Syd Atlas – Es war einmal in Brooklyn

Syd Atlas – Es war einmal in Brooklyn

Ende der 70er Jahre haben Juliette und David das Leben vor sich. Sie stehen kurz vor dem Schulabschluss, doch für die besten Freunde hat das Schicksal noch größere Herausforderungen als das Dasein als Außenseiter geplant. David erkrankt und weiß nicht, wie viel Zeit ihm noch bleibt. Juliette verliebt sich, aber die Liebe ist kompliziert, vor allem mit einem todkranken besten Freund. Es sind die entscheidenden Wochen im Leben der beiden Teenager, die sie auseinander und immer wieder auch zusammenführen und ihr enges Band gehörig unter Spannung stellen.

Syd Atlas hat mit „Es war einmal in Brooklyn“ einen bemerkenswerten coming-of-age Roman geschrieben. Die amerikanische Theaterwissenschaftlerin und Schauspielerin, die in Berlin lebt, lässt das Brooklyn einer längst vergangenen Zeit wieder auferstehen, das die Welt der Protagonisten auf einen engen Radius einstampft, der aber trotzdem alle Dramen des Lebens erlaubt. Verwirrte Gefühle, das langsam Lösen und Erwachsenwerden mit allem, was dazu gehört. Es war damals nicht leicht und ist es heute nicht, wird hier jedoch wundervoll erzählt.

Man schließt beide, Juliette wie auch David, sofort ins Herz. Sie sind nicht perfekt, sie sind jung und fehlbar, aber vor allem verletzlich und verletzt. Sie treffen falsche Entscheidungen, die nicht folgenlos bleiben und bereuen auch manches, das sie sagen und tun. Dadurch wirken sie glaubwürdig und echt und man wünscht ihnen, dass alles gut wird. Aber das echte Leben ist nun mal kein Ponyhof ud jede Geschichte findet ein Happy End.

Vor allem die Atmosphäre hat mich sofort gepackt und in der Geschichte versinken lassen. Die Erwachsenen sind nur Randfiguren, wenn auch mit wichtigen Momenten. Die Sorgen und Gedanken der Teenager wirken authentisch und in keiner Weise überzeichnet oder klischeehaft.

Ein Roman, der einem an die eigene Jugend erinnern lässt und mich restlos begeisterte.

Doireann Ní Ghríofa – Ein Geist in der Kehle

Doireann Ní Ghríofa – Ein geist in der Kehle

Eine Ausnahmesituation bringt die Essayistin und Poetin Doireann Ní Ghríofa zu einer Adligen, Eibhlín Dubh Ní Chonaill, die zwei Jahrhunderte vor ihr lebte und ihre Gedanken und Emotionen ebenfalls in Gedichtform äußerte. Als erwachsene Frau nimmt sie den Text, den sie bereits in der Schulzeit einmal lesen musste, gänzlich anders wahr und spürt eine Verbindung, der sie nachgeht, wenn sie nicht gerade den Haushalt schmeißt oder sich um ihre drei Kinder kümmert. Eine Verbindung zwischen zwei Frauen über Zeit und gesellschaftliche Veränderungen hinweg.

Die Autorin hat für das Buch „Ein Geist in der Kehle“ eine Mischform von Texten gewählt, die am besten zum Ausdruck bringt, was sie leitet und wie sehr die Texte von Eibhlín Dubh sie bewegen. Das Schwangersein und Mutterwerden lässt sie mehr denn je als Frau empfinden und schafft ein starkes Band zu jener Frau, die heute zum irischen Nationalmythos zählt.

Beide Leben werden clever miteinander verwoben. Das der Autorin ist für mich besonders intensiv im Ausdruck, als sie ihre Tochter zur Welt bringt und bange Wochen nach der Frühgeburt durchlebt. Die Erschöpfung und Zweifel werden in jeder Zeile lebendig und treffen einem auch als Leserin unmittelbar, auch wenn man eine derartige Erfahrung nicht machen musste. Vor allem das Gefühl, in ihrer ureigenen Funktion als Mutter, die das in ihr heranwachsende Kind nicht gut versorgt, versagt zu habt, trifft die Autorin hart.

Im Kontrast dazu Eibhlín Dubh, die einerseits stark wirkt und doch nach dem Tod ihres Mannes das Schicksal der Frauen ihrer Zeit erleidet: sie verschwindet. Sie wird unsichtbar, nicht mehr erwähnt, weder in offiziellen noch in privaten Dokumenten. Einzig durch ihre Söhne lebt sie weiter und sehr gelegentlich als Randfigur, die jedoch nur beim Mädchen Rufnamen genannt wird.

Die Autorin nennt ihren Text feministisch. Nicht nur die beiden Protagonistinnen, sondern das, was sie gesellschaftlich zu Frauen macht, stehen im Zentrum. Die Angst zu versagen, die gesellschaftlichen Erwartungen nicht zu erfüllen, wirken stark durch. Und auch das Verschwinden, in dem Moment, wo der Gatte nicht mehr da ist, ist wohl ein sehr weibliches Phänomen.

Ein starker Text, der sich einer Genre-Zuordnung versagt. Eine feministische Perspektive, die einerseits sehr persönlich und doch auch wieder universell ist. Sprachlich außergewöhnlich und gerade in den poetischen Passagen ein literarischer Hochgenuss.