Alice a fini ses études en sociologie qui la mènent nulle part professionnellement. Alors elle quitte Paris pour retourner dans la Meuse où elle peut habiter l’ancienne maison de sa grand-mère. Là aussi, il n’est pas facile de trouver un poste n’importe quel, alors elle finit par offrir des ateliers d’animation dans deux maisons de retraite. Toute contente qu’il y ait des pensionnaires intéressés à ce qu’elle propose elle commence son travail sans savoir ce qui l’attend là. Au fil des semaines, Alice et aussi les retraités commencent à se mêler dans la vie les uns les autres et une amitié exceptionnelle est formée.
« L’atelier des souvenir » est la lecture parfaite pour le printemps : c’est un roman léger, plein de vivacité et d’affection. Il est un peu doux-amer, car au début, la petit Alice est plutôt timide et triste, elle se sent non seulement seule et abandonnée, mais elle a des doutes concernant ses études et ses connaissances. C’est le contact avec les retraités et aussi avec les enfants à qui elle donne aussi des cours plus tard, qu’elle retourne dans la vie et devient de plus en plus vive.
A part cela, il y a une histoire d’amitié, plusieurs histoires d’amour et comme il s’agit d’un cour d’écriture, beaucoup d’histoires courtes diverses. J’ai vraiment adoré lire ce livre.
Anaïs sieht ihre Großmutter nur einmal als Kind, als diese sie heimlich besuchen kommt und wieder davonschleicht. Jahre später wird sie sie mit ihrer Mutter nochmals aufsuchen, doch die Ablehnung der alten Frau ist deutlich und grausam. Sie will Tochter und Enkelin nie mehr sehen. Erst als Suzanne stirbt, wird Anaïs wieder ihre Wohnung betreten, dieses Mal entschlossen herauszufinden, wer diese Frau war. Suzanne Meloche wird 1926 in eine französischsprachige Familie im englischsprachigen Ottawa als eines von unzähligen Kindern geboren. Das Geld ist knapp, ebenso die Zuneigung der Eltern. Früh schon flieht sie aus dem Haus und schließt sich einer Gruppe von Malern, Bildhauern, Dichtern und Schauspielern an, entschlossen, die Welt zu verändern. Doch auch dort bleibt sie Außenseiterin und so wird sie ihr Leben lang auf der Flucht und der Suche sein, nach ihrem Platz.
Anaïs Barbeau-Lavalette zeichnet das Bild einer nicht nur einsamen, sondern auch immer gehetzten Frau nach. Niemand scheint Suzanne das geben zu können, was sie braucht. Die Mutter verwehrt ihr die Zuneigung, nach der sie sich sehnt. Das Klavier im elterlichen Haus, das eine magische Anziehung auf sie ausübt und das sie so gerne zum Erklingen gebracht hätte, bleibt für sie ein Tabu. Die Faszination, die die Freigeister und Künstler auf sie ausüben, ist leicht nachvollziehbar, jetzt scheint das Leben möglich, von dem sie so lange geträumt hat. Doch der Alltag holt sie ein, der Lebensunterhalt muss finanziert werden, bald auch schon die erste Tochter und die Zeit ist noch nicht reif für fortschrittliche Gedanken.
Suzanne irrt durch die Welt, nachdem sie ihre Kinder und den Mann verlassen hat. Doch weder in Europa noch bei den Rassekämpfen in den USA kann sie das finden, was sie sucht. Sie bleibt ihr Leben lang eine Frau auf der Flucht. Erst 1980 werden ihre Gedichte unter dem Titel Aurores fulminantes veröffentlicht, nachdem die Künstlergruppe Automatistes sich schon längst aufgelöst hat und ihr jedes Interesse an öffentlichem Ruhm fehlt. Der Originaltitel der Biographie „La femme qui fuit“ ist deutlich aussagekräftiger als nur der Vorname wie in der deutschen Ausgabe. Insgesamt ein lesenswerter Bericht über das Leben einer von der Geschichte vergessenen Frau.
Der Mord an einem Pfandleiher wirft im Osaka des Jahres 1973 Fragen auf. Kirihara wird in einem verlassenen Gebäude gefunden, der Polizist Sasagaki und seine Kollegen finden jedoch keine wirklich verwertbare Spur, einzig zu einer bescheidenen Frau und deren Tochter, doch es scheint zu abwegig, dass diese etwas mit dem Mord zu tun haben. Die Jahre vergehen, immer wieder gibt es Vorfälle in Osaka, die nicht wirklich geklärt werden können: Überfälle auf junge Frauen, Menschen verschwinden. Sasagaki lässt der alte Fall keine Ruhe und stetig verfolgt er die Spuren, bis er irgendwann eine Verbindung erkennt, die sich immer wieder auf ein Pärchen zurückführen lässt: der Sohn des Pfandleihers und die Tochter der verdächtigen Frau. Aber es ist doch undenkbar, dass die beiden über Jahrzehnte eine Spur der Verwüstung hinter sich herziehen, oder?
Keigo Higashino ist ein auch in Deutschland seit vielen Jahren sehr populärer japanischer Krimi- und Thriller Autor, „Unter der Mitternachtssonne“ ist inzwischen mein dritter Roman von ihm und wieder einmal kann er mich mit dem sehr eigenen japanischen Flair und einer psychologisch reizvollen Geschichte überzeugen.
Zunächst tappt man ganz wie die Polizei im Dunkeln, der Mord am Pfandleiher steht im Zentrum, wird aber dann scheinbar aufgegeben. Erst langsam erschließt sich dem Leser, worum es eigentlich geht. Die Geschichte zieht immer weitere Kreise, mehr und mehr Figuren kommen hinzu, verwirren zunächst das Konstrukt, nur um dann umso klarer ein Bild der beiden rücksichtslosen Menschen zu ergeben. Dass sie hinter den zahlreichen Taten stecken, ist recht schnell durchschaut, spannender wird nun die Frage: gelingt es dem Ermittler, ihnen auf die Spur gekommen und was genau geschah beim Mord an dem Pfandleiher und vor allem: warum musste er sterben?
Der Thriller weicht gewagt vom klassischen Szenario ab, was ihm jedoch kein bisschen an Spannung nimmt. Im Gegenteil, das hochriskante Spiel wird in immer neuen Varianten ausgetragen und erhält so seinen Reiz. Genaugenommen handelt es sich nicht um einen einzigen Mordfall, sondern um viele, die miteinander verbunden sind und sich nach und nach spiralförmig dem Showdown nähern.
Eine ausgesprochen komplexe Handlung, die durch die vielen Figuren mit ihren japanischen und damit doch eher ungewöhnlichen Namen eine Herausforderung darstellen. Diese sollte man jedoch unbedingt annehmen, denn „Unter der Mitternachtssonne“ ist ein kleines Meisterwerk.
Eine junge Frau wird in Kopenhagen ermordet. Julie wurde in ihrer WG überfallen und durch zahlreiche Messerstiche verstümmelt. Was wie ein grausamer, aber doch recht normaler Mord beginnt, erhält schnell eine seltsame Note: Die Vermieterin Julies, Esther de Laurenti, die im selben Gebäude wohnt und die Studentin natürlich kannte, ist gerade dabei einen Krimi zu schreiben und der Mord an Julie entspricht genau dem Szenario, das sie sich ausgedacht hatte. Die Ermittler Jeppe Kørner und Anette Werner schließen die ehemalige Professorin als Täterin aus, aber es muss eine Verbindung geben. Er hat Zugang zu dem unveröffentlichten Manuskript und wer wollte sich an Julie oder Esther rächen?
Katrine Engberg ist in Dänemark keine Unbekannte, als Tänzerin und Regisseurin hat sie sich bereits einen Namen gemacht, nun wagt sie sich auch ins literarische Fach und konnte mich mit ihrem Debut restlos überzeugen. „Krokodilwächter“ steht den großen skandinavischen Krimis in nichts nach: ein komplexer Fall, der sich im völlig durchschnittlichen dänischen Milieu abspielt; zwei Ermittler, die keine Superhelden sind, sondern auch mit ihren privaten Problemchen zu kämpfen haben und dennoch den Fall zielgerichtet und mit menschlichen Maß lösen.
Viele vermeintliche falsche Fährten legt Engberg aus, immer wieder findet sich das Ermittlerduo an einem toten Ende und muss von Neuem beginnen. Interessant ist jedoch, dass keine der Spuren wirklich ins Nichts führt, sondern dass es der Autorin gelingt, am Ende alle Fäden zu einem stimmigen und glaubwürdigen Gesamtbild zusammenzufügen. Dabei verzichtet sie auf allzu detaillierte und grausame Mordbeschreibungen, was jedoch durch kleine Szene, die ihr eigenes Gruselpotenzial haben, ganz locker aufgewogen wird. Besonders gut gefallen hat mir die Verortung des Romans in Kopenhagen, wenn man die Stadt ein wenig kennt, findet man vieles davon im Roman wieder. Und es ist durchaus nicht von der Hand zu weisen, dass Dänemark ein kleines Land mit wenigen Bewohner ist, was zu so mancher unliebsamen Begegnung führen kann. Handlung und Setting spielen so immer wieder Hand in Hand.
Ein vielversprechender Auftakt einer neuen Serie, der vermutlich nicht nur in Dänemark begeisterte Leser findet.
Sofia fliegt mit ihrer Mutter nach Spanien, um dort in einer Spezialklinik endlich die richtige Therapie für sie zu erhalten. Immer wieder kann die Mutter ihre Beine nicht spüren, benötigt permanent Hilfe und erwartet von Sofia, genau diese zu liefern. Dr. Gomez‘ Klinik scheint allerdings unkonventionelle Behandlungsmethoden zu haben, was auch ein junger Mann bestätigt, den Sofia beim Schwimmen am Strand kennenlernt. Dieser lebt, ebenso wie die Deutsche Ingrid, sein Leben nach eigenen Maßstäben und lässt sich nichts vorschreiben. In Sofia beginnen die Gedanken sich zu drehen, ist die Krankheit ihrer Mutter nur eine Reaktion auf den Vater, der sie schon vor vielen Jahren verlassen hat? Bindet die Mutter sie so an sich und verhindert, dass sie endlich ihr Leben beginnt?
Ich hatte große Erwartungen an Deborah Levys neuesten Roman. Zum einen konnten mich ihre vorherigen Romane „Was ich nicht wissen will“ und „Heim schwimmen“ vollends überzeugen, zum anderen war „Heiße Milch“ 2016 auf der Shortlist des Man Booker Prize, wo ich normalerweise immer mich ansprechende Literatur finde. Dieses Mal jedoch empfand ich die Geschichte etwas zäh und langatmig.
Aus psychologischer Siecht hat der Roman einiges zu bieten, was interessante Figuren und Konflikte verspricht: die Erkrankung der Mutter, die offenkundig nicht rein physischer Natur ist und maßgeblich die Mutter-Tochter-Beziehung bestimmt. Die junge Frau, die planlos durch ihr Leben irrt und trotz Hochschulabschluss ihren eigenen Weg nicht findet, sich schnell zu extremen hingezogen fühlt, aber doch weitgehend passiv verharrt. Ihr Vater, zu dem sie seit über 10 Jahren keinen Kontakt mehr hat, der ihr als Grieche in England die zweite Sprache verwehrt hat so dass sie zwar einen griechischen Namen trägt, aber offenbar keine Verbindung zu diesem Land hat. Dann noch die Randfigur Ingrid, die Sofia fasziniert, die selbst jedoch auch eine Vorgeschichte hat, die wiederum ihr eigenes Leben maßgeblich prägte.
Die Atmosphäre des Romans ist dauergespannt. Die Figuren haben keine angemessene und lockere Art gefunden, um miteinander umzugehen. Sie beobachten sich, ja taxieren sich geradezu. Dieses Spannungsverhältnis wird zu einem beängstigenden Höhepunkt geführt, der jedoch endlich alles löst. Das Setting – einerseits im krisengeplagten Andalusien, wo die Gebäude wegen der Krise halbfertig verlassen wurden, später bei einem kurzen Intermezzo in Griechenland, wo die Lage sich noch schlimmer darstellt – ist passend gewählt zur Stimmung der Figuren.
Ohne Frage ist vieles in diesem Roman sehr stimmig und interessant, aber der Funke ist bei mir nicht übergesprungen. Ob es allein an der Form als Hörbuch lag, vermag ich nicht zu sagen. Svenja Pages hatte ich bislang nicht als Sprecherin gehört, sie war ein bisschen zu wenig moduliert, aber nicht in dem Maße, dass es sich beim Hören als störend gezeigt hätte.
Es gibt Bücher, die einem von der ersten Seite an faszinieren und in den Bann ziehen. In einem Rutsch liest man sie durch und ist dann traurig, wenn sie zu Ende sind. Dann gibt es welche, bei denen man nach wenigen Seiten schon weiß, dass man sie entweder nie beenden wird oder man sie nur pflichtbewusst halbherzig durchliest und schon drei Seiten weiter vergessen hat, was eigentlich drinne stand. Ach ja, dann sind da noch die irgendwie okayen Bücher, die weder besonders beeindrucken noch unsäglich banal sind, aber sicher keinen bleibenden Eindruck hinterlassen. Und dann ist da Matthias Senkel Roman „Dunkle Zahlen“, bei dem ich mich schon während des Lesens fragte, ob das ein schlechter Witz ist, irgendwie völlig innovativ oder schlichtweg zu hoch für mich.
Worum geht es? Ja, schon allein diese Frage zu beantworten ist nicht ganz einfach. Zum einen erleben wir die Kubanerin Mireya, die 1985 zur Programmierer-Spartakiade kommt. Leider ist der Rest ihrer Nationalmannschaft verschwunden und sie weiß nicht so recht, was sie jetzt tun soll. Dass sie sich allein auf die Suche in Moskau begibt, war so nicht vorgesehen, aber wo eine Gelegenheit da auch eine beherzte junge Frau. Parallel dazu verläuft die Entwicklung der sowjetischen Computertechnik seit den 1950er Jahren. Nicht dass beides stringent chronologisch oder überhaupt logisch erzählt würde, immer wieder überlagern sich die Geschichten, werden unterbrochen, springen hin und her.
Hat man endlich aufgegeben, eine nachvollziehbare Struktur zu suchen, liefert der Autor plötzlich Definitionen über Definitionen für seinen Titel, unter anderem aus der Numerologie, wo die dunklen Zahlen für die finsteren Mächte stehen und mit dem Tod assoziiert werden oder der Computertechnik, wo hinter einer vorgeblichen (abgerundeten) Null doch noch Werte versteckt sind. Ahhhh, sollte sich hinter dem Buch etwa doch ein noch verborgener Sinn verstecken?
Als sei das nicht genug, folgt irgendwann ein Glossar – Mitten im Buch:
KB – Konstruktionsbüro (Kонструкторское бюро)
KGB – Komitee für Staatssicherheit (Комитет государственной безопасности)
KMP – Club junger Programmierer (Клуб молодых программистов)
Aber nicht nur dies, auch Folgendes findet sich:
Wiederkehrende Figuren
Adynatajew, Anton Antonowitsch – Parteisekretär in Wosduchogorsk
Afonja – Barbiergeselle im Hotel Rossija und modebewusster KGB-Mitarbeiter
Akselrod, Maxim Wilenowitsch – Informatiktalent, Reservekader der SBOMOPS
BBajun – mächtiger schwarzer Kater
Letztlich entsteht tatsächlich doch noch so etwas wie ein Gesamtbild: der russische Fortschrittsdrang, die Konkurrenz mit den Amerikanern um die Künstliche Intelligenz. Dass die Spartakiade, die anfangs im Zentrum stand, nur ein Mittel zum Zweck war, verwundert da auch nicht mehr weiter, ebenso wenig die Tatsache, dass beinahe der dritte Weltkrieg ausgelöst worden wäre. Auch die Frage, ob eine Fliege eine Fliege ist oder nicht, wird nebenbei pragmatisch gelöst. Aber ob das alles wahr ist, bleibt letztlich Spekulation, denn die ganze Geschichte ist ja nur eine Rekonstruktion der Literaturmaschine GLM-3.
In russischer Tradition mit großem Repertoire an Figuren, dazu Spionage- und Agententhriller mit Schmuggelei und verschwundenen Personen und Geheimdiensten, einem ganz großen Durchbruch in Richtung Weltherrschaft – es gibt nicht viel, was Matthias Senkel auslässt. Dafür wurde er für den Preis der Leipziger Buchmesse nominiert, die Begründung der Jury lautet: „Anarchisch, ironisch, eine sprachlich schillernde Hommage an den Unernst.“. Das fasst es ziemlich gut zusammen, alternativ würde ich es als Vertreter eines post-sowjetischen Dadaismus bezeichnen.
“A Perfect Universe“ is a collection of ten stories all set in California, yet not the Hollywood California of stars and success, but the part where life is a bit sadder and less full of hopes. It’s about a young man buried under a building which had crumbled, a business woman hated by the other clients in a coffee shop, a relationship which ended and does not provide solace anymore, a woman’s preparation for a big day which ends in a disappointment, a girl hearing voices, a class of men trying to control their emotions and others. Scott O’Connor provides a huge variety of topics, yet all taken right from life. His characters are not the rich and famous, not the especially talented or gifted. It’s the average boy and girl or their grown-up version.
As always in collections of stories, you like some more and others less. I cannot really say why this is the case, since it’s neither due to the topic nor the protagonist that I prefer some. The first one, “Hold On” got me immediately. The man waiting to be rescued, finding comfort and hope in the woman’s voice who is reading out their names, thus signalling them that they are not forgotten but searched for. His anger when the mayor decides to give up and the joy of surviving after all – you could easily feel the emotional rollercoaster Robert went through.
“Interstellar Space” also caught me, but this time there isn’t much hope, it’s a really melancholy story of schizophrenia. Her slowly deteriorating condition is sad to read. She seemed to be bright, joyful and lively and suddenly her mind decides to play tricks on her and have her finished in a hospital, locked-up in her body and the world outside shut out.
One which made me ruminate a bit was “The Plagiarist”. I often wonder if there can be indeed something completely new that can be written or if not rather all has already been said somehow. How can today’s works actually be “original”? There are some plot concepts that you can easily recognize, phrases that have been used again and again – so, what is invented and what is rather copied?
Carol Rifka Brunt – Sag den Wölfen, ich bin zu Hause
Er weiß, dass er nicht mehr lange leben wird; die Krankheit, die er hat, hat zwar inzwischen einen Namen, aber man ist noch weit davon entfernt, ihren tödlichen Verlauf abbremsen oder gar aufhalten zu können. Noch ein letztes Bild will der Maler Finn erschaffen, von seinen beiden geliebten Nichten Greta und June. New York Mitte der 80er Jahre. Dass ihr Onkel sich mit AIDS infiziert hat, weiß June lange Zeit nicht, es ist auch egal, sie liebt ihn abgöttisch. Und wenn sie nicht die Zeit bei ihm verbringt, streift sie durch die Wälder der Vorstadt. Doch mit dem Tod Finns ist da eine Leere, die sie mit nichts füllen kann. Bis sie Nachrichten erhält. Toby, Finns Lebensgefährte, den sie nie kennenlernen durfte, denn ihm geben ihre Eltern die Schuld an Finns Krankheit. Die gemeinsame Trauer verbindet sie und eine zarte Freundschaft im Verborgenen entsteht.
Carol Rifka Brunts Debutroman, der im den USA mit Lobeshymnen überschüttet wurde, ist ein leiser Roman, der die Nuancen der teils widersprüchlichen, teils harten Gefühle im Umgang mit Verlust und Trauer, aber auch mit AIDS in unglaublicher Weise umzusetzen vermag. Auch wenn das Thema Sterben im Vordergrund steht, haucht sie ihren Figuren so viel Leben ein, dass sie authentisch und glaubwürdig wirken und keinerlei Spuren von Stereotypen oder Klischees aufweisen.
Der Umgang mit AIDS war in den 1980ern, als man wenig darüber wusste und lediglich die Bedrohung wahrgenommen hat, alles andere als entspannt. Dies zeichnet die Autorin im Roman überzeugend nach, die Verzweiflung ob der Hilflosigkeit schlägt in Hass und Ablehnung um, was sich alles in der Figur Toby sammelt. Dieser hat gar keine Chance als Mensch wahrgenommen zu werden, zu stark ist die Projektion der Krankheit auf ihn. Erst durch die langsame Annäherung mit June entfaltet er sein Wesen, das von einer unheimlichen Zerbrechlichkeit ist und die Empathie für ihn nur noch verstärkt.
Aber es ist auch ein Coming-of-Age Roman, in dem ein junges Mädchen erwachsen werden, sich von den Eltern lösen muss und gezwungen wird, Position zu beziehen. Der Verlust eines geliebten und nahestehenden Menschen stößt diesen Prozess an, sie ist am Ende nicht mehr das Mädchen, das sich unbekümmert in den Wald in ihre Traumwelt flüchten kann. Innerhalb nur weniger Wochen werden alle Beziehungen auf eine Probe gestellt und sie müssen eine neue Basis finden, auf der sie weiterhin funktionieren können.
Die Autorin hat eine poetische Sprache gefunden, die sowohl zu den Gesprächen über Kunst wie auch zu den Empfindungen in der Natur passt und diese mit vielen Zwischentönen wiedergibt. Dieser leise und feinfühlige Ton gleitet durch die Handlung und unterstreicht die feinsinnige Figurenzeichnung.
Ein rundum gelungener Roman, den man nach dem Lesen nicht einfach weglegt, sondern der noch nachwirkt.
Karl arbeitet seit Jahrzehnten als Journalist in Wien. In der Außenpolitik hat er sich einen Namen gemacht, über den Zusammenfall Jugoslawiens berichtet, ebenso wie über die Kriege im Irak und Afghanistan. Inzwischen ist er, wenn auch nur mäßig zufrieden damit, bei der aktuellen lokalen Tagesberichterstattung und muss dokumentieren, wie seine geliebte Heimat vor die Hunde geht. Kein Politiker hat mehr den Schneid, das auszusprechen, was gesagt gehört. Asylanten überfluten das Land und man erkennt seine eigene Stadt nicht mehr. Aber das denkt er alles nur, schreiben kann man so etwas ja nicht. Zum Glück hat er Sonja, die nicht viel von ihm verlangt, vor allem nicht an ihm rummäkelt und zu einem anderen Mann machen will. Eigentlich könnte er sie heiraten, was er mit seiner ersten Partnerin versäumt hatte. Doch dann kommt alles anders, als Karl es geplant hatte.
Livia Klingl weiß, worüber sie schreibt, als erfahrene und gestandene Journalistin ist sie bestens damit vertraut, wie das Business läuft und dass zwischen dem, was so mancher ihrer Kollegen gerne veröffentlicht hätte, und dem, was dann tatsächlich in der Zeitung zu lesen ist, bisweilen ein großer Graben klafft.
Ihr Protagonist Dr. Karl Schmied ist entsprechend dann auch nicht das, was man von einem angesehenen Reporter erwarten würde. Er sieht nicht die großen Zusammenhänge und kann die aktuellen Entwicklungen einordnen. Er steht nicht über den Dingen und vertritt kein links-intellektuelles Weltbild, das vom Streben nach Weltverbesserung geprägt ist. Ganz im Gegenteil, er ist ein Kleingeist, ein Egoist und ein Mensch, der an einem vergangenen Bild Wiens klebt, das schon längst überholt ist und auch nie mehr wiederkehren wird. Sein innerer Monolog ist geprägt von Banalitäten, die grenzwertig rassistisch sind, von einfachsten Erklärungen und Lösungen, wie man sie am rechten Rand des politischen Spektrums findet. Und von der Abwesenheit jeglicher Reflektiertheit und realistischer Selbsteinschätzung. Er streift die großen Themen, die sowohl Österreich wie auch Deutschland in den letzten 2-3 Jahren bewegt haben und ordnet diese in sein klar und einfach strukturiertes Weltbild ein.
Da dieses auf tönernen Füßen steht, kann es auch recht schnell erschüttert werden. Es beginnt in seinem Privatleben, wo die Frau, die er liebt und ehelichen möchte, sich als eine andere erweist als er dachte. Sein verblendeter Blick auf die Welt hat es ihm verwehrt zu erkennen, mit wem er es eigentlich zu tun hat. Diese Scheuklappensicht fordert nun ihren Preis.
Klingl führt Karl Schmied vor, entlarvt die einfachen Erklärungen und legt damit den Finger in die Wunde, die an der Stelle klafft, wo man so leicht das rechte Gedankengut abqualifiziert, weil es eh nur die Zurückgebliebenen und Dummen anspricht. Ganz im Gegenteil, auch vermeintlich Gebildete sind dafür empfänglich.
Auch wenn der Roman von einem gänzlich unsympathischen Charakter getragen wird, dessen Weltsicht bisweilen heftige Reaktionen bei einem als Leser auslöst, ist er doch durch und durch gelungen, weil er in sich völlig stimmig ist. Hierzu passt auch das überraschende Ende, das sich aber nahtlos in die Figurenzeichnung einfügt. Daneben besticht Livia Klingel mit einer ausgefeilt-pointierten Ausdrucksweise, die einem mehr als einmal schmunzeln lässt. Mal wird über „Menschen mit ohne Intelligenzhintergrund“ gelästert, dann wiederum lässt sie Karl erkennen, dass die Politik auf die Journalisten als Vordenker angewiesen ist und die endlich mal wieder „Altdeutsch“ mit jenen reden sollten, die die hiesige Ordnung nicht verstehen wollen.
Eine literarische Abrechnung mit den Kleingeistern und Ewiggestrigen, die jedoch nicht mit dem Holzhammer plakativ, sondern gelungen subtil erfolgt.
Mai 2011, die ganze Welt starrt auf die Bildschirme, die die Festnahme von Osama bin Laden zeigen. „Kill or capture“ war der Auftrag an das Seals Team 6, das den Auftrag pflichtgemäß erledigte. Aber ist wirklich alles so verlaufen, wie es uns die Nachrichtensender glauben machen? Oder gab es eine kleine Chance für einen anderen Ausgang, bei dem bin Laden überlebte? Leon de Winter konstruiert rund um das Großereignis eine Story über Freundschaft, einen tollkühnen Plan, Lügen und Vertrauen, konkurrierende Geheimdienste und ein junges afghanisches Mädchen, das sich in Bachs Goldberg-Variationen verliebt.
Leon de Winter hat nicht nur basierend auf realen Ereignissen einen rasanten Verschwörungsthriller geschrieben, sondern die Handlung auch geschickt konstruiert als zeitlich versetzte, sich immer wieder unterbrechende Einzelstränge, die nach und nach zusammengeführt werden und immer wieder neue Überraschungen zu bieten haben.
Wir haben die private Geschichte des Ex-CIA Agenten Tom Johnson, der jedes Jahr zum Geburtstag der verstorbenen Tochter bei seiner Ex-Frau anruft. Hat der Tod des Mädchens die beiden auseinandergebracht? Tom ist auch befreundet mit dem Team, das den wichtigsten Auftrag nach 9/11 ausführen soll und hält deren im Spaß entwickelten Plan zunächst für einen Scherz. Stationiert in Afghanistan lernt er Apana kennen, deren Vater für die Amerikaner arbeitet und die bei ihm zum ersten Mal die Goldberg-Variationen hört, die sie verzaubert. Nach dem Tod des Vaters fühlt er sich ihr gegenüber verpflichtet und begibt sich Jahre später auf eine gefährliche Suche nach ihr. Und ein pakistanischer Junge ahnt nicht, dass er im Besitz der wohl global wichtigsten Daten ist und dass dies zu einer realen Bedrohung werden wird.
„Geronimo“ ist beim Diogenes Verlag erschienen und zumindest in deutscher Ausgabe nicht als Hörbuch erhältlich. Umso erfreulicher, dass der NDR ein vierteiliges Hörspiel auf Basis des Romans entwickelt hat, das lebendig wirkt und trotz der komplexen Handlung ein auditiver Genuss ist und in jeder Hinsicht überzeugen kann.