Franziska Franke – Der Tod des Jucundus

Magontiacum – so der Name des römischen Lagers Mainz – ist der Schauplatz eines Mordes: der Hirte Jucundus wird nach einer durchzechten Nacht tot am Rheinufer aufgefunden. Lucius, der sich kaum mehr an die vorangegangenen Stunden erinnern kann, eilt direkt zu seinem Bruder Marcus in dessen Weinkontor und berichtet ihm von der seltsamen Begebenheit. Weshalb seine Toga mit Blut verschmutzt ist, kann er auch nicht sagen. Der ich-Erzähler Marcus macht sich daran, zuerst jede eventuelle Schuld seines Bruder zu vertuschen und auf Spurensuche nach dem Mörder zu gehen. Die offizielle Version kommt ihm zu unglaubwürdig vor und in der Tat gibt es im Umfeld seines und Jucundus‘ Patron einige Ungereimtheiten.

Die Idee auf eine Reliquie des römischen Mainz eine Geschichte aufzubauen ist interessant, der Grabstein des Jucundus kann in Mainz besichtigt werden. Auch ist die Schilderung der Umgebung und vermutlich auch einiges der Bräuche und Gepflogenheiten zur Zeit der römischen Besatzung recherchiert und getreu wiedergegeben. Die Erzählperspektive aus Sicht des etwas einfältig-tolpatschigen Weinhändlers Marcus hat neben der Krimihandlung eine unterhaltsame Note.

Der Roman ist sicher kein Meisterwerk. Er hat leider einige Längen und die Handlung verliert sich immer wieder in Nebenschauplätzen oder plätschert unmotiviert vor sich hin. Ich wurde durch eine Lesung auf das Buch aufmerksam – in antikem Ambiente wirkt die Geschichte einfach besser als auf der heimischen Couch und zudem wurden die besten Passagen dort vorgestellt. Daher das Gesamturteil: ok mit gewissem Unterhaltungswert.

***/5

Florian Goldberg und Heike Tauch – Gefallene Schönheit (Hörspiel)

Kim Meinhardt, ehemaliges Topmodel und Tierschutzaktivistin, wird tot aufgefunden. Die Spurenlage ist unklar, ein Selbstmord scheint jedoch unwahrscheinlich. Ist ihr der Wechsel zu einem führenden Kosmetikkonzern zum Verhängnis geworden? Caro Engler begibt sich in die Welt der Schönen, in der es vor Selbstdarstellern nur so wimmert und lernt, dass man mit erfundenen Krankheiten in der Schönheitsindustrie richtig viel Geld verdienen kann.

Unterhaltsamer Krimi, auch die Ermittler kommen als Personen nicht zu kurz.

****/5 (Hörspiel)

Marcel Beyer – Der Verdacht (Lesung)

Marcel Beyer erzählt die Geschichte eines Mannes im New Yorker Sofitel, dessen Leben eine dramatische Wendung nehmen wird. Was er am Morgen des Tages X, der sein Leben für immer verändern wird, macht, bleibt unklar, er nimmt eine Dusche, so viel ist sicher. Auch dass er den Roomservice gegen Mittag nicht hört. Das Mädchen des Housekeepings sieht ihn jedoch und dann klafft eine Lücke von etwa 10 Minuten bevor er mit seiner Tochter zu Mittag isst, deren Aufklärung Staatsanwälte, verschiedene Behörden und vor allem die weltweite Öffentlichkeit in ihren Bann zieht. Auch wenn Beyer den Mann nicht beim Namen nennt, wird doch schnell klar, dass hier der größte Skandal des Jahres 2011 nachgezeichnet wird.

****/5 (Lesung)

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Katja Röder und Fred Breinersdorfer – Tödliche Kunst (Radiotatort)

Die sehr betagte July Bloomberg stürzt vom Balkon ihres Stuttgarter Hotels. Zusammen mit einer Reisegruppe war die Jüdin nach Deutschland gekommen, um das Land der Eltern zu besuchen. Das LKA steht zunächst vor einem Rätsel, war es ein schlichter Unfall, immerhin war die Frau über 90 und zudem behindert. Ein antisemitischer Drohbrief weist jedoch eine andere Spur. Es stellt sich auch die Frage, weshalb ihr Enkel aus New York ins Schwäbische geeilt war und vor allem, warum er vor der Polizei flüchtet.

Unterhaltsam und spannend wie gewohnt. Eine typische Produktion der Reihe, lediglich die regionale Spezifik fehlt mir dieses mal ein wenig. Bleibt zu hoffen, dass man dies nicht auch bei den Radioversionen dermaßen verwässert wie bei den Fernsehproduktionen und zu austauschbaren Allerweltsgeschichten verkommen lässt.

****/5 (Hörspiel)

Petros Markaris – Live!

Kostas Charitos ist nach den Verletzungen bei seinem letzten Fall noch im Genesungsurlaub. Adriani kommt dies gerade recht, kann sie sich doch endlich ordentlich um ihren Mann kümmern, sprich das Kommando über sein Leben übernehmen. Als jedoch vor laufender Kamera ein Selbstmord geschieht, ist Kostas Polizeiinstinkt geweckt. Das kommt ihm doch etwas seltsam vor, vor allem das angebliche Bekennerschreiben einer ominösen Vereinigung. Nach dem zweiten öffentlichen Selbstmord wird er zurück an die Arbeit befördert – allerdings muss er inoffiziell und heimlich ermitteln, was im vorliegenden Fall eher günstig ist. Nach und nach entfaltet sich ein dubioses Geflecht von Firmen, die nicht nur in Griechenland operieren und sich dabei dumm und dämlich verdienen.

Petros Markaris hat mit diesem Roman aus der Kostas Charitos Reihe wieder einen tief in der griechischen Kultur angesiedelten Roman geschaffen. Die Geschichte ist komplex und spannend, mit aktuellen politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen, die nebenbei einiges an Einblick in das Denken und Agieren der Griechen erlauben – wenn auch bisweilen vermutlich etwas übertrieben. Der Protagonist mit seinen Marotten und Unzulänglichkeiten ist ein echter Sympathieträger, mit dem man gerne ermittelt und leidet.

Was besonders positiv auffällt im Vergleich zum ersten Band der Reihe: die Übersetzung ist bei weitem nicht so holprig, sondern liest sich flüssig und ist in einem natürlichen Deutsch geschrieben.

****/5

Simon Gray – Otherwise engaged (Hörspiel)

Simon, ein erfolgreicher Verleger, hat sich eigentlich auf einen entspannten Tag ohne Frau gefreut, doch dann besuchen ihn überfallsartig verschiedenste Menschen und er muss sich mit ihnen und ihren Problemen auseinandersetzen – so weit ihm das möglich ist. Sein Bruder Stephen hat sich für einen höheren Posten beworben, was Simon jedoch schon längst wieder vergessen hat und den Namen des Konkurrenten kann er sich gleich gar nicht merken. Sein Untermieter Dave kündigt an, ihm das Leben zur Hölle zu machen als er realisiert, aus welchen Gründen  er die Wohnung bekommen hat. Freund Jeff jammert üb er seine Affären bis die aktuelle Flamme Davina ihm böse mitspielt und ein alter Schulfreund Wood gibt erst nach längerem hin und her seine eigentlichen Motive für den Besuch zu erkennen. Doch das dicke Ende kommt erst mit der Rückkehr seiner Ehefrau.

Eine absurde Geschichte mit schier unerträglichem Protagonisten, dessen Egozentrik und Ignoranz den Zuhörer zur Weißglut treiben können. Am Ende ereilt ihn ein verdientes Schicksal.

***/5 (Hörspiel)

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Kate Rhodes – Im Totengarten

Die junge Psychologin Alice wird von der Polizei gebeten, sie bei einem kniffligen Fall zu unterstützen. Ein Serienmörder soll aus der Haft entlassen werden und niemand weiß genau, ob bzw. wie viel Gefahr noch von ihm ausgeht. Schon kurze Zeit nach seiner Freilassung wird das erste ermordete Mädchen aufgefunden – ausgerechnet von Alice. Bald wird sie auch das zweite Opfer auffinden und schließlich selbst ins Zentrum der Gefahr geraten. Aber wer steckt dahinter und wie ist ihr psychisch angeschlagener Bruder in die Geschichte verstrickt? Als dieser beinahe mit seinem Leben bezahlt und Alice nachts überfallen wird, spitzt sich die Situation zu. Doch sie ahnt gar nicht, aus welcher Richtung die Gefahr tatsächlich kommt.

Ein packender Thriller mit den klassischen Zutaten: eine junge erfolgreiche Frau, die sich mutig der Gefahr stellt. Ein paar anziehende Männer um sie herum würzen die Geschichte mit ein wenig sexueller Anziehung auf. Ein perverser Serienmörder und undurchsichtige Verbindungen in die Vergangenheit. Das ganze flott erzählt und ausreichender Spannung konstruiert.

Letztlich aber doch ein wenig zu viel von allem. Ein zu perfektes, zu mutiges Personal mit viel zu vielen Zufällen und Querverbindungen. Dazu überflüssige Seitenstränge, die lieblos am Ende abgehandelt werden. Alice als Psychologin auch zudem etwas zu sehr mit bösen Kindheitserfahrungen aufgeladen.

Das Urteil fällt daher gemischt aus. Einerseits unterhaltsam für zwischendurch, andererseits nicht herausragend genug, um langfristig in Erinnerung zu bleiben.

***/5

Thomas Glavinic – Der Kameramörder (Hörspiel)

Der ich-Erzähler und seine Frau Sonja sind übers Osterwochenende bei dem befreundeten Ehepaar Heinrich und Eva zu Besuch. Während die Runde vergnügt Kartenspielen nachgeht, vernehmen sie die Meldung, dass in unmittelbarer Nähe ein grausamer Mord begangen wurde: ein Fremder hat drei Kinder entführt, zwei von ihnen gezwungen sich von Bäumen zu stürzen und dabei alles auf Video aufgezeichnet. Die Sensationsgier packt die beiden Ehepaare und interessiert versuchen sie per Radio, fernsehen, Teletext und über das Telefon alle verfügbare Informationen zu sammeln. Sie machen sich sogar auf zum Ort des Geschehens. Live im Fernsehen und mit eigenen Augen erleben sie mit, wie die Polizei die nähere Umgebung immer weiter einzingelt, um den Täter zu fassen.

Überraschendes Ende, aber insgesamt zu wenig spannend, sondern auf die menschlichen Abgründe der Sensationsgeilheit fokussiert.

***/5 (Hörspiel)

Arthur Golden – Die Geisha

Eine Frau blickt zurück auf ihr bewegtes Leben. Chronologisch begleitet der Leser das arme Bauernmädchen Chiyo, das in den 1920er Jahren in Japan von einem besseren Leben träumt, als sie einen Geschäftsmann kennenlernt, der so anders ist als ihre todkranke Mutter und der Vater, der wortkarg am liebsten auf seinem Boot aufs Meer hinausfährt. Als das Ende der Mutter naht und der Vater die beiden Töchter nicht mehr versorgen kann, werden diese verkauft und in die Stadt geschickt. Chiyo kommt in eine Okiya, wo sie zur Geisha ausgebildet werden soll, die ältere Schwester wird zur Prostitution gezwungen. Der kleinen Chiyo stehen harte Arbeitsjahre bevor, die von so manchem Unglück und Trauer begleitet sind. Obwohl sie mit ihren wundersamen Augen überall Aufmerksamkeit erregt, meint es das Schicksal nicht immer gut mit ihr. Der Leser begleitet sie auf dem harten Weg bis hin zur angesehenen Geisha, die ranghohe Politiker und Industrielle becirct. Auch den Krieg kann sie dank ihrer Kontakte noch relativ unbeschadet überleben und schließlich folgt dann doch noch ein happy-End.

Interessant sind die Einblicke in das Geisha-Leben. Die extreme Situation in der Okiya, die Ausbildung, Intrigen und Machtspiele, denen die jungen Mädchen ausgesetzt sind. Auch die Rolle der Frauen und ihre Arbeit als Geisha waren mir bis dato nicht so bekannt. Auch wenn es eine fiktive Geschichte ist, wird sicherlich sehr viel Wahrheit dabei sein, vorstellen kann man es sich allemal.

Das Buch ist sehr interessant und oftmals auch spannend zu lesen. nichtsdestotrotz hat es seine Längen. 600 kleinstgedruckte Seiten müssen erst einmal bewältigt werden, wenn es sich überwiegend um Beschreibungen handelt und die Handlung nur langsam vor sich hinplätschert und eine Episode im Teehaus auf die nächste folgt. Letztlich lohnt es sich aber doch, weil es eine der westlichen Welt fremde Kultur von innen heraus zeigt.

*****/5

Hellmut Butterweck – Das Wunder von Wien (Hörspiel)

In Wien taucht Ende der 60er Jahre ein Rabbi auf, der ein Wunder vollbringen kann: gegen 36 Unterschriften von Nichtjuden kann ein im Holocaust umgekommener Jude wieder auferstehen. Die Begeisterung kennt zunächst keine Grenzen. Alle wollen den Wunderrabbi sehen, Experten werden aus aller Herren Länder eingeflogen, um den Fall zu untersuchen. Die Wiederauferstandenen werden für ihr Leid großzügig entlohnt, um die Schande ein wenig erträglicher zu machen. Doch nach und nach fragen sich die Wiener, ob sie das wirklich alles wollen. Was ist mit den Geschäften, die sie günstig von Juden übernommen haben, waren nicht eh zu viele Juden in Wien, musste da nicht sowieso was unternommen werden? Langsam wird es schwieriger Unterschriften zu finden und bald schon überlegt man, wie man sich elegant des Rabbis entledigen kann.

Spitzfindig, bösartig und genau auf den Punkt.

*****/5 (Hörspiel)