Bregje Hofstede – Der Himmel über Paris

Roman, Rezension, Paris
Schon als er sie zum ersten Mal bei einem Freund Paul sieht, ist es um Olivier geschehen. Diese Ähnlichkeit, nicht zu fassen. Kann Sofie, genannt Fie, die Tochter von Mathilde, seiner Freundin aus jungen Jahren, sein? Als Paul ihn bittet, die junge Studentin, die gerade ein Auslandssemester in Paris verbringt, zu unterstützen, kann er dies schlecht verweigern. Was als Hilfe im Studium der Kunstgeschichte beginnt, entwickelt sich nach und nach zu einer schwer definierbaren Beziehung, die aber immer für beide den Hauch des nicht Erlaubten hat, schließlich ist er ihr Professor, deutlich älter und sie eine junge attraktive Studentin. Als Fie in Not ist, sucht sie Hilfe bei ihm, doch was sie damit auslöst, ist nicht abzusehen.
Ein Roman, der so wundervoll beginnt und dann doch leider in vorhersehbare Banalität abdriftet. Die ersten Begegnungen von Fie und Olivier sind geprägt von großer Unsicherheit, die die Autorin wirklich gelungen in Worte zu fassen schafft. Oliviers plötzlich hochkommende Erinnerungen an die Zeit mit Mathilde, die Schuldgefühle wegen des Kindes, das sie nie bekommen haben, die Zuneigung und Liebe, die er plötzlich wieder spüren kann wie damals. Gleichzeitig Fies Einsamkeit in der Fremde, die Leere und Unsicherheit, die Unmöglichkeit, mit diesen Menschen, die alle gerade die beste Zeit ihres Lebens zu haben scheinen, in Verbindung zu treten. Man kann sich als Leser vor dem Emotionsstrudel der beiden Protagonisten kaum retten. Man spürt, dass sich die Lage verändern, zuspitzen wird. Doch dann verläuft sich der Roman leider in wenig überraschenden Bahnen, die so abgedroschen sind, dass man sie gar nicht wiederholen mag. Leider kann die Autorin keine Überraschungen bieten, sondern bewegt sich auf ausgetreten Pfaden und der Zauber, der zuvor herrscht, löst sich in Luft auf.

Fazit: über weite Strecken lesenswert, berührend, die leicht melancholische Stimmung hervorrufend, die man nur in Paris erleben kann und die dann leider in einem raschen, einfallslosen Ende mündet.

Peter Terrin – Monte Carlo

Roman, Rezension
Jack Preston hat es geschafft. Vom kleinen Mechaniker bis zum Teil des Lotus Teams in der Formel 1. Nur noch Minuten sind es bis zum Start in Monte Carlo 1968. Die Stimmung ist ausgelassen, nicht zuletzt wegen Deedee, dem bewunderten Filmstar, die sich im Fürstentum zu diesem sportlichen Ereignis die Ehre gibt. Doch ein tragisches Ereignis wird sich für immer ins Bewusstsein der Zuschauer brennen: eine Stichflamme über dem Lotus. Jack kann sich geistesgegenwärtig auf Deedee werfen, schwere Verbrennungen sind die Folge für den Techniker, das Filmsternchen kommt ohne Verletzungen davon. Wieder im heimatlichen England wartet Jack auf seine Anerkennung als Retter, doch Deedees Bodyguard ist in aller Munde, er bleibt namenlos, unerkannt. Er glaubt an göttliche Gerechtigkeit, ruft den Allmächtigen an. Als dies nicht hilft, versucht er Kontakt aufzunehmen, ebenfalls ohne Erfolg. Doch es wird noch ein Zeichen kommen, das für vermeintliche Gerechtigkeit sorgt, allerdings nicht so, wie Jack sich das gedacht hat.
Peter Terrins Roman legt viele Deutungen nahe und hat trotz der Kürze von weniger als 200 Seiten eine ungeahnte Tiefe. „Monte Carlo“ – Hauptstadt des Fürstentums an der Côte d’Azur, seit jeher mit Glanz verbunden, mit Träumen vom Prinzessin sein und Grace Kelly, die diesen Traum für sich verwirklichen konnte. Aber in ihr ist auch schon die Spannung angelegt, denn ein jähes Ende wartete auf sie, das auch im Roman, wenn auch auf andere Weise, wiederholt wird. Die Realität lässt nun einmal Träume nicht zu. Die Formel 1, das legendäre Rennen auf dem schmalen Parcours der städtischen Straßen. Sicherlich eine der bekanntesten und legendärsten Rennstrecken, die unzählige Opfer forderte und dadurch nur ihren Reiz erhöhen konnte. Auch bei Terrin fordert das Rennen Opfer, auf und neben der Rennstrecke, im Rampenlicht und abseits im Schatten. Das Jahr 1968, geprägt von großen Veränderungen, vom Aufbrechen alter Ordnungen und zumindest dem Anschein neuer Möglichkeiten.
Große Erwartungen schickt der Autor dem Roman voraus und man wird nicht enttäuscht. Zunächst fängt Terrin die Atmosphäre vor dem Rennen ein. Der Fürstenhof mit den üblichen Ritualen, die Zuschauer zwischen gebanntem Staunen und freudiger Erwartung, die Rennställe mit letzten Handgriffen. Man taucht ein in diese sonderbare Mischung und jeder Moment kann auf seine Weise faszinieren. Terrin schildert Details, vermeintlich unbedeutend und doch mit erheblicher Tragweite, die der Mensch aber noch gar nicht erfassen kann. Danach der Bruch, fernab der Blitzlichter der Weg zurück ins Leben. Die Erwartungen eines einfachen Mannes, der sich immer korrekt verhalten hat und nun ebenso erwartet behandelt zu werden. Das Ausbleiben des Dankes, die fehlende Anerkennung, der langsam aufkommende Spott. Mehr und mehr versinkt Jack Preston in seiner Enttäuschung, die bald zur Wut wird. Seine Welt gerät aus den Fugen, die göttliche Ordnung von Gerechtigkeit ist aus den Fugen geraten und muss korrigiert werden. Man kann diesen Prozess der größer werdenden Verzweiflung förmlich greifen, lange noch ein banges Hoffen, das Ausmalen dessen, was in seiner Vorstellung zwingend geschehen muss; dann die Verzagtheit darüber, dass er von der Welt übergangen und vergessen wird. Das göttliche Korrektiv folgt, doch bleibt auch hier die faire Anerkennung für seine Tat aus. Am Ende ein kurzer Einwurf, die Option auf einen anderen Ausgang, den es jedoch nicht geben wird, weil ein einziger Mensch sich anders entschieden hat, nicht wissend, was dadurch hätte ausgelöst werden können. Der Schlag des Schmetterlings der den Lauf der Dinge hätte verändern können – er bleibt aus.

Es sind nicht die großen Themen, die suggeriert werden, sondern der Seelenzustand des kleinen Mannes, der diesen Roman trägt und ihm die Tiefe verleiht. Zahlreiche Anspielungen lehnen den Roman an die Realität an, er bleibt jedoch fiktiv und lässt uns so mit der Frage zurück, welchen Einfluss wir auf das haben, was in unserem Leben geschieht und wo andere Kräfte walten und wir nur tatenlose Zuschauer im eigenen Leben bleiben können. 

Ein herzlicher Dank geht an den Berlin Verlag für das Rezensionsexemplar. Weitere Informationen zum Titel finden sich auf der Verlagsseite.

Gustaaf Peek – Göttin und Held

Rezension, Roman, Niederlande
Eine Frau ist gestorben, nur eine kleine Gemeinde nimmt Abschied. Tessa ist tot. Doch der Blick geht zurück auf das Leben, das dem Tod vorausging. Ihre Liebe zu Marius. War es Liebe oder doch mehr ein unbändiges Verlangen? Hat er sie verehrt oder nur begehrt? Immer wieder in ihrem Leben sind sie sich begegnet, er, der Journalist, und sie, die Autorin. Doch sie hatten auch andere Partner, Tessa sogar einen Sohn, aber diese konnten nicht die Verbindung zwischen beiden zerschneiden, eine Liebe oder eher eine Leidenschaft, die schon ganz früh begonnen und im Laufe ihrer beiden Leben unterschiedliche Formen angenommen hat.
Gustaaf Peeks Roman irritiert den Leser zunächst, beginnt er mit dem Tod der Protagonistin. Auch der männliche Hauptcharakter findet schon bald ein eher unschönes Dahinscheiden. Die umgekehrte Chronologie ist gewöhnungsbedürftig und ich bin mir nicht sicher, ob sie der Geschichte zuträglich ist. Manche Figuren tauchen erst spät im Leben Tessas auf und verschwinden daher, wenn man von der Zeit davor erfährt. Manches bleibt diffus, wie ihre Beziehung zu Paul, um die es zwar nur peripher geht, die aber durchaus interessant hätte sein können. Alles dreht sich immer wieder um Tessas und Marius‘ Beziehung, die unterschiedliche Formen annimmt und in unzählige Varianten erzählt wird. Überrascht hat mich die Deutlichkeit und Explizitheit mit der Peek die Begegnungen der beiden schildert, bisweilen fand ich die explizite Wortwahl etwas verstörend, aber vielleicht passt genau dies zu den beiden Figuren und ihrer Liebe: sie ist oftmals nicht romantisch-verspielt, sondern animalisch und von der Lust geleitet. Sie entdecken nicht die Tiefen ihrer Seelen, sondern die Spielarten ihrer Körper. Die Chronologie der Ereignisse wird umgekehrt und so kann man vom Niedergang zum Anfang der Beziehung, zum ersten scheuen Blick, der endlos viele Möglichkeiten eröffnet, eine ungewöhnliche Reise antreten.

Für mich ein nicht einfach zu fassender Roman. Gewagt die Erzählweise, die viel vom Leser verlangt und sicher aufgrund der ungewöhnlichen Art im Gedächtnis bleibt. Die Ausdrucksweise für meinen Geschmack mutig und oftmals nah am Obszönen. Die Liebe der beiden Protagonisten unkonventionell, denn nicht die Seelenverwandtschaft, die häufig in der Literatur ihren Platz findet, sondern die physische Anziehung bestimmt den Takt. Auf vielerlei Ebenen ein etwas anderer Roman. 
Herzlichen Dank an das Bloggerportal für das Rezensionsexemplar. Mehr Informationen zum Titel finden sich auf der Seite der Verlagsgruppe Random House.

Lot Vekemans – Ein Brautkleid aus Warschau

Roman, Rezension
Marlena findet in Natan, einem amerikanischen Touristen, die Liebe ihres Lebens. Endlich erscheint die Möglichkeit vor dem polnischen Dorfleben und ihrer Familie zu flüchten greifbar. Doch plötzlich reist Natan nach Hause und lässt nichts mehr von sich hören – und Marlena ist schwanger. Verzweifelt und ratlos gerät sie an eine Heiratsvermittlung, die sie zu dem holländischen Bauern Andries führt, mit dem sie fortan ein bescheidenes und ruhiges Leben führt. Andries sieht in Stan seinen eigenen Sohn und alles könnte gut werden. Doch als Marlenas Mutter im Sterben liegt, kehrt sie mit dem Jungen zurück und erfährt dort, dass Jahre zuvor nicht alles so war, wie sie dachte.
Lot Vekemans Roman taucht ab in die Tiefen der Psyche und der Traurigkeit. Keine der Figuren ist glücklich. Niemandem schenkt das Leben etwas. Alle schaden bewusst oder unbewusst den anderen und laden Schuld auf sich. Nacheinander erhalten wir drei Sichtweisen auf die Handlung, zunächst die junge Marlena, gefangen in der polnischen Tradition und blind vor Liebe; Andries verzweifelt wegen Marlenas und Stans Flucht und ebenfalls gefangen in der holländischen Familientradition; Szymon, ein Leben lang unter seiner Mutter leidend, auch als diese schon tot ist, und nie da ankommend, wo er hin möchte. Alle drei Leben sind geprägt durch Zwang von außen und fehlende Freiheit – aber auch fehlenden Mut, den sie erst sehr spät aufbringen.

Der Roman geht tief ans Eingemacht, die Emotionen sind oft schwer zu ertragen, vor allem, weil wir als Leser nur mit den Figuren leiden können. Dennoch wirken die Handlung und die Figuren authentisch und ihr Leben wir glaubwürdig eingefangen.