Edith Wharton – Ethan Frome

Ein namenloser Erzähler strandet während eines Schneesturms in Starkfield, Neuengland, wo er über einen mysteriösen Bewohner des Ortes, Ethan Frome, unterschiedliche Geschichten hört. Das Schicksal will es, dass er im Hause Frome eine Nacht verbringen muss und so die Lebensgeschichte des Mannes hört, die durch einen tragischen Unfall eine unerwartete Wendung nahm. Lebte er lange ein bescheidenes Leben eines guten Mannes, stets unter der harten Hand seiner Frau Zeena, blüht Ethan Frome regelrecht auf, als sie die junge Mattie bei sich aufnehmen, eine Verwandte seiner Frau aus ärmlichen Verhältnissen, die der erkrankten Zeena zur Hand gehen soll. Doch statt Entlastung führt die Anwesenheit des Mädchens zu Spannungen im Haushalt, die in einer Tragödie gipfeln sollen.

Mir fehlt ein wenig der Zugang zu Edith Whartons Geschichte, vermutlich weil mir der Protagonist zu fremd blieb, um mit ihm zu sympathisieren. Wie auch in ihren anderen Romanen hat Wharton sicherlich sehr präzise das Leben in all seinen Schattierungen eingefangen, hier einmal nicht die besser gestellte Oberschicht, sondern das Leid der armen Leute, die Zwangsgemeinschaften eingehen und denen auch das kleinste Glück vergönnt ist. Die Autorin selbst hat den Roman eher in die Richtung der Märchen mit einem moralischen Ende geschoben, das kann man so sehen und auch eine Lektion herauslesen, für mich bleibt er dennoch weit hinter ihren andere Werken zurück.

Bev Marshall – Walking Through Shadows

Mississippi 1941, aus Mitleid, weil ihr Vater sie unentwegt schlägt, bietet Lloyd Cotton der jungen Sheila einen Job auf seinem Hof an. Schnell findet sie Anschluss in ihrer neuen Familie: die Tochter Annette wird ihre beste Freundin und in Mutter Rowena findet sie eine Vertraute, die ihr beim Schritt ins Erwachsenwerden Unterstützung bietet. Schnell verliebt sie sich in Stoney, der ebenfalls auf dem Hof arbeitet und heimlich heiraten die beiden. Die Beichte bei ihren Eltern fällt erwartungsgemäß aus: ihr Vater verprügelt sie einmal mehr. Aber auch ihr eigener Ehemann hat seine Wutanfälle nicht im Griff und mehr als einmal muss Sheila darunter leiden. Das Mädchen erträgt all dies tapfer und behält sich ihr offenes Wesen und ihren Optimismus. Dennoch hat das Leben für sie kein Happy-End geplant und so findet man sie ermordet im Kornfeld und es gibt gleich eine ganze Reihe von Verdächtigen.
Eine Reise in eine längst vergangene Zeit mit Milchkühen und einem heute weitgehend nicht mehr vorhandenen Familienbild, das von väterlicher bzw. häuslicher Gewalt geprägt ist, die von den Frauen klaglos hingenommen und stoisch ertragen wird. Dies war für mich das Zentrum des Romans, was sich heute zwischen Ver- und Bewunderung anlässt, die Leidensfähigkeit der Menschen ist enorm und erschreckend zu lesen, wie sich über Jahrhunderte Frauen ihren Männern klaglos untergeordnet haben.

Gail Jones – A Guide to Berlin

Cass has fled her Australian home and arrives in Berlin at the beginning of January not expecting it to such freezing cold. In front of a memory plate for Vladimir Nabokov she encounters Marco who invites her to a strange group. Apart from the Italian, there is an American, Victor, another Italian, Gino and a Japanese couple, Yuki and Mitsuko, who all gather in vacant apartments to tell stories of their lives. They are linked by the love for Nakobov’s work and when seeing each other outside their somehow close to self-help group meetings, they walk in the author’s footsteps and search for traces of Berlin of the 1920s.
I was really carried away by this novel which offered much more than I expected. First of all, I was interested how a non-German would perceive our capital without all the historic weight that we Germans perceive all the time. Gail Jones’ picture of Berlin is really different from what you find in German novels and I enjoyed reading about this other way of seeing the town. Especially Cass’ way of taking the U and S Bahn system as a way of orientation and the skeleton was an interesting picture. Additionally, I think Jones perfectly transmitted Berlin winters in the novel, it can be awfully cold and the way the cold creeps into Cass’ body is more than authentic.

The way the famous author Nabokov was integrated was also a very interesting and convincing construction of the plot. To me it was not that obvious taking the Russian for a tour through Berlin, but it works and also offered a new perspective. The characters were also captivatingly drawn; they all have their little secrets and only offer small insights in their lives. Most remains unsaid but nevertheless this is much more than details, because it fits absolutely to the plot of a brief and temporary encounter during which you never really get to know somebody.

Evely Waugh – Brideshead Revisited

Der junge Oxford Student Charles Ryder freundet sich mit Lord Sebastian Flyte an, der ihn in seine Welt der exzentrischen Freunde und auslassenden Oberschicht einführt. Er lädt ihn auch nach Brideshead Castle, dem Familiensitz ein, wo er Sebastians Familie kennenlernt. Diese bietet ebenfalls einiges an Exzentrik: die streng gläubige Mutter, die es dem Sohn im Studium schwer macht; der Vater, der mit einer Geliebten in Italien weilt; Bridey, Sebastians älterer Bruder, so wie die beiden jüngeren Schwestern Julia und Cordelia faszinieren alle auf ihre Weise. Die beiden Freunde verlieren sich aus den Augen, doch einige Jahre später findet Charles durch eine zufällige Begegnung mit Julia wieder zu der Familie und erlebt dort den Tod des alten Lord mit, der alle in unterschiedliche Weise bewegt. Viele Jahre später kehrt er während des Krieges noch einmal nach Brideshead Castle, das nicht mehr das ist, was es einmal war.
Einmal mehr gelingt es Evelyn Waugh seine Zeit glaubwürdig und facettenreich einzufangen. Die 1920er Jahre, geprägt von Kriegserfahrungen und –Depressionen, die die Jugend zum ausschweifenden leben verführten, die Elterngeneration, die sich dem Glauben als letztem Halt zuwendet und dort auch nur Enttäuschung findet und die unterschiedlichen Erwartungen, die Eltern und Kinder aneinander haben und die doch nur enttäuscht werden können. Der englische Adel – ähnlich wie das Königreich selbst – in den letzten Zügen vor dem endgültigen Zerfall und die Freundschaft zwischen zwei jungen Männern, die zwar vordergründig platonisch bleibt, aber doch von einer Innigkeit geprägt ist, die für ihre Zeit noch anrüchig war.

Luana Lewis – Forget me not

Vivien is found dead in her home. It looks like a suicide but this seems unbelievable, the attractive mother of lovely Lexi and beloved wife of Ben did not seem prone to it; she was leading the perfect life in a stylish house in London. Yet her mother Rose has some doubts. In the course of the investigation also the dark sides of the family are dug up: the relationship between Rose and Vivian was very distant, Rose hardly knew her grand-daughter. Lexi was a disappointment to her perfect mother and they constantly fought with each other and Vivian’s doctor had serious worries about her and contacted Ben. Was her death finally a perfect murder in the family?
Luana Lewis’ second thriller is full of suspense and unexpected twists and turns. What I missed a bit in her first novel is now fully developed: we have convincing characters, above all Rose, who are depicted in a multifaceted way and not just black and white. Throughout the novel, you develop ideas on what might have happened which soon after you can forget due to new outcomes which make it all appear in a completely different light. The problems of the characters are just all too real, so it is easy to imagine that the story might happen in reality.

All in all, a thriller which does not give you the creeps but offers a lot of suspense and speculation.

Luana Lewis – Don’t stand so close

Die verängstigte Stella hat es sich in ihrem abgelegenen Haus für den Abend gemütlich gemacht; ihr Mann Max ist in London geblieben, weil die Witterungsverhältnisse zu schlecht sind, um noch raus zu fahren. Als es an der Tür klopft, öffnet sie nur zögerlich, ein junges Mädchen steht davor und bittet um Einlass. Blue behauptet die Tochter von Stellas Mann zu sein, doch ihre Geschichten verändern sich minütlich. Parallel dazu wird Stellas Leben zwei Jahre zuvor erzählt, als sie als Psychologin ein Gutachten für das Gericht in einem Sorgerechtsfall anfertigen sollte. Ein Zwischenfall hat ihr Leben aus den Fugen gebracht, aber wie gehört das etwas verwahrloste Mädchen in diese Geschichte?
Mit viel Lob wurde der Roman als Psychothriller angekündigt. Leider hält der Roman nicht ganz, was er verspricht. Es ist durchaus Spannung vorhanden, immerhin wird durch die parallele Erzählung der aktuellen und der vergangenen Ereignisse eine Erwartungshaltung aufgebaut und man will wissen, wie diese Figuren zu einander stehen. Aber dies wird doch recht schnell sehr offensichtlich, so dass die ganz große Überraschung ausbleibt. Auch das Ende  – als klassischer Actionabschluss angelegt – lässt zu wünschen übrig. Als eher ein durchschnittlich spannender Krimi und kein Psychothriller.

Andrea Hannah – Of Scars and Stardust

Two loving sisters. The elder, Claire, has promised always to take care of beaming and lovable Ella. But after her birthday party, she sends the girl home, alone in the night. The next morning, she finds her heavily violated, almost dead. Claire is sent away to secure her sister’s healing process and to get away from the wolves she seems to perceive everywhere and who are responsible for Ella’s accident. But two years later, Claire still suffers from psychic disturbances and when Ella vanishes, she need to return to her hometown where things are not anymore what they were. Claire wants to find her sister, but at the same time she has to confront an inconvenient truth about her family.
What I expected to be mainly a teen or new adult novel turns out to be a psychological thriller which plays with reality and the different perceptions of perceiving it. Throughout the novel you can never be sure if the narrator, who happens to be the protagonist, tells the truth, if what she sees and feels is what the other characters also notice or if she willingly or reluctantly invents everything. This play with truth creates a lot of suspense and it takes until the very last pages until you can make sense of what you read, before you have lots of traces and red herrings which keep you from quickly seeing through it all.

Andrea Hannah’s writing is full of suspense and she created a protagonist who acts in a very authentic way. 

Raymond Chandler – Philip Marlowe: Farewell My Lovely

In einem Nachtklub wird Philip Marlowe Zeuge einer tödlichen Suchaktion: Moose Malley versucht Velma Valento zu finden. Die Polizisten, die das Blutbad untersuchen haben wenig Interesse an dem Fall und beauftragen Marlowe, die genannte Velma aufzuspüren. Die Ermittlungen laufen nach typischen Muster für Marlowe ab, es kommt zu weiteren Morden, einem scheinbar davon völlig losgelösten zweiten Fall um ein entwendeten Halsband und einer Reihe von Erpressungen. Marlowe gerät immer wieder in Hinterhalte, kann sich am Ende aber retten und die ominöse Velma taucht ebenfalls wieder auf.
Man merkt, dass Philip Marlowe inzwischen etwas aus der Zeit geraten ist und dich die Leseerwartungen an Krimis und Ermittler doch etwas gewandelt haben. Bisweilen kam mir die Handlung etwas verwirrend vor und auch nicht alles scheint mir wirklich schlüssig zu sein, aber es ist und bleibt ein typischer Chandler, der in seiner Zeit Maßstäbe gesetzt hat.

Christopher Finch – The Girl from Nowhere

Private eye Alex Novalis strolls along the street expecting nothing to happen when suddenly a young woman grabs his hand and tells him that she is being followed. The stalker attacks them but they can escape. Alex immediately has a crush on Sandy Smollett who looks like the girl from next door but has a lot to hide. Albeit her innocent look she works as a stripper and is well acquainted with some strange figures. Novalis is soon contacted by them, some offering him money for Sandy’s protection, others openly threatening him. The fact that they are constantly attacked, Sandy’s repeated disappearances and the unanswered question where she actually comes from do not make things easier for the private eye.
The protagonists are a strange couple who easily keep the story going on. Alex’s sometimes naive appearing behaviour with the good heart and trustfulness on the one hand is mirrored by the inscrutable girl who looks innocent but with the time reveals her dark sides and constantly lies and keeps things from her protector. It’s especially their dialogues which are entertainingly constructed and great fun to read. The plot itself offers a lot of suspense which is increasing with the time when more and more characters add to the complication of the story.

Paul Auster – City of Glass

Ein fehlgeleiteter Telefonanruf bringt das Leben des Krimiautors Daniel Quinn, der unter dem Pseudonym William Wilson schreibt, aus den Fugen. Der Anrufer beharrt darauf, dass sein Gesprächspartner der Privatdetektiv Paul Auster sei und bittet ihn um Hilfe. Neugierig durch die Erzählung des jungen Mannes, der offenbar unter den Versuchen seines Vaters zu leiden hatte und Jahre in Dunkelheit und ohne Sprache verbringen musste, lässt sich der Autor auf das Spiel ein. Sein Job ist es, den Vater, der frisch in die Freiheit entlassen wurde, zu beschatten und Sorge zu tragen, dass dieser seinem Sohn nichts tut. Eine höchst seltsame Verfolgung und Beschattung beginnt.

Ein schwer einzuordnender Roman. Krimielemente sind klar vorhanden, auch philosophische und linguistische Abhandlungen. Dazu das Spiel mit dem Leser und den Namen bzw. Identitäten der Figuren. Letztlich der Verfall eines Menschen, der an seiner selbst gewählten Aufgabe zugrunde geht. Auster spielt mit dem Leser, verwirrt gezielt und erzählt doch geradlinig eine Geschichte, die heute noch genauso real wirkt wir zu Entstehungszeit vor 30 Jahren.