Chloë Ashby – Wet Paint

Cloe Ashby – We Paint

Eve has lost her mother when she left the 5-year-old and her father and never made contact again. Even though she somehow managed to cope with this experience, losing her best friend Grace totally throws her off the track. At 26, she is waiting in a bar despite having studied art at Oxford. Yet, she does not keep that job for long, just like any other job or the flat she shares. Nothing seems to linger in her life except for the painting she visits over and over again in a London museum and Max, a teenage friend. But even for Max it becomes increasingly harder to see how Eve throws away her life and does not accept any help.

Chloë Ashby’s debut novel brilliantly captures the protagonist’s being lost in the world after the death of a beloved friend that she has never gotten over. “Wet Paint” shows a young woman in survival mode who is far from unleashing her potential as she is straying in her life without aim or goal, from time to time colliding with reality but more often lost in thought and locked away in herself.

Eve is incapable of good relationships as she is far from being at ease with herself. Connecting with other people, being honest and really caring for them is impossible for her in state she is in. The only other being she shows real affection for is the young girl she babysits, but here, too, she is too lost in her thoughts and puts herself and the girl in danger.

The only constant in her life is a painting she observes closely and which calms her. Just the thought of the museum closing for a holiday makes her get nervous and when the museum loans her beloved pieces of art to another one, she almost freaks out, losing the last straw in her life.

It is not easy to watch how a young woman, lovable despite the way she treats others, is going down the abyss, yet, you can only help those that want to be helped. That’s what some characters also experience, they really care for her but can’t do anything to as long as she refuses to acknowledge her situation and to take necessary measures to improve her situation.

Not an easy read but in my opinion an authentic representation of the protagonist’s state of emergency.

Natasha Brown – Assembly [Dt. Zusammenkunft]

Natasha Brown – Assembly (Zusammenkunft)

Eine junge Frau aus bescheidenen Verhältnissen. Arbeite hart, mehr als die anderen, pass dich an. Das haben ihr ihre Eltern mitgegeben. Sie hat fleißig gelernt, einen guten Abschluss an einer renommierten Universität gemacht, einen Job im Finanzsektor ergattert und doch besteht ihr Alltag hauptsächlich aus Diskriminierungserfahrungen. Weil sie eine Frau ist. Weil sie die falsche Hautfarbe hat. Weil sie der falschen Klasse entstammt. Im Privaten? Nicht viel besser. Die Familie ihres Freundes toleriert sie, sie ist nur eine Phase, aber ganz sicher keine standesgemäße Partie, die als heiratstauglich angesehen werden könnte. Sie hat alles getan, um dazuzugehören und hat doch keinen Platz erhalten.

Natasha Browns Debütroman „Assembly“ (dt. Zusammenkunft) ist mit begeisterten Stimmen aufgenommen und vom Feuilleton gefeiert worden. Rassismus, Klassismus, Misogynie – sie bringt die großen Themen auf kaum mehr als 100 Seiten zusammen und verdeutlicht damit, dass Großbritannien nichts von all dem überkommen hat, was seit Jahrzehnten beklagt wird. Wichtige Aspekte, Themen, über die gesprochen werden sollte, aber: das hat man schon besser gelesen. Die Protagonistin kann sich kaum entwickeln, da ist der Roman – oder ehe: die Novelle – schon wieder zu Ende. Themen anreißen, ja, aber wichtiger wäre noch eine gewisse Tiefe.

Mir fehlt in der Geschichte ein wenig die Kohärenz, eher episodenhaft werden Szenen präsentiert, in denen die Hauptfigur Diskriminierungserfahrungen macht, sei es aufgrund ihres Geschlechts, ihrer Klasse oder ihrer Hauptfarbe. Sie versucht sich anzupassen, was nur leidlich gelingen kann und immer wieder wird sie zur Projektionsfläche derer, die gescheitert sind und sie dafür verantwortlich machen – als Frau, als Ausländerin, da werden ihr die Jobs ja geradezu nachgeworfen, nur um Diversität zu fördern.

Sie ergibt sich, schweigt, spielt mit – im Gegensatz zu ihrer Freundin Rach, die lauthals für die Gleichberechtigung einsteht. Die Protagonistin schafft es hingegen nicht einmal vor Schulkindern ehrlich von ihren Erlebnissen zu berichten. Der Kampf wäre auch nicht einfach möglich, zu schwer wirkt die Intersektionalität; es ist eben nicht der eine Grund, der sich zum Opfer von Diffamierung macht und sie daran hindert, sich mit einer bestimmten Gruppe zu identifizieren.

Trotz all dem, was in der kurzen Geschichte steckt, für mich waren hier Bernardine Evaristo mit ihrem Roman „Girl, Woman, Other“ oder auch mit ihrem Sachbuch „Manifesto“ ebenso wie Michaela Coels „Misfits“ viel greifbarer und ausgereifter in der Thematik.

Indyana Schneider – 28 Questions

Indyana Schneider – 28 Questions

Amalia leaves her Australian home to study music in Oxford. She has only just arrived when she meets Alex, another Australia in her third year already. They befriend immediately and spend more and more time together philosophing, questioning life and sharing everything. It is an intense but perfect friendship. Yet, things become complicated when their friendship turns into love. What was easy and carefree suddenly becomes complicated, misunderstanding after misunderstanding, unexpressed and unfulfilled expectations turn the perfect friends into the worst lovers.

“(…) every so often, I come across a new piece of music and getting to know the music kind of feels like falling in love. And the idea of spending my life falling in love over and over again… who wouldn’t want that?”

The title refers to a study by psychologist Arthur Aron which postulates that a certain set of questions can lead to more intimacy and a deeper relationship between people. The protagonist of Indyana Schneider’s novel asks “28 Questions” which actually bring her closer to her first friend, then lover but they cannot help untangle the complications they have to face. It is a kind of college novel about becoming an adult, about love and about identity in an ever more complex world.

“I just don’t get how it’s possible to be such wonderful, compatible friends and so ill suited as lover.”

This is the central question. How can two people being that close, sharing the same ideas and attitudes simply be so incompatible as lovers. They are fond of each other, there are butterflies and they even match physically – but the relationship doesn’t work out. Over years, they have an on/off relationship because they can neither live with nor without each other.

Yet, the novel is not a classic heart-breaking love story. What binds Amalia and Alex is an intellectual love, they get closer over the questions which address core human topics, from social interaction over social categories of identity and the definition of themselves. They grow with each other, reflect upon their convictions and finally enter the real world of adulthood for which they are still not quite prepared.

A wonderfully written, intense novel about love which goes far beyond just being attracted by someone.

Chibundu Onuzo – Sankofa

Chibundu Onuzo – Sankofa

Seit einem halben Jahr ist Annas Mutter inzwischen tot. Sie hat bislang immer noch nicht alle ihre Sachen durchgesehen, doch nun, wo ihre Tochter auch längerer Geschäftsreise ist und sie vor der Scheidung steht, macht sich Anna an den Nachlass. Sie stößt auf ein Tagebuch, das offenbar zu ihrem Vater gehörte. Ihr Leben lang hat sich ihre Mutter geweigert, Fragen zu ihm zu beantworten. Anna weiß nur, dass der Student aus Bamana einige Zeit in London verbrachte und als Untermieter bei ihren Großeltern lebte. Von der Schwangerschaft hat er nie etwas erfahren und Anna hat früh gemerkt, dass er ein Tabu-Thema ist. Sie hat ihn nie wirklich vermisst, doch nun wächst die Neugier und schnell findet sie heraus, wessen Tochter sie ist: die eines brutalen, mittlerweile offenbar superreichen Diktators. Dieses Bild passt so gar nicht zu jenem, dass sie sich von dem Mann, dessen Tagebuch sie gelesen hat, gemacht hat. Es bleibt wohl nur hinzufahren und sich einen realen Eindruck zu verschaffen.

Chibundu Onuzo ist in Nigeria geboren und als Teenager nach England gekommen. Mit nur 19 hatte sie ihren ersten Vertrag bei Faber and Faber und enttäuschte mit ihrem vielfach ausgezeichneten Debüt auch nicht. „Sankofa“ ist ihr dritter Roman, der die Frage nach Identität und Zugehörigkeit auf eine ungewöhnliche Weise angeht. Das fiktive Land Bamana an der westafrikanischen Diamantenküste bietet den Hintergrund für eine hochinteressante Begegnung und Auseinandersetzung der Kulturen, in der der europäische Blick gnadenlos und dennoch annehmbar vorgeführt wird.

Die Handlung beginnt in London, wo Anna auf die Erinnerungen ihres Vaters stößt, der sich Ende der 60er Jahre als afrikanischer Student offenem Rassismus gegenüber sieht. Er wollte die Engländer kennenlernen, merkt aber schnell, dass er nie zu ihnen eingeladen wird und seine einzigen Kontakte die anderen ausländischen Studenten sind, die sich auch zunehmend ob der politischen Lage und der gesellschaftlichen Ausgrenzung radikalisieren. Seine Affäre mit Annas Mutter muss geheim bleiben, er kann sich auch nie des Gefühls der Unterlegenheit erwehren.

Anna selbst wächst mit dunkler Hautfarbe in einem weißen Mittelschichtenmilieu auf. Ihre Mutter kann – oder will – die Anfeindungen nicht sehen, denen sie immer wieder ausgesetzt ist, sie leugnet jeden Rassismus kategorisch. Doch schon kleine Dinge wie ihre Haare, die mit europäischen Shampoos nicht zu bändigen sind, führen Anna immer wieder ihre Andersartigkeit vor.

Nachdem sie mittels eines schottischen Professors und Studienkollegen ihres Vaters herausgefunden hat, dass Francis Aggrey inzwischen charismatischer Führer eines kleinen Landes ist, ist sie gleichermaßen neugierig wie verschreckt. In Bamana ist sie ganz eindeutig eine obroni, eine Weiße, und wird so behandelt. Die erste Begegnung mit ihrem Vater endet im Desaster, doch dieser lädt sie ein, länger zu bleiben. In ihren weiteren Treffen stößt Anna dann aber immer wieder an die Grenzen ihrer Überzeugung und ihrer Vorurteile, hin und her gerissen zwischen dem Vater mit seinen zugewandten und auch liebenswerten Seiten und dem rücksichtslosen Diktator, der weiß, wie sein Land funktioniert und auch nicht davor zurückschreckt, seiner eigenen Tochter eine Lektion in Rassismus zu erteilen.

Die Stärke des Romans liegt fraglos in der zweiten Hälfte der Handlung. Anna ist als Protagonistin einerseits mit den typisch westeuropäischen Attributen ausgestattet –  Mittelschicht, Studienabschluss, viele Jahre Hausfrau und Mutter – andererseits kennt sie auch Rassismus. Sie geht mit einer großen Portion Naivität an ihre Reise, was sie sogleich teuer bezahlt. Viele ihrer Vorstellungen sind einem nicht fremd, man identifiziert sich leicht mit ihr und doch trägt sie in sich den Zwiespalt zwischen der vermeintlich objektiven Betrachtung des Landes von außen und jenes Blicks der Tochter, die um die Erfahrungen des Vaters in England und seine ursprünglichen Ideale weiß. Das Spannungsfeld lässt sich nicht auflösen, bietet daher immer wieder interessante Konfrontationen, die einem als Leser nachdenklich stimmen. Für mich eines der spannendsten und aufschlussreichsten Bücher einer BIPoC Autorin, das ich uneingeschränkt empfehlen würde.

Clare Chambers – Kleine Freuden

Jean Swinney ist Mitter der 1950er Jahre Journalistin bei der Lokalzeitung „The North Kent Echo“, wo sie überwiegend über Haushaltstipps schreibt. Als sich die Leserin Gretchen Tilbury meldet, glaubt sie auf eine großartige Geschichte gestoßen zu sein: Gretchens Tochter Margaret ist vorgeblich das Ergebnis einer Jungfrauengeburt. Ehemann Howard äußert keine Zweifel an dieser Darstellung, er hat die junge Mutter erst einige Monate nach der Geburt kennengelernt und das Mädchen wie seine eigene Tochter angenommen. Auch die Personen aus Gretchens Umfeld zur Zeit der vermuteten Empfängnis können nur das Beste über das zurückhaltende und glaubwürdige Mädchen berichten. Also müssen Ärzte zurate gezogen werden, die den Fall untersuchen sollen. Je länger Jeans Nachforschungen andauern, desto enger wird auch ihr Band zur Familie mit schwerwiegenden Folgen.

Clare Chambers Roman „Kleine Freuden“ ist ein kleiner Schatz, der in der Masse der Veröffentlichungen nicht untergehen sollte. Die Nominierung auf der Longlist für den diesjährigen Women’s Prize for Fiction hat das Buch fraglos mehr als verdient. Basierend auf teils realen Geschehnissen erzählt die Autorin mit trockenem Humor eine herzerwärmende Geschichte über gesellschaftliche Erwartungen, familiäre Zwänge und den Beginn einer neuen Zeit und ist eine Hommage an all die unauffälligen Menschen, die schnell übersehen und in Schubladen gepackt werden.

Auch wenn Gretchens vorgeblich unbefleckte Empfängnis das große Fragezeichen und Spannungsmoment der Handlung darstellt, bleibt doch Jean die zentrale Figur. Ihre Beziehungen waren bis dato wenig erfolgreich, mit fast 40 ist der Zug Familie und Ehe abgefahren, stattdessen kümmert sie sich um die ewig nörgelnde und kränkliche Mutter. Mit dem Eintreten der Tilburys in ihr Leben, wird dieses kräftig durchgewirbelt und die professionelle Distanz muss sie bald schon aufgeben. Die Ehe von Gretchen und Howard scheint perfekt, bis sich feine Risse offenbaren und Jean merkt, dass der etwas verschrobene Juwelier ein angenehmer Gesprächspartner ist und ebenso scheu und unsicher im Umgang mit Menschen ist wie sie selbst.

Ein Roman, der einem von der ersten Seite an packen kann. Ihn als „Frauenliteratur“ zu klassifizieren wäre unangemessen, zu oft wird diesem Genre mindere Qualität und Oberflächlichkeit zugeschrieben, die diesem Roman kaum fernerliegen könnte. Aber es werden typische Frauenthemen aufgegriffen und vor dem Hintergrund der damaligen Zeit gespiegelt. Darüber hinaus jedoch ist es vor allem Chambers Erzählstil, der subtil immer wieder kleine Höhepunkte setzt und nicht zuletzt ihr gnadenloser Umgang mit dem Leser, worauf dieser hätte vorbereitet sein können, es aber vermutlich nie ist, der restlos überzeugt.

Ajay Chowdhury – The Waiter

Ajay Chowdhury – The Waiter

His former life a total mess, detective Kamil Rahman quite unexpectedly finds himself waiting tables at an Indian restaurant in London. Her literally had to flee from Kolkata since he totally messed up a high profile case. Now, an old friend of his father’s boards and employs him. When they cater a party at the multi-millionaire Rakesh, Kamil senses a lot of hatred coming from that man towards him even though he has never met him before. A couple of hours later, Rakesh is found dead in his mansion’s swimming-pool and his current wife Neha, three decades his junior and close friend of Kamil’s hosts’ daughter Anjoli, is accused of murder. Immediately, Kamil’s instincts jump in and he tries to figure out what has happened. But with the start of his investigation, also the memories of what drove him from his home town comes back.

Ajay Chowdhury’s novel is a very cleverly constructed mystery which links two seemingly unconnected crimes and events on two continents in a skilful way. By telling bits of both stories alternatingly, you advance and yet, for quite a long time, do not really get the whole picture which keeps suspense high at all times. At the same time, the story lives on the characters and their live between two cultures which are not always easy to bring together.

Without any doubt, the protagonist and his conviction of law and order and fighting for the right is the most striking feature of the novel. Seeing how his world view, which was more or less just black and white, slowly becomes blurred and he starts to question all he has ever believed in, is a great character development, especially for a mystery novel.

Both murder cases are highly complex and can only be sorted out by a very sharp mind – yet, knowing the truth does not mean that it will also win ultimately. A lesson which Kamil learns the hard way.

An intriguing read that I thoroughly enjoyed.

J. Courtney Sullivan – Friends and Strangers

J. Courtney Sullivan – Friends and Strangers

After becoming mother for the first time, journalist and author Elizabeth agrees with her husband’s wish to leave busy New York for a quieter place closer to his parents. Yet, the new life does not really seem to fit to Elizabeth. She feels exhausted from the baby and finds it difficult to make friends in her new community, the other women seem to be happy with dull pseudo-occupations and spend their days gossiping. When she decides to hire a babysitter to gain some tome to work on her next novel, things change finally since she immediately bonds with Sam, an art student in her final year at the local college. Sam herself comes from a decent background and is fascinated by the woman who seems to get everything done easily, who has style and taste and has made an astonishing career. Despite the age gap they become friends, but there are things they just ignore which, however, become more and more apparent the better they get to know each other and when they need each other most, a gap opens which is unsurmountable.

I totally liked J. Courtney Sullivan’s novel from the start. Sympathising with Elizabeth was easy since I can imagine a lot but not leaving a big town to become a full-time mother and spend my day with gossiping neighbours. Sam, too, was easy to like, still young and unsecure but with a good heart and totally in love with her British not-so-boyish-anymore boyfriend. From the start, it is a challenge between two characters who actually like each other but where there is an imbalance in power in several areas which puts at time Elizabeth, at times Sam in a better situation.

The author explores a lot of aspects in her novel which give you food for thought. First of all, Elizabeth’s move to a small town which does not offer much. Also her struggle with being a mother is something a lot of women surely can emphasize with. Quite interesting also the dynamics between her and her husband who cannot really cope with a more successful wife on the one hand, on the other he is relying on her financial situation to realize his own dream. Elizabeth looks down on him since he has never really accomplished anything in professional ways – not a good basis for a new start in a new place.

Sam lives the typical student life, yet, her fellow students all come from rich families and can afford things she can only dream of. She manages to live in both worlds, but feels often closer to the women in the cafeteria kitchen she works with than with the girls she shares the dorm. Her relationship with Clive is mysterious form the start, yet, totally in love, she forgets to question his behaviour and falls prey to him. She is still young and simply makes mistakes young people make.

Both characters as well as the plot have a lot to offer, yet, at times I found the backstories a bit too long, a bit too detailed since they always slowed down the main action. Nevertheless, a wonderful read I thoroughly enjoyed.

Sharon Dodua Otoo – Adas Raum

Sharon Dodua Otoo – Adas Raum

Ist das Leben nur auf ein einziges Dasein beschränkt oder lebt von einem selbst auch immer etwas in den nachfolgenden Generationen weiter? Ist mit dem Tod der ersten Ada im 15. Jahrhundert schon alles besiegelt? Mitnichten, es folgen weitere Adas, die als mutige Frauen ihren Weg gehen und von Afrika über das viktorianische England bis in ein KZ und das Berlin der Gegenwart kommen und dort auch immer etwas von dem finden, was einst in ihnen angelegt wurde. All ihnen ist gemein, dass sie für ihre Unabhängigkeit kämpfen, sich nicht von Männern einfach unterwerfen lassen und auch als Opfer brutaler Gewalt noch eine gewisse Haltung zu bewahren vermögen.

Sharon Dodua Otoos Debütroman war nach dem Gewinn den Ingeborg-Bachmann-Preises mit hohen Erwartungen versehen. Als Autorin, die nicht in Deutschland bzw. mit der deutschen Sprache aufgewachsen ist, war dies ein viel beachtetes Novum. Seit nunmehr 15 Jahren lebt sie in Berlin und engagiert sich auch politisch, insbesondere für Themen wie Feminismus und Rassismus, die beide auch eine ganz wesentliche Rolle in ihrem Roman „Adas Raum“ spielen. In der Konstruktion gewagt, überschreitet sie nicht nur Raum- und Zeitgrenzen, sondern erweckt auch die dingliche Welt zum Leben und diese darf von dem berichten, was sie beobachtet und die Menschen nicht auszusprechen wagen.

Im Zentrum stehen jedoch die vier Frauen, die erste wird als Sklavin in Afrika zum Opfer des weißen Kolonialismus. Ada Lovelace wiederum erlebt den verachtenden Blick ihres Liebhabers, der ihre mathematischen Gedanken nicht zu würdigen weiß. Die Prostituierte Jüdin Ada kämpft im KZ ums Überleben und erlebt so aufgrund ihrer Religion die Einordnung als Mensch zweiter (oder dritter oder eher vierter) Klasse. Auch das Berlin der Gegenwart hält für die schwangere Ada zweifelhafte Blicke und wenig verschleierten Rassismus bereit. Verschiedene Formen von Diskriminierung ziehen sich durch den Roman und die Geschichten der Frauen.

In Schleifen werden die Ereignisse erzählt, was literarisch anspruchsvoll und durchaus herausfordernd ist. Ein ambitioniertes Konzept, das zwar insgesamt aufgeht, aber gepaart mit erzählendem Besen und KZ-Zimmer war mir das Ganze etwas zu gekünstelt und eigenwillig. Das fraglos relevante Thema verliert sich so in der Form, was schade ist, denn dafür ist es zu aktuell und bedeutsam.

Harriet Walker – Die Neue

Eigentlich könnte Margot den kommenden Monaten freudig entgegensehen. Statt des stressigen Redakteurinnenjobs bei einer Modezeitschrift kann sie sich ganz auf ihre Schwangerschaft und die erste Zeit mit ihrem Baby konzentrieren. Mit Maggie hat sie ihrer Chefin auch eine kompetente Vertreterin präsentieren können, so dass sie sich keine Sorgen zu machen braucht. Doch bald schon tauchen die alten Zweifel wieder auf und beginnen an ihr zu nagen. Ist die Neue besser als sie? Beliebter? Schlanker? Trotz der wundervollen Lila kann sie nicht aufhören, sich zu vergleichen und die Social Media Kanäle, auf denen Maggie sich erfolgreich präsentiert, befeuern Margots gedankliche Abwärtsspirale. Da ist es nicht hilfreich, dass sich auch ihre beste Freundin Winnie von ihr abwendet, die selbst gerade nach dem Verlust eines Kindes in einem tiefen Loch steckt. Ihre eigenen Gedanken nagen schon genug an Margot, als jedoch ein Internettroll systematisch seinen Feldzug gegen sie startet, droht die Lage zu eskalieren.

Harriet Walker weiß genau, wovon sie schreibt, als Fashion Editor der New York Times ist ihr das Modebusiness mit all seinen Facetten bestens bekannt. Auch als Normalo kann man sich vorstellen, dass dort mit harten Bandagen gekämpft wird und jedes Outfit, jedes Kilo zu viel auf der Waage genüsslich beäugt und verächtlich kommentiert wird. Es erfordert schon sehr viel Selbstbewusstsein und ein gefestigtes Selbstkonzept, um dies tagtäglich zu ertragen und drüberzustehen. Genau darüber verfügen ihre Figuren nicht, ebenso wenige über die Fähigkeit, offen ihre Schwächen zuzugeben und sich dadurch statt Feinden Verbündete zu schaffen.

Margot hat eigentlich einen festen Platz in der Modewelt, ist anerkannt und aufgrund ihrer Kompetenz geschätzt, dies hindert sie jedoch nicht daran, in jugendliche Selbstzweifel zurück zu verfallen. Mit dem Rollenwechsel von der erfolgreichen Karrierefrau zur Mutter reißt all dies wieder auf und sie stellt alles infrage, was sie erreicht hat. Die Figur zeigt, wie fragil die Menschen bisweilen hinter den erfolgreichen und selbstsicheren Fassaden sind und dass niemand vor negativen Gedanken gefeit ist. Nicht viel anders ergeht es da Maggie, die sich einerseits über die Chance, die sich durch die Vertretung für sie eröffnet, freut, andererseits aber auch im permanenten Vergleich mit der Vorgängerin steht, sich genötigt sieht immer noch mehr leisten zu müssen und einen Konkurrenzkampf wahrnimmt, der gar nicht vorhanden ist.

Wie schnell gerade online Postings falsch gedeutet werden können, wie gefährlich der Gedankenstrudel werden kann, wenn man erst einmal in ihm gefangen ist, zeigt der Roman ganz drastisch. Jedes Wort wird in einem paranoide zusammenstrickten Weltbild so zurechtgerückt, dass es zum Narrativ passt. Sich daraus wieder zu befreien, ist in einer Zeit, in der das Leben gleichermaßen online wie offline stattfindet, schlicht unmöglich geworden. Die fatalen Folgen negativer Gedanken, die ich sehr gut nachvollziehen konnte, wurden von Harriet Walker überzeugend und glaubwürdig in der Geschichte umgesetzt. Einziger Abzug die Nebengeschichte um Margots und Winnies Jugend, die es meines Erachtens nicht gebraucht hätte und die auch für mich nur begrenzt stimmig war.

Polly Samson – Sommer der Träumer

Polly Samson – Sommer der Träumer

Nach dem Tod der Mutter flüchtet die junge Erica mit ihrem Bruder Bobby vor den Wutausbrüchen des Vaters aus London auf die griechische Insel Hydra. Dort hofft sie auch mehr über ihre Mutter zu erfahren, denn deren ehemals beste Freundin Charmian lebt dort und hatte sie eingeladen. Sie ist es auch, die das Mädchen in die Gemeinschaft von Schriftstellern, Malern und Musikern einführt, die dort ein unbeschwertes Leben der Bohemians führen und alle hoffen, dass sie von der Muse geküsst werden und das nächste große Meisterwerk verfassen.

Polly Samson ist mit dem Pink Floyd Sänger David Gilmour verheiratet und hat für die Band an unzähligen Liedtexten mitgearbeitet. In „Sommer der Träumer“ lässt sie eine Reihe von bekannten Künstlern erscheinen, unter anderem Leonard Cohen und seine norwegische Muse Marianne Ihlen. die Insel ist nicht nur klein, sondern 1960 auch noch ohne Strom, was das Leben reduziert und unweigerlich auch die zwischenmenschlichen Emotionen in den Fokus rückt.

Erica kommt als naive junge Frau zu der bunten Community, sie ist nicht nur unerfahren, sondern auch bezogen auf ihr Leben und ihre Zukunft planlos und zudem durch den Verlust der Mutter schwer getroffen. Sie beobachtet und bewundert das unbeschwerte Leben das voller Drogen und Sex, das aber auch von Gewalt geprägt ist und in dem insbesondere die Frauen weniger als eigenständige Künstlerinnen wahrgenommen werden, denn als willfährige Partnerinnen, die den Launen der leidenden Künstler ausgesetzt sind.

Leider hat mich der Roman nicht wirklich erreicht. Ich fand Ericas Verzweiflung in London nach dem Verlust der Mutter noch gut greifbar und berührend, auf der Insel jedoch dominieren andere Charaktere und sie wird zunehmend in die Rolle der Beobachterin gedrängt. Das Mysterium um ihre Mutter trägt auch nur bedingt zum Spannungsaufbau. An dem Titel reizte mich vor allem die Atmosphäre der kleinen Insel, auf der kreative Menschen sich ganz dem künstlerischen Schaffen widmen – leider sind es aber eher Beziehungsprobleme und Gewaltausbrüche, die die Tage prägen. Insgesamt durchaus leicht zu lesen, aber leider weit hinter den Erwartungen geblieben.