – aber auch wie viel Liebe sie für das Kind aufbringen können und wann der Zusammenbruch droht. Die Besuche im Krankenhaus und die medizinischen Maßnahmen zum Lebenserhalt des Babys sind bisweilen erschreckend und man möchte sicherlich mit dieser Lage nicht tauschen.

Matthew Costello – Cherringham. Mord an der Themse – Landluft kann tödlich sein

Auftakt einer digitalen Krimiserie. Nach der Scheidung ist Sarah zurück in ihr Heimatdorf zurückgekehrt und arbeitet dort als Webseitengestalterin. Als ihre ehemals beste Freundin tot aufgefunden wird und die lokale Polizei dies als Unfall abtut, kann sie nicht glauben, was sie hört und beginnt selbst Fragen zu stellen. Dabei trifft sie auf den Amerikaner Jack, ehemals Detective bei der New Yorker Polizei. Gemeinsam kommen sie dem ausufernden Leben der Freundin auf die Spur.

Ein weiteres Beispiel für die um sich greifende Unart Krimis nur noch in Häppchen zu präsentieren. Der Fall ist in sich zwar abgeschlossen, aber aufgrund der Kürze nur mit wenig Tiefe und relativ oberflächlich.

Thomas Hettche – Pfaueninsel

Die Pfaueninsel, an der Havel gelegen, südlich von Berlin ist der Schauplatz der fast märchenhaft anmutenden Geschichte. Die kleinwüchsige Marie und ihr Bruder Christian kommen als Kuriositäten auf die Insel und wachsen dort zwischen Palmenhaus und Menagerie auf. Marie tut sich schwer damit ähnlich wie die exotischen Tiere, die nach und nach angeschafft werden oder wie andere kurios anmutende Menschen – von den Südseeinseln oder ein Riese – etwas zu sein, dass die Besucher bestaunen. Sie versucht sich ein normales Leben zu geben, verliebt in den Gärtner Gustav hofft sie sogar auf die Liebe. doch dieser Wunsch soll ihr verwehrt bleiben, ebenso wie das Kind, das sie bekommt und das Gustav ihr nimmt. So wie die Insel im Laufe der Zeit bei den Nachfolgern des Königs an Interesse verliert, wird auch Marie immer einsamer und schließlich ist das gealterte Schlossfräulein quasi einsam in dieser verzauberten Welt fernab des Fortschritts.

Eine wahrhaft märchenhafte Erzählung, die so hätte stattfinden können und doch erfunden ist. Auch wenn die Handlung für mich nur begrenzt reizvoll war, gelingt es Hettche mit einer außerordentlich poetischen Sprache, den Zauber dieser Welt hervorzurufen und das Treiben der Lebewesen vor dem geistigen Auge entstehen zu lassen. Wahrlich eine Reise in eine ganz andere Welt, die so schon lange nicht mehr existiert. 

Tina Seskis – Ungeschehen

Emily verlässt ihren Mann und ihr altes Leben. Sie geht nach London und beginnt dort als Cat ein neues Leben. Was geschehen ist, bleibt im Dunkeln. Nach anfänglichen Startschwierigkeiten findet sie in Angel eine gute Freundin und auch im Job kann sie schnell punkten, sich langsam in der Werbebranche hocharbeiten und eine neue Existenz aufbauen. Alles scheint gut zu werden, doch immer wieder kommen die Erinnerungen. An das Aufwachsen mit der Zwillingsschwester, die von der Mutter gehasst schnell zum Problemkind wird. Auch an Ben, den sie immer noch liebt und ihre kleine Familie, die sie vermisst. Am Jahrestag ihres Verschwindens kommt es zur Katastrophe und sie wacht neben einer Leiche auf. Sie hat scheinbar noch jemanden getötet.

Tina Seskis hat einen Roman über eine verzweifelte Frau geschaffen, die nochmal ganz von vorne anfangen möchte. Neben der Haupthandlung um Emily/Cats Neuanfang bestimmen diskontinuierliche Rückblenden die Erzählen, die so ihr Leben davor und die Gründe für ihr Verschwinden entfalten. Mehrfach wird der Leser dabei an der Nase herumgeführt und die mühsame Rekonstruktion fällt wieder in sich zusammen. Im Fokus stehen jedoch Leben, die nicht so verlaufen, wie sie sollten. Irgendwie haben alle mit ihren Umständen zu kämpfen und werden durch ihre Mitmenschen so unglücklich, dass sie flüchten, sich in Drogen- und andere Abhängigkeiten flüchten. Die Schilderung der zwischenmenschlichen Unzulänglichkeiten ist für mich die große Stärke des Romans, wie sich die Figuren gegenseitig zerstören und auch stützen. Die Atmosphäre wird jedoch nie so niedergeschlagen, dass man es nicht mehr ertragen könnte, im Gegenteil, man wünscht den Figuren, dass die mühsamen Versuche wieder auf die Beine zu kommen erfolgreich sind – doch der nächste Rückschlag lauert immer schon.