Henning Mankell – Die schwedischen Gummistiefel

Rezension, Roman
Fredrik Welin lebt alleine auf einer kleinen Schäreninsel. Der 70-Jährige hat nur wenig Kontakt, der Postbote kommt regelmäßig vorbei, an Land tätigt er seine Besorgungen und untersucht gelegentlich die Nachbarn. Als sein Haus nachts niederbrennt, verliert er alles, nichts bleibt ihm mehr, nicht einmal ein paar Gummistiefel. Nachdem die Spurensuche vergeblich verläuft, verdächtigt ihn sogar die Polizei, da kommt es ihm gerade recht, dass seine Tochter im fernen Paris seine Hilfe braucht.
Henning Mankells letzter Roman ist kein Krimi, wofür er in Deutschland so bekannt ist. Es ist ein Abschied, Abschied vom Schreiben, Abschied vom Leben. Aus jeder Zeile spricht das nahende Ende – nicht nur, weil der erzählende Protagonist selbst schon im vorgerückten Alter ist und der Tatsache ins Auge sehen muss, dass sein Dasein sich langsam dem Ende zuneigt. Auch die alten Bekannten des Erzählers werden nach und nach weniger, ein schwacher Trost ist es ihm, dass junge nachrücken, seine Tochter Mutter wird. Das Leben wird auch in den letzten Jahren nicht einfacher, Beziehungen bleiben so kompliziert, wie sie es immer waren, aber die Erinnerungen sind mehr und ebenso das Gefühl von Verlust, vieles ist bereits vergangen und kommt nicht mehr. Aber man kann vergeben und nicht mehr alles in menschliche Hände legen, worüber zu urteilen ist.

Ein melancholisches, tieftrauriges Buch. In gemäßigtem Ton nimmt es dem Leser die Hektik des Alltags, es verweigert sich der modernen Schnelllebigkeit und entschleunigt. Passender können Schreibstil und Inhalt kaum zueinander passen. Vermutlich kann dieser Text auch nur entstehen, wenn der Schriftsteller sich in einer bestimmten Fassung und Gefühlslage befindet. Für mich ein Abschiedsbrief eines geschätzten Autors.

Mikaela Bley – Glücksmädchen

Roman, Krimi, Rezension
Die 8-jährige Lycke wird vermisst. Ihre Stiefmutter hatte sie beim Tennistraining abgesetzt, doch dieses fiel aus und nun fehlt von dem Mädchen jede Spur. Die Polizei scheint nur halbherzig zu suchen, doch die Reporterin Ellen Tamm ist sofort alarmiert: ihre Zwillingsschwester Elsa verschwand ebenfalls als Kind. Schnell wird der Fall eine Meldung für ihren Sender und dank ihrer Kontakte zur Polizei, kann sie an vorderster Front berichten. Aber das reicht ihr nicht. Besessen vom Tod Elsas ermittelt Ellen auf eigene Faust und bringt sich damit selbst in Gefahr.

Der Krimi konnte mich leider weder packen noch kam beim Lesen zu irgendeinem Zeitpunkt Spannung auf. Die Handlung war mir alles in allem zu konstruiert und zu wenig motiviert. Leider fehlen dem Roman auch die Sympathieträger, alle Figuren sind auf unterschiedliche Art abstoßend und nervend, so dass man bald schon keine Lust mehr hat, sich mit ihnen auseinanderzusetzen. Insbesondere die Protagonistin wirkt unangenehm penetrant und ohne jeden Sinn für das menschliche Miteinander; hinzukommt, dass ihr Handeln leider völlig unrealistisch ist. Ziemlich unbehelligt tappt sie an Tatorten rum, kann wichtige Zeugen befragen und lässt die Stockholmer Polizei unfähig und eher wie Landpolizisten wirken, was leider sehr weit hergeholt scheint. Der Roman arbeitet vorwiegend mit Versatzstücken, die sich in den letzten Jahren gut verkauft haben: Handlungsort Skandinavien, zerrüttete Familien, korrupte Polizei, unerschrockene Ermittlerin mit Depression – diese werden wenig kreativ und unter Verzicht auf innovative Ansätze und Spuren aneinander geklatscht. Dazu eine parataktische Sprache, die nie einen Erzählfluss findet und immer wieder holprig wirkt, insbesondere die Dialoge sind hölzern und wenig realistisch. Alles in allem, eine ziemliche Enttäuschung.