Monat: Mai 2014
Heike Handschuhmacher – Spurlos 2012
Sara More – Irrtum 5,8: Die Trümmer von L’Aquila
Hans Fallada – Der Alpdruck
André Aciman – Mein Sommer mit Kalaschnikow
Mit seinem Sohn ist der Ich-Erzähler in Harvard, um diesen für ein Studium dort zu begeistern. Beim Wandeln durch die ehrwürdigen Hallen fällt ihm sein letzter Sommer als Student wieder ein, der Sommer nach der verpatzten Prüfung, in dem er Kalasch kennen lernte. Der gebürtige Ägypter trifft den tunesischen Taxifahrer im Café Algiers und ist von dessen aufbrausender Art und seiner Ablehnung Amerikas zugleich fasziniert und abgestoßen. Sie bilden ein seltsames Gespann, gemeinsam ist ihnen vor allem die Sprache und Erinnerungen an Frankreich, ansonsten eint sie wenig. In diesem Sommer wird der Erzähler erwachsen, in der Spiegelung zu Kalasch findet er seinen Platz in dem Land, das ihm bis dato fremd blieb.
Acimans Roman ist nicht leicht zu fassen. Die beiden Protagonisten finden zueinander, entfernen sich wieder, lernen von einander, verachten sich bisweilen. Als Leser hat man es nicht leicht dem Erzähler zu folgen, zu oft sind seine Handlungen frustrierend, sein Verhalten unmöglich. Auch Kalasch ist kein leichter Charakter, er bietet zahlreiche Reibungspunkte. Überzeugen kann das Buch durch den Ausdrucksreichtum und die treffenden Beschreibungen, das Harvard Ende der 70er Jahre entsteht vor dem Leser und nimmt ihn in sich auf. Trotz allem bleibt man am Ende unbestimmt unzufrieden zurück – ein buch, nicht leicht zu fassen.
André Georgi – Tribunal
Den Haag, Internationaler Gerichtshof. Das Verfahren gegen einen der schlimmsten Verbrecher des Balkan-Krieges läuft. Heute sind zwei Zeugen geladen, die ihn endgültig zu Fall bringen werden, weil sie bestätigen, dass er den Tod Tausender Menschen zu verantworten hat. Jasna Brandic hat sie ausfindig gemacht und in die Niederlande gebracht. Nur noch wenige Minuten, bis sie am Ziel ist. Doch es kommt anders und am Ende des Tages steht sie und der Ankläger mit leeren Händen da. Aber in Belgrad scheint noch jemand gewillt, eine Aussage zu tätigen. Eine schwere Reise in ihre Heimat beginnt.
André Georgis Roman ist erschreckend, bedrückend und vermutlich realistischer als man sich vorstellen mag. Der Schreibstil ist bisweilen stakkatohaft, was jedoch hervorragend zur Handlung passt. Besonders die Vermischung von politischen Ereignisse, angelehnt an reale Vorkommnisse, und persönliche Betroffenheit der Figuren hat mich hier überzeugen können.
Alles in allem ein aktueller, überzeugender Thriller, der besonders in der Figurengestaltung durch Brüche und Nuancen punkten kann.
Kerstin Hamann – Windige Geschäfte
Ein Wiesbadener Stadtrat wird ermordet von seiner Putzfrau aufgefunden. Die ersten Spuren führen zu Paul Fischer, Mitglied des Wiesbadener K11 – sein Blut findet sich am Tatort. Doch er war nicht alleine dort, attraktive Studentin Eva, die für Stumpf arbeitete, war am Vorabend ebenfalls bei einer rauschenden Party anwesend. Wie war das Verhältnis zwischen Politiker und Studentin? Schnell tauchen weitere Verdächtige auf: offenbar gab es ein lukratives Geschäft mit Windkraftanlagen, an dem nicht nur Stunpf Interesse hatte. Ein Diebstahl, ein Einbruch und einen Doppelmord später scheint jedoch klar zu sein: Der Kollege ist hochgradig verdächtig und die Tatsache, dass er untertaucht, spricht nicht für ihn.
Kerstin Hamann hat einen überzeugenden Regionalkrimi mit aktuellem Bezug geschaffen. Für Kenner des Rhein-Main-Gebiets gibt es vieles zu entdecken und so manche Parallele zu aktuellen Diskussionen. Die Figuren sind glaubwürdig gezeichnet, der Fall spannend mit sauberer Auflösung und aktionreichem Ende. Besonders gefallen hat mir der psychologische Aspekt mit der Frage, wie gut man einen Kollegen/Freund kennt bzw. ob man sich derart in einem Menschen täuschen kann. Die Zweifel werden langsam aufgebaut und unterfüttert und auch als Leser fragt man sich ebenfalls lange Zeit, was dahintersteckt. Einmal mehr konnte mich ein Krimi des Sutton-Verlags begeistern.
Joseph Merrick – Crimson. Teuflische Besessenheit
Sibylle Lewitscharoff – Killmousky
Richard Ellwanger steht vor einer wichtigen Frage: wie um Himmels Willen soll er jetzt seine Tage füllen? Der Kriminalhauptkommissar musste nach einem umstrittenen Verhör seinen Dienst quittieren und sitzt nun mit dem frisch zugelaufenen Kater Killmousky zu Hause. Doch seine Vermieterin hat schon einen Auftrag für ihn: im fernen New York kam die Tochter eines Bekannten ums Leben. Die Polizei hat den Fall schnell zu den Akten gelegt, doch die Familie vermutet, dass der Ehemann einen Mord geschickt vertuscht hat. Überhaupt scheint dieser nicht ganz durchsichtig und da es Verbindungen nach Deutschland gibt, soll Ellwanger der Sache auf den Grund gehen. Schnell stellt er fest, dass auch bei den oberen Zehntausend genauso niedere Beweggründe zu finden sind, wie überall sonst.
Sibylle Lewitscharoff hat sich mit Killmousky an ein für sie neues Genre gewagt und war erfolgreich. Der Protagonist wirkt authentisch und sympathisch, insbesondere in seinem zunächst unsicheren Umgang mit den Schönen und Reichen, doch zunehmend kommt seine Professionalität zum Vorschein und er gewinnt an Sicherheit und Profil. Doch Sibylle Lewitscharoff hat nicht nur einen unterhaltsamen Krimi geschrieben, dessen Auflösung durchaus vorhersehbar ist, sondern lässt den Kommissar gleich zweimal an moralische Grenzen stoßen, bei denen sich der Leser ebenfalls fragen muss, ob der rechtliche Rahmen und das eigene Moralgefühl hier zueinanderfinden. Bei aller Kritik an der Autorin und ihren verschrobenen Weltansichten: dieser Roman ist gelungen.
Véronique Olmi – Das Glück, wie es hätte sein können
Zufällig kommt die Klavierstimmerin Suzanne in das Haus von Serge. Sein Sohn hat ein neues Klavier erhalten. Es liegt etwas in der Lust, doch erst wenige Tage später bei einer erneuten Begegnung in einer Bar, entzündet sich ein Funke zwischen beiden. Dabei ist Suzanne glücklich liiert und Serge hat neben einer erfolgreichen Immobilienagentur ebenfalls alles, wovon man nur träumen kann: ein tolles Haus, eine reizende junge Frau, zwei liebenswerte Kinder. Dennoch geben sie sich dieser Faszination hin und gefährden ihrer beider Leben.
Die Verbindung zwischen Serge und Suzanne ist spürbar und stark, leider leidet das Buch unter einer ruckeligen Übersetzung. Die Formulierungen sind nicht so glatt und leicht, wie man sie bei einem kurzen Blick ins Original finden kann. Manche muten bisweilen seltsam an, wenn Serge wiederholt „Die Schöne und das Tier“ meditiert (im Original: „La belle et la bête“ in Anlehnung an das berühmte Märchen), fragt man sich schon, warum hier auf die gängige Formulierung im Deutschen – „Die Schöne und das Biest“ – verzichtet wird. Einmal mehr kann ein französisches Buch hier nicht punkten, weil es sprachlich nicht überzeugt.