Matt Haig – The Midnight Library [Die Mitternachtsbibliothek]

Matt Haig – The Midnight Library

Nora Seeds Leben hätte wahrlich besser verlaufen können, mit 34 ist sie einsam und hat auch noch ihren Job verloren. Eines Abends klingelt es an ihrer Tür, ihre Katze Voltaire wurde überfahren. Wozu nun noch weiterleben? Sie beschließt dem Drama ein Ende zu setzen und findet sich plötzlich in einer Bibliothek wieder, in der die Uhr immer Mitternacht zeigt. Erwartet wird sie dort von Mrs Elm, ihrer ehemaligen Schulbibliothekarin, die erklärt, dass jedes Buch ein anderes mögliches Leben Noras erzählt. Jede Entscheidung führt zu einem anderen Verlauf. Nora befindet sich gerade in der Zwischenwelt und kann ausprobieren, wie ihr Leben ausgesehen hätte, wenn sie einen anderen Weg genommen hätte. Plötzlich können die Träume der ehemaligen Schwimmerin und Sängerin doch noch wahr werden.

Matt Haigs „The Midnight Library“ ist ein fantastisches Buch, das aktuell genau jene Flucht vor der Realität erlaubt, die man 2020 verzweifelt sucht. Es ist eine Reise in unterschiedliche Leben, die sich Nora als Kind und Jugendliche erträumte und die nun Realität werden könnten. Ganz unterschiedliche Verläufe darf sie ausprobieren, mal erfolgreiche Musikerin, mal Gletscherforscherin mit lebensbedrohlichem Eisbärenkontakt, mal Mutter – doch jedes Leben hat auch seine Schattenseiten wie sie feststellen muss. Jeder erfüllte Wunsch hat seinen Preis und bald schon merkt sie, dass keines der Leben perfekt ist. Vielleicht kommt eines jedoch dieser Vorstellung recht nahe –  vielleicht möchte Nora doch nicht sterben, sondern nur nicht mehr so weiterleben wie bisher. Aber einfach so in ihr altes Leben, dem sie gerade einen Endpunkt verpasst hatte, kann sie nicht.

So reizvoll das Szenario ist, es zeigt Nora doch auch, worauf es im Leben letztlich ankommt und was vielleicht doch gar nicht so wichtig ist. Vor allem nicht so entscheidend, einen Selbstmord zu begehen. Mal heiter-lustig, mal eher nachdenklich gestaltet Haig seine Geschichte und lädt den Leser dazu ein, ebenso wie Nora über verpasste Chancen, aber auch das, was gut gelaufen ist, nachzudenken.

Rachel Hawkins – The Wife Upstairs

Rachel Hawkins – The Wife Upstairs

Jane is on the run, she hasn’t simply given up her old life, there are things which need to be forgotten und buried and never talked about. When she comes to Thornfield Estates, the McMansion area of Birmingham/Alabama, she sees a life which could hardly differ more from hers. Having grown up as a foster child, she has never known love and affection and surely not the riches she can observe in the families for whom she walks the dogs. One day, she meets Eddie Rochester who recently lost his wife Bea. They fall in love and suddenly, everything seems possible for Jane. Leading a carefree life, no worries about money anymore and a loving husband. But at times, she wonders if she sees something different, threatening in his eyes. Then, however, she remembers that she herself also has some secrets. Yet, there is a third person in that house also having secrets.

Rachel Hawkins does not hide that her novel is a modern version of Charlotte Bronte’s “Jane Eyre”. The names are identical and even parts of the characters’ biographies show large similarities, only small Adèle has been turned into a dog. The plot is not set among the British upper class but among the newly rich who are driven by greed, egoism and the conviction that they can have it all.

What I liked about this version of the classic plot is that Rachel Hawkins created some unexpected twists which keep suspense high and make you reassess the characters. You can never be totally sure about who is good and who is bad, actually, they are all some dark shade of grey. I would have liked the protagonist to be a bit more complex, Jane remains a bit plain and shallow throughout the novel for my liking even though the other characters repeatedly consider her rather clever and strong. On the other hand, everything around Bea was quite surprising and I actually adored the utterly malicious character.

An enjoyable read with a lot of Jane Eyre to be found and some new aspects which added to the suspense.

Philipp Stadelmaier – QUEEN JULY

Philipp Stadelmaier – QUEEN JULY

Gluthitze, ein Pariser Badezimmer, eine Badewanne, zwei Frauen und ausreichend Wein. Das war es im Prinzip. Aber nur im Prinzip, denn das ist lediglich der Rahmen für einen Roman voller Energie, Leidenschaft, Liebeskummer und Wein. Und Gin. Und Martinis. Seit Jahren schon lebt Aziza in Dschibuti, nach Abitur und Medizinstudium hat es sie in die pulsierende ostafrikanische Metropole verschlagen. Nach Paris kehrt sie regelmäßig zur Familie zurück und zu ihrer Freundin Jeannine, die sie im Moment des schlimmsten Liebeskummers als Jugendliche begleitet hatte und seither beste Freundin ist. Da diese gerade Mutter wurde, hat sie Aziza bei July einquartiert, die die ungewohnte Hitze nur in der kühlen Badewanne ertragen kann. Dort lässt sich Aziza neben ihr nieder und berichtet von den letzten 18 Jahren und Anselm Strehler, ihrer großen Liebe, den sie nur wenige Tage später wieder treffen wird.

„»Der Teppich. Ich kapier nicht, wie so ein alter Berberteppich nicht schön sein kann. Er war doch sicher schön, oder?« »Ich hab ihn mir nicht angesehen. Ich hab nur drauf gekotzt.«“

Mit dem alten Berberteppich, auf den Aziza kurz nach dem Abitur auf einer Party ihren Mageninhalt entleert, beginnt ihre Freundschaft mit Jeannine und endet ihre Beziehung zu Strehler. Es sind diese beiden Eckpunkte, die Azizas Leben zusammenhalten. Dschibuti ist mehr eine Flucht, die Arbeit im Krankenhaus ist anstrengend, der Feierabend im internationalen Hotel mit reichlich Alkohol wechselnden Bekanntschaften beiderlei Geschlechts ebenso. Aber nichts kann sie letztlich vor dieser immer noch unbeantworteten Frage retten: warum hatte er sie damals verlassen?

„Typen, Frauen, Körper, whatever – alles gewann zunehmend an Flow und Leichtigkeit. Strehlers Phantom, das so lange nicht aus ihrem Leben gewichen war, hatte sich tatsächlich verpisst, (…). Bis sie eines Morgens vor drei Jahren aufwachte, schlaftrunken Facebook öffnete und dort eine Freundschaftsanfrage von Anselm Strehler auf sie wartete.“

Philipp Stadelmaier lässt Aziza Revue passieren, wie sie immer wieder versucht hat, nach vorne zu blicken, doch dann kam jedes Mal Strehler wieder dazwischen. Eine vage, unbestimmte Hoffnung auf eine gemeinsame Zukunft, die sie nie aufgeben wollte oder konnte. Der fremden July schüttet sie ihr Herz aus, diese hört sich das Leid an, nippt dabei an ihrem Wein – »Nippen würde ich das nicht nennen, Honey. Das kann man schon als ehrliches Trinken bezeichnen. « – und analysiert knallhart die Fakten.

So traurig diese Liebesgeschichte eigentlich ist, so herrlich verpackt der Autor sie in Worte. Man kann sich die beiden bildlich vorstellen, zwei Mitt-30erinnen schwitzend in einem Badezimmer, gutem Alkohol und Essen zusprechend und das vermaledeite Liebesleben beklagend. Es ist herrlich ihnen zu folgen, pointiert bringt Stadelmaier ihre Gedanken auf den Punkt und erweckt vor allem bei Azizas Schilderungen aus Dschibuti den Eindruck eines lebendigen, bunten, energiegeladenen Landes, wo sich die unterschiedlichsten Menschen ansammeln und vor Ort sind, bis ihre Reise eben weitergeht.

Ein kurzer Roman, der von der ersten Seite an begeistert und genau an der richtigen Stelle auch den Schluss findet. Hier stimmt für mich schlichtweg alles, ich hätte stundenlang weiterlesen können, aber Azizas Geschichte war erzählt. Kurz vor Jahresende nochmals ein absolutes literarisches Highlight.

Arvid Heubner – Totenstill

Arvid Heubner – Totenstill

Ein Eliteinternat in Sachsen-Anhalt. Seit vielen Jahren schon ist es Tradition, dass die Abiturientinnen zu einer Silentiumwoche aufbrechen, um vor den Prüfungen nochmals mentale Energie zu tanken. Doch nun ist seit mehreren Tagen kein Kontakt mehr zu ihnen herzustellen und die winterlichen Temperaturen und der starke Schneefall machen den Verantwortlichen Sorgen. Die Polizei kämpft sich zur Hütte vor, diese ist jedoch verlassen, von den Mädchen und ihrem Lehrer keine Spur. Erst als einige Stunden später die 18-jährige Mia völlig erschöpft aufgefunden wird und den Hinweis auf eine Höhle geben kann, gibt es die erste hilfreiche Spur. Doch was die Ermittler dort erwartet, ist ein Bild des Grauens: alle Schülerinnen sowie der Tutor sind tot, brutal und eiskalt ermordet. Tinus Geving vom LKA und ehemaliger Europol Ermittler leitet die Mordkommission, die schon bald merkt, dass der Fall nicht nur wegen der Herkunft der höheren Töchter brisant ist, sondern auch ganz aktiv aus den eigenen Reihen behindert wird.

Der Klappentext hat mich unmittelbar neugierig auf den Thriller gemacht. Welche Intrigen wohl in diesem Internat gesponnen wurden, dass sie mit einem solchen Verbrechen endeten? Und wer sind die Eltern der Mädchen, dass diese statt zu trauern Einfluss auf die Ermittlung nehmen können? Leider jedoch blieb die Geschichte für mich etwas hölzern und an vielen Stellen nicht wirklich nachvollziehbar. Der Fokus liegt nicht auf den Geschehnissen der Schule, sondern auf der Soko Eichenburg, allen voran dem Geving, der an einer posttraumatischen Belastungsstörung leidet und dessen negative Gemütsverfassung dich bleiern über den ganzen Text senkt.

Die Ermittlungen der Sonderkommission kommen nur langsam voran, viel zu wenige Hinweise erschweren die Spurensuche, wesentliche Untersuchungen werden schlichtweg vergessen. Weshalb Geving nicht mehr Europol ist, erschließt sich im Laufe der Handlung durch seine Flashbacks, dass er aber in der tiefsten Provinz versauert, erklärt sich dadurch für mich nicht. Auch dass sein letzter internationaler Fall plötzlich mit den Vorkommnissen des Internats in Verbindung steht und er die großen Zusammenhänge erkennt, war für mich etwas zu viel des Zufalls.

Parallel werden die Intrigen innerhalb der sachsen-anhaltinischen Landesregierung gesponnen. Auch hier leider nur eine Ansammlung eindimensionaler Figuren, die sich durch Machtgeilheit und Rücksichtslosigkeit auszeichnen, weitere Charaktermerkmale sind Fehlanzeige. Politik ist hier kein komplexes Thema, sondern eine Spielwiese für Egozentriker, die diese maximal ausreizen.

Die Kapitelüberschriften weisen eine gewisse Anlehnung an die sieben Todsünden auf, was sehr viel hergegeben hätte, leider bleiben aber die Figuren insgesamt zu flach, um dies in glaubwürdige Motive und überzeugende Aktionen umzusetzen. Zwar werden am Ende die Zusammenhänge restlos offengelegt, diese sind aber für mein Empfinden etwas zu abenteuerlich, um glaubwürdig zu wirken. Ein spannendes Szenario und durchaus ansprechender und spannender Schreibstil, aber in der Gesamtschau nicht ganz rund.

Colum McCann – Apeirogon

Colum McCann – Apeirogon

Zwei Väter, Rami Elhanan und Bassam Aramin, die unzählige Gemeinsamkeiten haben. Beide haben sie eine Tochter verloren, beide leben sie auf demselben Fleckchen Erde, beide wollen den anderen verstehen, beide wollen Frieden. Doch es trennen sie auch Welten: Rami ist Israeli, Bassam Palästinenser. Ramis Tochter wurde bei einem hinterhältigen Selbstmordattentat getötet, Bassams Tochter durch die Waffe eines israelischen Soldaten. Sie können sich nicht gegenseitig besuchen, das verbietet das Gesetz und an Checkpoints wird dies kontrolliert. In der Organisation “Parents Circle“ treffen sich Eltern wie sie, die durch den Konflikt ihre Kinder verloren haben und nur einen Wunsch haben: dass nicht noch mehr Eltern dieses Martyrium erleiden müssen.

Colum McCanns Roman ist eine Mischung aus Fakt und Fiktion. Die beiden Väter und ihre Töchter sind real, jedoch nicht alle Gedanken und Ereignisse, die geschildert werden. Auch wird die Handlung durch zahlreiche Fakten ergänzt, die Lexikon-gleich das Geschilderte untermauern und auch versachlichen. Bevor es zu emotional wird, tritt man wieder einen Schritt zurück. Man bewegt sich immer wieder hin und her in diesem Spannungsfeld, das auch durch die 1000 Kapitel, die zunächst aufsteigend, dann absteigend nummeriert sind, unterstützt wird. Dieser Wechsel des Blickwinkels ist es auch, der schon im Titel festgeschrieben ist: ein „Apeirogon“ ist ein Vieleck mit einer gegen Unendlich gehenden Anzahl von Seiten. In der Nahaufnahme sieht man eine Linie und einen Winkel, aus der Ferne stellt sich die Figur jedoch womöglich ganz anders dar. So auch der Konflikt, der sich aus der Ferne zwischen zwei Staaten oder Völkern abspielt, aus der Nähe betrachtet jedoch das Schicksal einzelner Menschen besiegelt.

Es ist nicht leicht zu fassen und zu verstehen, was Bassam und Rami erleiden. Dies wird durch Schleifen und Wiederholungen angedeutet, die gleich dem Leiden und gedanklichen Kreise-Drehen um immer wieder dasselbe Ereignis funktionieren. Smadar und Abir kannten sich nicht, zwischen ihren Todestagen liegen zehn Jahre und doch wurden ihre Schicksale miteinander verbunden; sie stehen auf verschiedenen Seiten desselben ermüdenden Konflikts und beide haben als junge Mädchen völlig sinnlos ihr Leben gelassen.

„Damals fehlte mir das Bewusstsein, um es mir einzugestehen, aber verstehen Sie? Ich war Ende vierzig, und zum ersten Mal in meinem Leben begegneten mir Palästinenser als menschliche Wesen. (…) ich erkannte sie als Menschen, die die gleiche Last trugen wie ich, dasselbe Leid empfanden. Ihr Schmerz war mein Schmerz.“

Zwei Seiten des Nahostkonflikts, gespiegelt in einem einzigen Roman. Eine Geschichte über Gewalt und Leid, aber auch über Vergebung und Aufeinanderzugehen. Ein politischer Roman, der jedoch das persönliche Schicksal ins Zentrum rückt und zeigt, dass viel zu oft die Menschen vergessen werden, die hinter politischen Entscheidungen stehen, die diese ausbaden und unter ihnen leiden. Auch McCann liefert keine Lösung, aber Hoffnung darauf, dass ein Wille vorhanden nicht, nicht noch mehr Leid zu produzieren. Für mich einer der literarisch ausgereiftesten und inhaltlich bedeutsamsten Romane des Jahres.

Max Seeck – Hexenjäger

Max Seeck – Hexenjäger

Als der berühmte Autor Roger Koponen wegen einer Lesung viele hundert Kilometer von der heimischen Villa in Helsinki entfernt ist, wird seine Frau Maria bestialisch ermordet. Jessica Niemi ist als erste am Tatort und begegnet sogar noch dem Täter, was sie jedoch erst später realisiert. Brisant an dem Tatort ist nicht nur die bizarre zur-Schau-Stellung des Opfers, sondern dass Maria genau so den Tod gefunden hat, wie es in den Thrillern ihres Mannes beschrieben war. Hat der Autor dieses mit seinem Text provoziert? Dieser zeigt sich erschüttert und soll noch in der Nacht in die finnische Hauptstadt zurückkehren, doch unterwegs wird er zum Opfer und hingerichtet wie eine seiner Figuren. In der Trilogie gibt es noch weitere Morde, das Team um Jessica Niemi ahnt schnell, dass dies kein einfacher Fall wird und bald wird auch schon klar, dass die Ermittlerin selbst im Fadenkreuz des Täters zu stehen scheint.

Max Seeck ist finnischer Autor mit deutschen Wurzeln und zählt in seiner Heimat schon zu den bekanntesten Thriller-Autoren, aber auch über die Grenzen des nordischen Landes hinaus kann der er überzeugen. „Hexenjäger“ ist der zweite Roman in deutscher Übersetzung und der Auftakt zur Reihe um Jessica Niemi. Die Protagonistin selbst fällt dabei ziemlich aus dem Raster der typischen Ermittlerinnen. Immer wieder schleichen sich kurze Kapitel in die Handlung ein, die sie als junge Studentin in Venedig präsentieren. Sie verheimlicht ihren Kollegen ihre Herkunft und sogar ihre Wohnung, neben der eigentlichen Thriller Handlung ein weiteres Mysterium, das sich erst am Ende lüftet.

Besonders reizvoll finde ich immer, wenn ein Roman mit der Fiktion von Literatur arbeitet und in die Handlung weitere fiktive Ebenen eingeflochten werden. In „Hexenjäger“ ist es die „Hexenjagd“ Trilogie des Autors Roger Koponen, die offenbar die Vorlage und den Anreiz für den oder die Täter liefert. Das Muster der Morde ist schon vorhanden, die Polizei weiß eigentlich, wonach sie suchen muss, und ist doch dazu verdammt, machtlos zuzusehen, wie immer mehr Opfer auftauchen. Doch es findet sich keine Erklärung für ihre Auswahl, auch die recht schnell geäußerte Verbindung zu Jessica erschließt sich nicht. Weshalb schickt ihr Vorgesetzter Erne sie nach Hause und lässt sie dort unter Polizeischutz stellen, wo sie doch eigentlich die Ermittlungen leiten sollte? Vieles bleibt rätselhaft, zahllose Spuren führen in unterschiedliche Richtungen, ohne ein Muster erkennen zu lassen.

Vielschichtige Figuren, Morde, die rasch aufeinanderfolgen, Okkultismus und Satanismus gepaart mit einem verdächtigen Autor – spannende Zutaten, die sich nahtlos zu einer überzeugenden Geschichte zusammenfügen. Ein Thriller aus dem eisigen Norden, perfekt für kalte Wintertage.

Megan Hunter – The Harpy

Megan Hunter – The Harpy

Lucy is a loving wife and mother of two small boys. Even though she at times regrets not having finished her doctorate, her life is quite close to perfect, at least from the outside. Until she gets a voice message informing her of her husband Jake’s affair with his colleague. Jake immediately admits everything, yet, it wasn’t a single misstep, but actually three. They agree not to give up everything they have built up and Lucy is allowed to hurt him three times, too. What he does not know is that forever, she has been fascinated by harpies, the mythological creatures symbolising the underworld and evil. Thus, Lucy’s revenge is not small but a thoroughly made-up, destructive plan of vengeance.

A couple of years ago, I read Megan Hunter’s post-apocalyptic debut “The End We Start From” and liked it a lot, thus I was eager to read her latest novel “The Harpy” which did more than fulfil my expectations. The atmosphere is burning, the idea of the dreadful mythological creatures always looming over the action. Quite often, the harpy is used to depreciate a nasty woman. Lucy can be considered nasty in what she does, however, the betrayal she has to endure is no less harmful.

Of course, Lucy’s revenge is the central aspect of the plot. Yet, it is not just their marriage that is under scrutiny, the whole circle Lucy and Jake move in comes to a closer inspection. Superficial friendships which end immediately end when someone does not comply with the unwritten rules, feigned sympathy and kindness – isn’t this world an awful one to live in? Plus the reduction of an intelligent woman to caring mother who becomes invisible as a woman and is considered little more than a domestic worker for the family, a life surely man find themselves in involuntarily.

From a psychological point of view, the novel is also quite interesting, depicting Lucy’s transformation from loving housewife to independent and reckless avenging angel. She frees herself from the clichés she has lived to so long and goes beyond all boundaries. A beautifully written brilliant novel that I enjoyed thoroughly.

Cristina Alger – Das Kartenhaus

Cristina Alger – Das Kartenhaus

Annabel ist am Boden zerstört als sie erfährt, dass ihr Mann Matthew bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kam. Aber wie kann das sein? Er sollte bei einem Kunden in Zürich sein und nicht in London und wer war die ominöse Schönheit, der der Privatjet gehörte? Dies sind nur die ersten Fragen, die sich der ehemaligen Galeristin stellen. Bald schon wird für sie offenkundig, dass die Genfer Privatbank, bei der ihr Mann beschäftigt war, auch zweifelhafte Kunden hofierte und ihnen dabei half, Geld zu verstecken. Aber dies ist nur die moralisch verwerfliche Seite, die brutale lernt sie bald ebenso kennen und muss feststellen, dass auch sie selbst in Gefahr schwebt, wie auch Matthews Assistentin Zoe und die Journalistin Marina, deren Chef gerade ermordet wurde, da er offenbar eine undichte Stelle bei der Bank ausmachen konnte.

Cristina Algers Thriller erweckt zunächst den Anschein, sich vorrangig um die Trauer der jungen Witwe und die Aufklärung des Flugzeugabsturzes ihres Gatten zu drehen. Die parallel erzählte Geschichte um Marina, einer investigativen Journalistin, die sich jedoch auf die Hochzeit und dann die Aufgaben als repräsentative Gattin eines Spross einer New Yorker Superreichenfamilien vorbereitet, schafft lange nur lose Verbindungen. Über die beiden Frauenfiguren war ich zugegebenermaßen etwas entsetzt, erfolgreiche und clevere Frauen, die mir nichts dir nichts ihre Karriere für die Ehe hinschmeißen und im braven Hausweibchen-Dasein die Erfüllung finden, können mich leider nur wenig begeistern. Glücklicherweise hat die Autorin diesbezüglich jedoch den Dreh gefunden und weiblichen Figuren nicht ins Dummchen-aber-hübsch-Kabinett verfrachtet.

Die Geschichte wird zunehmend komplexer als man mehr über die dubiosen Machenschaften und die internationalen Verstrickungen der Finanzwelt erfährt. Geld, Macht und Skrupellosigkeit scheinen Hand in Hand zu gehen und jede Form von Respekt gegenüber Menschen vermissen zu lassen. Der Roman greift geschickt das auf, was man in den letzten Jahren wiederholt erleben durfte: Whistle-Blower, die ihr Leben riskieren, um unmoralische und illegale Geschäfte an die Öffentlichkeit zu bringen. Die Figuren werden dabei ganz persönlich gefordert sich zu positionieren und ihre Ideale dem schönen Leben im Reichtum gegenüber abzuwägen. Gut und Böse bleiben lange diffus, was die Geschichte recht authentisch macht.

Ein spannender Thriller mit letztlich interessanten Frauenfiguren, da es nebenbei auch gelingt, die vorherrschenden Schubladen, in die Frauen gepresst werden, kritisch zu betrachten.

Alexandra Riedel – Sonne, Mond, Zinn

Alexandra Riedel – Sonne, Mond, Zinn

Gustav Zinn erhält einen Anruf, mit dem er nicht gerechnet hat. Sein Großvater ist gestorben und die Witwe lädt ihn zur Beerdigung ein. Nie hatte er Kontakt zu dem Mann, ebenso wie seine Mutter Esther, die als uneheliches Kind kurz nach dem Krieg geboren wurde und zeitlebens als Bastard betrachtet wurde. Gustav kommt schon früh zur Trauerhalle, wo Anton Hamann aufgebahrt wird, bei der Familie will er nicht sitzen, zu dieser gehört er ja nicht, doch dem anschließenden Leichenschmaus kann er sich nicht entziehen. Auch nicht den Erinnerungen und Erzählungen, den Fotografien aus einem Leben, die jedoch einen wichtigen Teil ausklammern, weil dieser nicht sein durfte. Akribisch beobachtet Gustav, nimmt wahr und berichtet der abwesenden Mutter.

„Man habe sich hier und heute versammelt, um Abschied zu nehmen von Anton Hamann. Er hinterlasse seine Frau Isolde Hamann, seinen Bruder Baldur Hamann, die Söhne Ulrich und Anselm Hamann sowie die Schwiegertochter Susanne Hamann. Ich hörte Namen und Bezeichnungen, von dir aber keine Silbe. Hätte ich damit rechnen sollen?“

Alexandra Riedels Debütroman, für welchen Sie mit dem Bayern2-Wortspiel-Preis ausgezeichnet wurde, beschreibt die schwierigen Verhältnisse einer Familie, die keine ist. Er spiegelt damit auch den Geist einer Zeit, der durch rigide Ansichten und gesellschaftliche Ächtung für alle, die nicht ins die vorgegebenen Schemata passten, geprägt war. Durch dieses Nicht-Dazugehören stellt die Autorin jedoch auch die Frage, was denn in der Figur Gustav von dem gerade Verstorbenen steckt, wie sehr können Gene prägen bei Abwesenheit? Ist da mehr als nur das Grübchen?

Der Titel ist eine Anspielung an das Observatorium, das Anton Hamann leitete. Die Sonne, der Mond und die Gestirne hatten es ihm angetan und dort konnte er auch heimliche Stunden mit seiner Tochter verbringen, ein Stern, den er eigentlich nur aus der Ferne beäugen konnte. In der Realität lebte sie in einer anderen Galaxie. Die Sehnsucht nach Ferne und Weite des Himmels jedoch hat sie an den Sohn weitergegeben, der sich nichts anderes im Leben vorstellen kann als seinen Job im Tower eines Flughafen einer Insel, wo nicht die Menschen, sondern die Naturgewalten den Takt bestimmen.

Der Roman überzeugt doch brillante Analogien und Metaphern und reicht trotz der Kürze in Tiefen, die viele lange Werke vermissen lassen.

Laurent Binet – Eroberung

Laurent Binet – Eroberung

Wir alle haben sie studiert, die Geschichte Europas und die Eroberung der Welt. Mutige Männer, die dahinsegelten, um ferne Länder zu entdecken und zu unterwerfen, um ihnen die zivilisierte Hochkultur der alten Welt nahezubringen. Was aber wäre gewesen, wenn alles ganz anders verlaufen wäre? Die Wikinger noch vor Kolumbus Südamerika entdeckt hätten und die Inkas sich gen Osten aufgemacht hätten, um erst Portugal und dann ganz Europa zu unterwerfen? So manch ein Herrscher hätte nicht schlecht gestaunt, ebenso die Vertreter der Heiligen Kirche – und deren Gegner. Ein fuchsteufelswilder Luther muss zusehen, wie statt seiner Thesen die Kunde des Sonnengottes angeschlagen und damit der neue Glaube besiegelt wird.

Laurent Binet ist ein Meister darin, die Geschichte neu zu erfinden und einen alternativen, wenn auch bisweilen aberwitzig anmutenden Verlauf zu schildern. Schon mit „Die siebte Sprachfunktion“ konnte er mich restlos begeistern, nun beschränkt er sich nicht auf die kleine Welt der Linguisten, sondern geht ans Eingemachte. Und das wieder einmal mit präziser und messerscharfer Beobachtungsgabe und pointierten Formulierungen.

„Doch die Geschichte lehrt uns, dass wenige Ereignisse es der Mühe wert erachten, sich rechtzeitig anzukündigen, darunter manche, die sich jeglicher Vorhersage entziehen, und dass letztlich die allermeisten sich damit begnügen, einfach einzutreten.“

So manches in der europäischen Geschichte wäre uns erspart geblieben oder schlichtweg besser gelaufen, hätten wir Binets Version der Historie erlebt. Die Inquisition beendet, Toleranz zum leitenden Motiv gemacht und Frieden, der eigentlich immer nur ein Traum war. Daneben wird das heliozentrische Weltbild per Dekret verordnet und die Mystifizierung der jungfräulichen Braut und der unbefleckten Empfängnis ein Schlusspunkt gesetzt.

Viele große Namen haben ihren Auftritt in dem Roman, der 2019 mit dem großen Preis der Académie française ausgezeichnet wurde. Man kann immer wieder nur schmunzeln, wie Laurent Binet uns einen Spiegel vorhält und die Absurditäten aufzeigt, die wir als gegeben hinnehmen. Virtuos reihen sich sie Ereignisse aneinander, die bekannte und belegte Fakten neu interpretieren. Diesbezüglich finde ich den deutschen Titel leider auch etwas zu begrenzt, es geht nicht nur um „Eroberung“, sondern wie das Original schon sagt, um die Frage, was eigentlich „Zivilisation“ sein soll und vor dem Hintergrund von Inquisition, Kreuzzügen und Imperialismus ist diese mehr als berechtigt.