Syd Atlas – Es war einmal in Brooklyn

Syd Atlas – Es war einmal in Brooklyn

Ende der 70er Jahre haben Juliette und David das Leben vor sich. Sie stehen kurz vor dem Schulabschluss, doch für die besten Freunde hat das Schicksal noch größere Herausforderungen als das Dasein als Außenseiter geplant. David erkrankt und weiß nicht, wie viel Zeit ihm noch bleibt. Juliette verliebt sich, aber die Liebe ist kompliziert, vor allem mit einem todkranken besten Freund. Es sind die entscheidenden Wochen im Leben der beiden Teenager, die sie auseinander und immer wieder auch zusammenführen und ihr enges Band gehörig unter Spannung stellen.

Syd Atlas hat mit „Es war einmal in Brooklyn“ einen bemerkenswerten coming-of-age Roman geschrieben. Die amerikanische Theaterwissenschaftlerin und Schauspielerin, die in Berlin lebt, lässt das Brooklyn einer längst vergangenen Zeit wieder auferstehen, das die Welt der Protagonisten auf einen engen Radius einstampft, der aber trotzdem alle Dramen des Lebens erlaubt. Verwirrte Gefühle, das langsam Lösen und Erwachsenwerden mit allem, was dazu gehört. Es war damals nicht leicht und ist es heute nicht, wird hier jedoch wundervoll erzählt.

Man schließt beide, Juliette wie auch David, sofort ins Herz. Sie sind nicht perfekt, sie sind jung und fehlbar, aber vor allem verletzlich und verletzt. Sie treffen falsche Entscheidungen, die nicht folgenlos bleiben und bereuen auch manches, das sie sagen und tun. Dadurch wirken sie glaubwürdig und echt und man wünscht ihnen, dass alles gut wird. Aber das echte Leben ist nun mal kein Ponyhof ud jede Geschichte findet ein Happy End.

Vor allem die Atmosphäre hat mich sofort gepackt und in der Geschichte versinken lassen. Die Erwachsenen sind nur Randfiguren, wenn auch mit wichtigen Momenten. Die Sorgen und Gedanken der Teenager wirken authentisch und in keiner Weise überzeichnet oder klischeehaft.

Ein Roman, der einem an die eigene Jugend erinnern lässt und mich restlos begeisterte.

Ian McEwan – Lessons

Ian McEwan – Lessons

Eleven-year-old Roland Baines’ life changes dramatically when his Africa based parents decide to send him back to England to attend a boarding school and get the classic education. While the political landscape forms itself after the Second World War, the boy takes piano lessons with Miss Cornell who will shape not only his idea of music, she will become his first love. Incidentally or initiated by fate, Roland’s life will remain closely connected to global events, be it the cloud coming from Chernobyl, the beginning and end of the Cold War, or major crises such as AIDS and the pandemic. As we travel through his life, he has to learn some lessons, some taken light-heartedly, others a lot harder and leaving scars.

I have been a huge fan of Ian McEwan’s novel for years and accordingly, I was keen to open his latest novel “Lessons”. What I have always appreciate most in his books is his carefully crafted characters who – hit by events outside their control – need to cope and to adjust. He is a wonderful narrator who easily makes you sink into the plot and forget everything around you. Even though “Lessons” does not focus that much on a single question as in “The Children Act” or “Saturday” and was much longer than most of his former writings, I hugely enjoyed how his protagonist’s character unfolds in front of us and becomes who he is when his life closes.

The novel has been announced as “a chronicle of out times” and admittedly, that’s just what it is. By the example of Roland, he illustrates the last six decades, he chronicles British and European politics, arts, music and mind-set. Roland’s process of learning does not stop, life is a continuous process of trial and error, of mistakes and good decisions which all leave their mark.

Interestingly, the protagonist is a rather passive character. He only ever reacts to what happens, his piano teacher’s advances, his wife’s running away, his career: Roland does not actively shape his life, it is the first and foremost the women he encounters who make him move and – even though they all remain minor characters – it’s them who bring the verve and dynamics into the action.

I can imagine that some readers will find the novel a bit slow and lacking focus, yet, I totally adored it and enjoyed every minute of the read.

Carl-Christian Elze – Freudenberg

Carl-Christian Elze – Freudenberg

Der 17-jährige Maik Freudenberg hat gerade die Hauptschule beendet. Bevor der Ernst des Lebens losgeht, fährt er nochmals mit den Eltern in den Ostseeurlaub. Sein Leben, bis dato immer fremdbestimmt und völlig an seinen Träumen vorbei, hat wenig Lebenswertes. Als er am Strand die Leiche eines jungen Mannes findet, sieht er seine Chance auszubrechen und neu zu beginnen. Er nimmt die Identität des Fremden an und flüchtet. Doch bald schon muss er erkennen, dass die neu gewonnene Freiheit nicht hält, was sie zu versprechen schien.

Der Autor Carl-Christian Elze war mir bis zur Nominierung auf der Longlist für den Deutschen Buchpreis 2022 gänzlich unbekannt, was daran liegen mag, dass er scheinbar überwiegend Erzählungen und Lyrik veröffentlichte, Genres, in denen ich weniger zu Hause bin. „Freudenberg“ reiht sich für mich in die Riege jener für den Buchpreis nominierten Romane ein, die im besten Sinne sperrig sind und sich linearer Erzählung verweigern. Das Abweichen von gängigen Mustern ist immer mutig, kann restlos begeistern oder auch gänzlich am Leser vorbeigehen. Leider ist mir letzteres bei diesem Text passiert. Nach starkem Anfang hat er mich leider irgendwann verloren.

Schon zu Beginn irritiert, dass der Protagonist nur beim Nachnamen genannt wird, was eine Distanz zu ihm aufbaut und in Anbetracht seines Alters eher seltsam wirkt. Sein Verhältnis zu den Eltern, ebenso wie zu dem anstehenden neuen Lebensabschnitt wirkt schwierig und problembeladen, ist jedoch in sich stimmig. Das Auffinden des toten Marek bietet plötzlich unerwartete Möglichkeiten und der zurückhaltende junge Mann wird aktiv und übernimmt die Regie über sein Leben.

Dass der erhoffte Befreiungsschlag ausbleibt, ist durchaus realistisch, aber leider entfaltet sich die Figur für mein Empfinden an dieser schicksalhaften Stelle nicht. Womöglich kann er es nicht, wollte er zu hoch fliegen, doch durch die große Distanz, die der Autor zwischen Figur und Leser bereits geschaffen hat, weckt er bei mit keine Emotion, kein Mitgefühl, sondern verliert er mich kurz danach. Dass die Figur letztlich psychisch schwach ist, ist nicht das Problem, sondern dass die nun entstehenden Sprünge und Mischung von fiktionaler Realität und Phantastik einem immer weiter von der Geschichte entfernt und dadurch genau das nicht leistet, was gute Literatur vermag: einen Leser temporär in eine andere Haut schlüpfen lassen.

Positiv beschrieben ein eigenwilliger und unkonventioneller Roman, der sicherlich auch seine Leser findet und begeistern kann, mich konnte er leider nicht erreichen.

Martin Kordić – Jahre mit Martha

Martin Kordic – Jahre mit Martha

Željko Kovačević, von allen nur Jimmy genannt, wächst in Ludwigshafen auf. Vom kroatischen Sohn eines Bauarbeiters und einer Putzfrau erwartet man nicht viel, schon gar nicht, dass er heimlich Zeitungen klaut, um neue Wörter zu lernen. Die geringe Erwartung der Welt spornt ihn an und die Arbeitgeberin seiner Mutter, Martha Gruber, ihrerseits Professorin, unterstützt ihn dabei. Es ist eine besondere Beziehung, die den 15-Jährigen mit der erwachsenen Frau verbindet und die fortbestehen wird, über seinen Schulabschluss und das Literaturstudium hinaus.

Der Lektor und Autor Martin Kordić beschreibt in seinen zweiten Roman „Jahre mit Martha“ eine Liebe, die nicht sein kann und den unbändigen Wunsch nach einem Leben, das für den jungen Željko nicht vorgesehen ist: Die Welt der Bildung, der Bücher und des souveränen Bewegens in der Mehrheitsgesellschaft. Es ist ein Roman über das Erwachsenwerden, des Aufeinandertreffens von Kulturen und der Suche nach dem Platz im Leben.

Jimmy reiht sich eine in eine ganze Riege von zweiter Generation von Einwanderern, die in den letzten Jahren literarisch verarbeitet wurden und die sich mit großen Steinen konfrontiert sehen, was ihre Zukunftschancen angeht. Sie bewegen sich sensibel zwischen den beiden Welten, zwischen dem Zuhause, das oftmals noch den Regeln des elterlichen Herkunftslandes folgt, und der Mehrheitsgesellschaft, für die sie Fremde sind. Treffen sie auf die richtigen Menschen, die sie als Mentoren fördern und den Zugang ermöglichen, öffnet sich ihnen eine neue Welt.

Doch zwischen Jimmy und Martha besteht keine platonische Beziehung, sondern eine einzigartige Liebe, die über Jahre dauert und nie wirklich ausgelebt werden kann. Es ist fast so, als sei da immer ein Band gewesen, dass sie verbindet, unsichtbar für die Außenwelt, mal lockerer, mal enger. Auch wenn man als Leser zunächst stutzt aufgrund des Altersunterschieds und der Tatsache, dass Jimmy bei ihrer Begegnung minderjährig ist, so ist es doch eine intellektuelle Verbindung, von Bewunderung des Jungen geprägt, an der nichts falsch zu sein scheint.

Ein Roman, in dem man sich sofort verliert und dessen junger Protagonist von der ersten Seite an begeistert.

Meg Rosoff – Friends Like These

Meg Rosoff – Friends Like These

Eighteen-year-old Beth arrives in Manhattan in June 1983 with high expectations. An investigative article for her school’s newspaper secured her a prestigious internship at a newspaper and promises to become the summer of her life. However, her welcome is rather unspectacular, the apartment she shares is shabby and she feels like an outsider. At her workplace, too, she soon feels like a stranger, her three fellow interns seem to be much more knowledgeable and move around like fish in the water. She immediately befriends Edie, an outgoing young woman of New York’s high society. Hard work, a completely new life – Beth is overwhelmed by her new life, too overwhelmed to notice that not all is what it seems and therefore, she has to learn the hard way, that New York is a shark’s pond.

Meg Rosoff has created another young adult novel that also attracts adult readers like me. “Friends Like These” tackles not only Beth’s coming-of-age but also friendship at workplaces, the precarious situation of interns and still after so many decades, women’s place when it comes to careers – it does not make much difference that the novel is set four decades in the past.

Beth is the typical bumpkin, she is inexperienced, insecure and does not know how to behave in these unknown surroundings with all the cool people. Edie quickly becomes her mentor and introduces her to the habits and lifestyles of the Big Apple. The difference between the two girls could hardly be greater, but soon, Beth comes to understand that not all is gold that glitters and that what she envies is not what it seems at first.

I thoroughly enjoyed the novel, funny as well as reflective it opens a whirling world that makes you question what you really want in life. A novel of first which can be exciting and hurting at the same time.

Christian Huber – Man vergisst nicht, wie man schwimmt

Christian Huber – Man vergisst nicht, wie man schwimmt

Es ist der 31. August 1999. Pascal genannt Krüger und sein Freund Viktor sind 15 und wollen einen der letzten warmen Sommertage genießen. Es wird ein Tag und eine Nacht, die emotional ein ganzes Leben sein könnten: sie haben Spaß, kommen in Gefahr, erleben die erste Liebe, verlieren beinahe ihr Außenseiterimage – aber vor allem wird ihre langjährige Freundschaft gleich mehrfach auf die Probe gestellt. Es ist der Tag, der ihr Leben verändern wird und an den sich Pascal sein Leben lang, selbst als er schon längst erwachsen ist und zurückblickt, erinnern wird, als wenn es gestern gewesen wäre.

Christian Huber ist mit verschiedenen Comedy-Formaten bekannt geworden, auch sein Podcast „Gefühlte Fakten“ gehört zu den erfolgreichsten des Landes. „Man vergisst nicht, wie man schwimmt“ ist ein Coming-of-Age Roman, der die emotionale Achterbahnfahrt der Zeit auf wenige Stunden verdichtet und auch ein wenig Nostalgie ob der Zeit von Oasis, Nokia Handys und unendlichen Sommerferien mitschwingen lässt.

Der Ich-Erzähler Pascal wird von allen nur Krüger genannt, warum bleibt zunächst sein Geheimnis, es muss aber damit zusammenhängen, dass er nicht mehr schwimmen geht und immer auch zwei T-Shirts übereinander trägt. Die schwierigen Familienverhältnisse von ihm und Viktor werden immer wieder angedeutet, im Vordergrund steht jedoch der einschneidende Tag, der minutiös berichtet wird. Es sind ganz banale, typische Erlebnisse, zu denen sich jedoch auch die ganz großen unerwarteten gesellen.

Krüger stößt mit der Ladendiebin Jacky zusammen und die beiden Jungs folgen den faszinierenden Mädchen zu dem Zirkus, mit dem sie durch das Land reist. Am folgenden Tag wird die abreisen und für immer verschwinden – nicht viele Stunden, die reichen jedoch, um in Krüger alles zu verändern.

Der Roman reiht sich in eine ganze Riege von Sommerferienerzählungen ein, die prägend sind für die Protagonisten, für mich in etwa wie Ewald Arenz‘ „Der große Sommer“ und Benedict Wells‘ „Hard Land“. Man folgt den beiden Jungen gerne, durchlebt mit ihnen ihre Abenteuer zwischen jugendlichem Übermut und der bekannten Unsicherheit, die gleichermaßen mit ihr einhergeht.

Große Emotionen, die einem sofort einfangen und mitnehmen auf die Reise durch einen die Welt der Protagonisten verändernden Tag.

Catherine Prasifka – None of this is Serious

Catherine Prasifka – None of this is Serious

Sophie has just finished her degree in political science and falls in some kind of void between being a student and the future which is totally blurred. All her friends seem to have a plan while she is still meandering and feels left behind. She is waiting for something to happen when one evening, there is a crack in the sky. Quickly the internet is full of photos and comments that she obsessively follows. While the earth does not know what to make if this and if it should be treated like a threat, Sophie’s life goes on or rather: it doesn’t. She has been in love with Finn for a long time, but he is more interested in other women and only needs her for the time between. And then there is Rory who is attentive and nice, albeit a bit boring. Even when the sky opens, Sophie is stuck and cannot advance in her life, so she escapes into the online world.

Catherine Prasifka’s debut novel “None of this is Serious” strongly reminded me of Sally Rooney’s books, not just because it is also set in Dublin and the protagonists are at a similar point in their life, also the style of writing shows a lot of parallels. Just like her sister-in-law, she portrays a generation who is lost when they should finally start their adult life and who struggles of coping with the expectations of their families and the online community which provides them with ideals they should adhere to.

“I refresh the feed every minute and continue to consume, growing fat. I’m like a vampire, leeching off the content of other people’s lives. I’m not even really interested in anything I’m reading.”

Having finished college and waiting for the final results, Sophie has too much time she spends online following her friends but also the comments on the crack. The first thing she does after waking up is checking her twitter feed, the last thing she does before falling asleep is checking her feed. She is addicted and unable to live her real life. Online, she can hide behind the invisible wall, she feels secure when chatting with Rory or others, when meeting them in person, she becomes insecure, shy, and totally inhibited. Without booze, she is totally unable of having any normal conversation at all.

It is not only their struggle with romantic life, successful relationships are rare in her circle of friends, it is also professional life which stresses them out. Finding a job is hard, even harder to find one which would allow them to move out of their parents’ house. Being treated like children, they cannot actually grow up and thus find themselves stuck. They just have their polished social media lives which only make the others feel even worse as they cannot see behind the blinking facade.

I could totally relate to Sally Rooney’s protagonists even though I am a couple of years older. It was much harder for me to sympathise with Sophie as she is much too passive and has made herself comfortable in lamenting her situation without doing something against it. Her best friend accuses her of being selfish and arrogant, an opinion I would agree with. She is too self-involved to notice others and pathetically cries over and over again.

“None of this is Serious” is a perfectly contradictory title as the characters’ believe that nothing they do is of any consequence, thus they remain stuck and constantly hurt each other as they are not the superficial beings who can just put away everything they experience. I do believe the author well captured a generation and their feelings of a hopeless or rather no future.

Sandra Cisneros – Das Haus in der Mango Street

Sandra Cisneros – Das Haus in der Mango Street

Esperanza wohnt in der Mango Street in Chicago. Es ist nicht das, was sie als ihr „Zuhause“ betrachten würde, aber das Haus, in dem sie wohnt, befindet sich nun einmal dort. Die Mango Street ist ein wildes Sammelsurium an Menschen, die dort alle gestrandet sind und auf bessere Zeiten hoffen. Esperanza wächst zwischen ihnen und den unterschiedlichen Lebensentwürfen auf, schon früh mit der Absicht, irgendwann einmal als Schriftstellerin mit ihrem eigenen Haus erfolgreich zu sein.

Wie die mexikanisch-amerikanische Autorin Sandra Cisneros bereits im Vorwort ankündigt, handelt es sich nicht um einen Roman im eigentlichen Sinne. Zur Entstehungszeit Anfang der 80er Jahre waren kurze Texte angesagt und so finden sich in „Das Haus in der Mango Street“ 44 kurze Episoden aus dem Lebensalltag Esperanzas, die den realen Erfahrungen der Autorin entlehnt sind. Sie ermöglicht durch ihre Augen einen kurzen Blick in die Leben der Bewohner der Straße, wirft durchaus auch brisante Fragen auf, führt die Geschichten jedoch nie so ganz zu einem Ende.

„Leute, die keine Ahnung haben, kommen ganz verschreckt in unser Viertel. Sie glauben, wir sind gefährlich. Sie glauben, wir gehen mit blitzenden Messern auf sie los. Sie sind Dummköpfe, die sich verirrt haben und nur versehentlich hier gelandet sind. Wir aber haben keine Angst.“

„Das Haus in der Mango Street“ wird vielfach als wichtiges Werk sowohl der Chicano-Literatur wie auch aus feministischer Sicht interpretiert. Cisneros schildert vor allem das Leben der mexikanischen Einwanderer bzw. ihrer Nachfahren, so werden Ehefrauen aus Mexico importiert, die kein Englisch sprechen und dadurch ans Haus gebunden sind, andere hoffen mit dem Umzug in die reichen USA auf ein besseres Leben. Alte Familienstrukturen und vor allem das Verhältnis von Männern und Frauen zueinander wird nicht an die neuen, offeneren gesellschaftlichen Lebensrealitäten angepasst, sondern so wie schon immer fortgesetzt. Man kennt sich im Viertel und weiß, wann etwas zu kommentieren ist und wann auch einfach nicht.

Esperanza ist am Beginn der Pubertät, interessiert sich zunehmend für das Verhältnis zwischen Mädchen und Jungs, sucht selbst aber noch keinen Kontakt. Es steht jedoch außer Frage, dass sie irgendwann einen Freund und dann auch Mann braucht, wenn das nicht einfach so klappt, kann man immer noch zur Zauberhexe gehen, die dann Abhilfe weiß.

Die kurzen Episoden lassen durchscheinen, dass das Leben in der Mango Street nicht einfach, vielfach auch von Gewalt geprägt ist und doch alle ihre Träume von einem besseren Leben hegen – oder sie hoffen dies zumindest für ihre Kinder. Insbesondere für die Frauen wird es aber beim Traum bleiben, denn ihre Lebenswege sind vorgezeichnet und sehr begrenzt. So sehr sich auch Esperanza wünscht ausbrechen zu können, ist ihr schon als Mädchen bewusst, dass sie nicht alles einfach wird hinter sich lassen können, sondern dass sie auch davon geprägt wird, in dem, wie sie die Welt sieht.

Durch die Stimme des jungen Mädchens kann Cisneros die sozialkritischen Themen etwas abmildern, da sie mit einer gewissen Naivität und Unwissenheit präsentiert werden. Präsent sind sie dennoch und machen den Roman dadurch durchaus auch zu einer Anklage. Dies wird allein dadurch deutlich, dass er zu den Jugendromanen zählt, die regelmäßig auf den Verbannungslisten erscheinen, die Mitglieder der weißen Oberschicht an die US-amerikanischen Schulen und Bibliotheken herantragen.

Vendela Vida – We Run the Tides

Vendela Vida – We Run the Tides

It’s the middle of the 80s and San Francisco hasn’t turned into the tech/IT hotspot it is today. Teenager Eulabee grows up in a more well-off part close to the beach and attends an expensive all-girls school with her best friends Maria Fabiola. The girls are still somewhere between being kids and becoming visibly female and with this transformation also come the problems. Maria Fabiola is the first to attract attention from the opposite sex, but her radiant appearance also charms women which is why she gets away with almost everything. Eulabee is far from being that self-confident and therefore sticks to the truth what leads to her being excluded from the girl circles of her school. When Maria Fabiola vanishes, the whole community is alarmed, but Eulabee from the start does not believe in a kidnapping, she has known Maria Fabiola for too long and is well aware of her former friend’s greed for attention.

Vendela Vida still isn’t as renowned as her husband Dave Eggers even though she has published several books by now and has won the Kate Chopin Award. I found her last novel “The Diver’s Clothes Lie Empty” quite exceptional in the choice of perspective and therefore was eager to read her latest novel “We Run the Tides”. This time, she goes back in time and has chosen teenage girls as protagonists. The story is told from Eulabee’s perspective and captures well the mixed emotions a girl goes through when becoming a woman. Also the ambiance of the 1980s is convincingly depicted.

The most central aspect of the novel is surely the friendship between Eulabee and Maria Fabiola and its shift when one of the girls develops a bit quicker than the other. Maria Fabiola is well aware of the effect she has on other people and uses this for her own advantage. Eulabee, in contrast, is still much more a girl, insecure in how to behave and what to do about the situation. She does not fight but accept what’s happening. Her first attempts of approaching boys seem to be successful but end up in total disappointment. She is a close observer and can well interpret the relationships she sees, between her parents, her mother and her sister and also the other girls and teachers at her school. Without any doubt she is a likeable character and treated highly unfairly. But that’s how kids behave at times.

I liked how the plot developed and how the vanishing of the girls turned out quite unexpectedly. Yet, I didn’t fully understand why the author has chosen to add another chapter set in the present. For me, the story was perfectly told at a certain point and admittedly, neither was I really interested in Eulabee’s later life nor in another encounter of the two women as grown-ups. Still, I do not really know what to make of Maria Fabiola when they meet for the first time decades later.

To sum up, wonderfully narrated, a great coming-of-age story with a strong protagonist.

Trent Dalton – Der Junge, der das Universum verschlang

Trent Dalton – Der Junge, der das Universum verschlang

Was für andere hochgradig seltsam erscheinen mag, ist für den 12-jährigen Eli Bell Anfang der 1980er Jahre im australischen Brisbane einfach das normale Leben. Sein Bruder Gus spricht nicht, seine Mutter und ihr Freund dealen mit Heroin und der berühmteste Verbrecher des Landes ist sein Babysitter. Eli träumt davon, eines Tages Reporter bei der Zeitung zu sein und unablässig hinterfragt er alles, was ihm in seinem Leben begegnet. Als sich jedoch sein Stiefvater Lyle mit dem Drogenkartell anlegt und versucht, lukrative Nebenschäfte an diesen vorbei zu organisieren, bricht für die ungewöhnliche Familie alles zusammen. Aber das hält den Jungen nicht davon ab, tapfer weiter seinen Weg zu gehen. Er weiß, dass die Wahrheit über das, was mit Lyle geschehen ist, irgendwann ans Licht kommen wird und auch wenn die Jahre vergehen, bleibt er an seiner ganz eigenen Story.

Der Autor Trent Dalton berichtete in einem Interview, dass es hinter dem Wandschrank seines Kinderzimmers eines geheimen Raum mit einem roten Telefon gab. Der Escape Room seiner Familie ist der Ausgangspunkt für sein Erstlingswerk, das noch mehr Parallelen zu seiner Vita aufweist und von Dalton selbst als halb Fiktion, halb Realität bezeichnet wird. Es ist eine coming-of-age Geschichte, ein Kriminalroman und eine Milieustudie, die ein Leben am unteren Ende der Gesellschaft nicht beschönigt. In seiner Heimat wurde Dalton mit allen vier großen literarischen Preisen ausgezeichnet und wurde auch beim Publikum zu einem Verkaufsschlager.

Es gibt quasi keine Facette des Lebens, die in dem Roman nicht eher oder später aufgegriffen wird. Drogen und Gewalt bilden den Hintergrund, vor dem die Geschichte erzählt wird. So drastisch das Milieu, in dem Eli und Gus aufwachsen, auch geschildert wird, so vielschichtiges ist dieses jedoch auch. Gerade an der Figur Arthur „Slim“ Halliday zeigt sich, dass ein notorischer Verbrecher nicht zwingend nur böse ist, von ihm lernt Eli die wichtigsten Lektionen in seinem Leben. Seine geradezu philosophischen Fragen nach dem Guten und Bösen durchziehen den Roman wie ein roter Faden. Auch Gus ist alles andere als gewöhnlich, sein Mutismus gekoppelt mit einer Savant-gleichen Vorsehungsgabe passt sich jedoch völlig natürlich in die Geschichte ein.

Ungläubig folgt man der Handlung, die in rasantem Tempo die Jugendjahre Elis durchläuft und unglaubliche Episoden schildert, die so fern jedes Durchschnittslebens sind, dass es mir bisweilen nicht ganz leicht fiel, sie nicht für gänzlich übertrieben und fragwürdig zu halten. Der Erzählton passte zwar hervorragend zu dem jungen Protagonisten, ist in seiner lakonischen Art auch unterhaltsam, aber so wirklich konnte mich der Roman nicht erreichen.