Daniel Kehlmann – F (Hörbuch)

Lange erwartet und in allen Feuilletons besprochen war ich neugierig – auch wenn ich von Kehlmann nicht unbedingt überzeugt bin. Nun also das mysteriöse „F“.

Drei Brüder stehen im Zentrum, jeder mit seinem eigenen Schicksal hardernd und unzufrieden. Sie erinnern sich an den ersten Nachmittag, als sie beim Hypnotiseur waren und der ihr Leben veränderte. Martin, der etwas ältere Halbbruder und die Zwillinge Iwan und Eric begleiten ihren Vater Arthur, der sich zunächst sicher ist, dass man ihn nicht hypnotisieren könne. Doch dies erweist sich als falsch und kurz darauf beginnt er ein neues Leben. Aus dem erfolglosen Schreiberling wird ein berühmter Autor – samt Selbstmordwelle als Reaktion auf sein Buch. Die Jungen schlagen unterschiedliche Wege im Leben ohne Vater ein. Iwan wird Maler, erkennt aber bald sein beschränktes Talent und kommt als Biograph doch noch zu Ruhm. Eric ist zunächst erfolgreicher Finanzverwalter, bis ihn die Wirtschaftskrise einholt. Und Martin wird Priester – obwohl er nicht an Gott glaubt. Das Fatum hat für alle einen Weg vorgesehen, glücklich sein war wohl nicht im Programm.

Burghart Klaußner liest das Buch mit einer angenehmen, unterhaltsamen Stimme. Das macht den bisweilen abstrusen, pseudo-intellektuellen Inhalt deutlich erträglicher. Viele Seitenstränge, Verwicklungen, Wiederholungen und Perspektivenwechsel strengen an und lassen es an Stringenz mangeln. Leider lässt einem das Buch ratlos zurück, verkorkste Lebensläufe, Fälschung und Betrug gibt es überall. Dass alles letztlich vom Zufall bestimmt sein soll, ist doch ein wenig zu einseitig, die Figuren geben sich hin, ohne Willen und Bemühung, an ihrem persönlichen Schicksal etwas zu ändern.

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Val McDermid – Der Verrat

Stephanie steht mit dem kleinen Jimmy an der Sicherheitskontrolle eines amerikanischen Flughafens. Da sie sich noch einen weiteren Check unterziehen muss, lässt sie Jimmy kurz allein und muss hilflos mit ansehen, wie dieser entführt wird. Das Personal will ihr nicht glauben und nimmt sie stattdessen fest. Wertvolle Minuten vergehen, bis man realisiert, dass Stephanie die Wahrheit sagt und der Entführer über alle Berge ist. Doch wer steckt dahinter? Eine langwierige Suche in der Vergangenheit des Jungen beginnt und Stephanie erzählt die Geschichte seiner Eltern. Als Ghostwriterin der Mutter ist sie prädestiniert über das aufregende Doppelleben von Scarlett Higgins zu berichten, einem britischen Reality-Show-Star, die alle Stufen der Berühmtheit durchlaufen hat und in Wahrheit so gar nicht dem öffentlichen Bild entsprach.
Das Buch beginnt mit einem nervenaufreibenden Paukenschlag. Für Thrillerfreunde wird es dann im Laufe der Lebensgeschichte sicherlich etwas langweilig, ich fand es faszinierend, darüber zu lesen. Der Text gleitet geradezu dahin und man taucht immer mehr in das Leben von Scarlett ein. Erst die letzten 150 Seiten sind wieder näher am Entführungsfall mit falschen Fährten und einem unerwarteten, für mich etwas zu dick aufgetragenen Ende. Dies war definitiv der schwächste Abschnitt eines sehr gelungenen Romans. Eine tolle Erzählerin, die en détail ohne langatmig zu werden, eine Vita darlegt.

Sehr gute Unterhaltung, wenn auch nicht durchgängig mit absoluter Hochspannung.

Turhan Boydak – Der Troja Code

Ein Altertumsforscher wird ermordet, weder Spuren des Täters noch ein Motiv sind zu finden. Helena, seine Tochter, sieht zunächst auch keine Verbindung zur aktuellen Forschung ihres Vater, bei der er scheinbar endlich den Beleg für eine gewagte These gefunden hat. Eine Reise in die Türkei, um Abstand von den Ereignissen in München zu gewinnen, treiben sie in die Hände einer Verschwörung und je näher sie dem Rätsel ihres Vaters kommt, desto mehr hängt ihr Leben am seidenen Faden. Nicht jedem ist es Recht, wenn die europäische Geschichte umgeschrieben werden und die kulturellen Hochkulturen neu bestimmt werden müssen. Aber endlich acheint die Zeit reif zu sein, eines der größten Geheimnisse der Menschheit zu lösen: was hatte es mit Troja wirklich auf sich.

Der Thriller ist eine gelungene Mischung zwischen Historie, Mythos, Action und wundervollen Landschaftsbeschreibungen. Im akademischen Milieu angesiedelt fordert er den Leser intellektuell heraus, unterhält aber gleichzeitig durch Hochspannung und gelungene Figurenzeichnung. Bisweilige Längen bei den historischen Erläuterungen kann man im Hinblick auf Leser mit weniger Vorwissen verzeihen. Die Einbettung in aktuelle politische Strömungen und Interessen, deren Mechanismen wie ich hoffe etwas überspitzt dargestellt sind, machen einen weiteren Reiz aus. 
Unterhaltend geschrieben, in sich logisch überzeugend hatte ich ein paar sehr spannende Stunden beim Lesen. Ohne Einschränkung empfehlenswert.

Francois Lelord – Le voyage d’Hector

Hector, französischer Psychiater, fragt sich, weshalb seine Klienten, die eigentlich ein gutes und erfülltes Leben führen, nicht glücklich sind. Er begibt sich auf Weltreise, um dem Mysterium Glück auf den Grund zu gehen. In Asien trifft er Mönche und Arbeiterinnen, in Afrika bettelnde Kinder, eine totkranke Frau und Diebesbanden, in Amerika einen Professor – diese und viele andere Begegnungen tragen zu einer Sammlung an Faktoren bei, die einen Menschen glücklich machen. Es sind keine hichtrabenden Weisheiten, sondern vielmehr Kleinihkeiten des Alltags, die leider in der ziviliserten Welt schnell untergehen und die dazu führen, dass wir nicht mehr erkennen, was wir haben.

Lelords erfolgreicher Roman bedient sich bekannter Prinzipien und ist an Märchenerzählungen angelehnt. Der naive Protagonist, der die Welt mit den Augen eines Kindes erfassen will, Komplexität reduziert und manche Dinge blumig umschreibt reist um die Welt und trifft genau die richtigen Menschen, die ihm bei seiner Auggabe helfen. Mich erinnert er sowohl an den kleinen Prinzen wie auch an Candide, kann jedoch an beide nicht heranreichen, dafür fehlt mir die Finesse. Bisweilen finde ichdie Vereinfachungen auch zu banal und fast ärgerlich, immer streift er wichtige Themen wie Zwangsprostitution oder Kolonialismus, die für mich in der Darstellung ein wenig zu sehr verharmlost und gelöst werden. Nichtsdestotrotz führt er uns vor, was wir oftmals nicht sehen und hat so durchaus für die Leser eine lebensnahe und nützliche Message.

Jamie Freveletti – Emmas Angst

Bei einer nächtlichen Tour gerät Emma in die Hände mexikanischer Drogenkartelle. Als Chemikerin soll sie ihnen helfen und eine unerklärliche Erkrankung der Arbeiter behandeln. Sie ist zunächst ratlos, aber die schnell voranschreitende Seuche wird immer mehr zum Problem. In einem US Labor – via Drogentransport – soll sie forschen und gerät somit vollends zwischen die Fronten. Doch die größte Gefahr steckt in dem mutierten Erreger.

Frevelettis Thriller ist recht rasant mit vielen Wendungen, aber leider völlig unglaubwürdig. Auch wenn ich den Drogenbossen einiges zutraue, die Macht hat doch Grenzen und die übermenschlichen Fähigkeiten und das schier grenzenlose Wissen der Protagonistin verleiten auch eher zum Kopf schütteln. Verfilmt sicher reich an Stunt- und Schießereiszenen, als Buch eher flach

Jussi Adler-Olsen – "Das Alphabethaus"

In den Wirren des zweiten Weltkrieges werden zwei englische Piloten über Deutschland abgeschossen. Zunächst gelingt ihnen die Flucht, ein langsam fahrender Zug mit Verletzten scheint ihre Rettung. Sie nehmen die Identität zweier Offiziere an und lassen sich in ein psychiatrisches Krankenhaus in Süddeutschland transportieren. Qualvolle Behandlungen müssen sie durchstehen, doch noch schlimmer sind die Quälereien durch die anderen Simulanten, die Bryan und James das Leben in der Fremde zur Hölle machen. Bryan gelingt schließlich die Flucht und er kann sich in der Heimat eine neue Existenz aufbauen. Doch die Suche nach James lässt ihm keine Ruhe. Fast 30 Jahre nach Ende des Krieges ist es endlich so weit: er erfährt, was sich nach seiner Flucht zugetragen hat und wie gemütlich es sich die Peiniger von damals eingerichtet haben. Es ist Zeit, um Rache zu nehmen.

Adler-Olsens Roman ist ungewöhnlich, wenn man die Carls Morck Reihe kennt. Sein Erstlingswerk steht des großen Erfolgen jedoch in nichts nach, sondern schafft es eine spannende Geschichte eingebettet in die Kriegswirren zu schaffen, die den Leser mitreißt. Mich ahben vor allem die Szenen im Lazarett überzeugt, von Grausamkeit kaum zu überbieten und vermutlich erschreckend realistisch. Das dramaturgische Schwenken zwischen den Figuren und ihrem Leiden, ermöglich eine multiperspektivische Betrachtung und steigert die Spannung. Erst gegen Ende beim großen Showdown war mir die Geschichte ein wenig überzogen, aber alles in allem hervorragende, hochspannende Unterhaltung.

*****/5

Christian Schünemann/Jelena Volic – "Kornblumenblau"

In Belgrad werden zwei Soldaten tot auf einem Kasernengelände aufgefunden. Angeblich Selbstmord, doch die geheimen Untersuchungen legen eher den Verdacht auf Mord nah. Sie haben offenbar etwas beobachtet, das sie nicht sehen sollten. Hat das Datum – Jahrestag des Massakers in Srebrenica – eine Rolle gespielt? Milena Lukic beginnt zu ermitteln und versinkt im Sumpf der Wirren zu Ende des 20. Jahrhunderts.

Leider uieht sich „Kornblumenblau“. Die Grundidee ist gut und spannend, aber die Handlung schleppt sich dahin, bleibt zum Teil wirr – was daran liegen kann, dass mir Details der Balkanproblematik nicht geläufig sind und ich die vielen Minderheiten schwer zuordnen kann. Für mich zum Teil zu holprig, um wirklich zu überzeugen und am Ende völlig abgehackt.
2,5/5

Kerstin Gier – Ein unmoralisches Sonderangebot

Ein alter Herr mit zu viel Zeit und Geld, drei Kinder samt Partner und ein unmoralisches Angebot: für sechs Monate Partnertausch gibt es jeweils eine Million pro Paar. Haken: die Eheleute dürfen sich nach 18 Uhr nicht sehen und werden überwacht. Das Geld lockt und somit tauscht die Protagonistin ihren Mann gegen seinen Bruder. Das Unheil nimmt seinen Lauf und bald schon erkennen alle, dass sie im Leben doch die eine oder andere Fehlentschiedung getroffen haben.

Was ganz witzig angelegt ist, wird zur Qual des Leser. Hauptfigur Olivia ist nicht mit einem Funken Intelligenz gesegnet und trägtihre Dummheit uch noch stolz vor sich her. Das an sich nervt schon extrem, aber die plakative einfallslose Zeichnung der anderen Figuren steht ihr in nichts nach. Hinzu kommt, dass sie sich an den typischen Themen der Frauenzeitschriften ab: wie kann man aich wieder in eine 38 hungern (sic!), Gartengestaltung und zur Krönung kommt dann eine Diskussion über geeignete Dekoelemente (an der sich auch männliche Figuren beteiligen, was das ganze dann völlig ad absurdum führt). Ein gesammelter Haufen Mist gespickt mit unsäglich dummen Dialogen. Einen runden Schluss findet das Buch in eine schlampigen Lektorat, ein wahres Sammelsurium an kryptischen Satzfragmenten. Bei diesem Buch stellt sich mir die Frage, ob ich das Grundprinzip ein begonnenes Buch auch zu beenden nicht doch gelegentlich überdenken sollte.

Zoe Beck – Wenn es dämmert

Mina Williams, erfolgreiche Schriftstellerin, wird mit Erinnerungslücken in einem fremden Haus wach. Irgendetwas stimmt nicht mit ihr und dass sie keine Kleider trägt, macht die Sache nicht besser. Nach einem Bad taumelt sie durch das Haus und findet die Leiche von matt, mit dem sie den Abend zuvor verbracht hat. Für die Polizei ist sie die Hauptverdächtige und weitere Indizien sprechen gegen sie. Lediglich der introvertierte Cedric schenkt ihr glauben und beginnt mit ihr einen Kampf gegen das organisierte Verbrechen, das in beste schottische kreise hinein vernetzt ist.

Zoe Becks Thriller bietet eine spannende Geschichte, deren Zusammenhänge sich erst spät entfalten und das ganze Ausmaß der Verstrickungen offen legt. Man fiebert mit der hilflosen Protagonistin mit und wartet sehnsüchtig auf Erlösung aus diesem Alptraum – doch die lässt den Leser sehr lange warten und spannt ihn bis zum Ende auf die Folter. Unterhaltsam, überzeugend, ein guter Thriller für zwischendurch.

****/5

Tana French – Grabesgrün

Ein Mädchen wird ermordet am rande einer Ausgrabungsstätte in Irland gefunden. Cassie Maddox und Rob Ryan ermitteln, doch schnell stehen die beiden Ermittler vor einem Dilemma: Rob war Zeuge als seine beiden besten Freunde verschwanden, in unmittelbarer Nähe der aktuellen Fundstelle. Es scheint gewisse Parallelen zwischen den Fällen zu geben, doch weil sie gut vorankommen, behalten sie dies für sich und fahren mit der Arbeit fort. Rob will sich der Vergangenheit dennoch stellen, seine Erinnerungen sind verschüttet, und wie durch Zufall, stößt er auf die Spur des Täters. Der Fall scheint gelöst, doch dann entwickelt er erst richtig sein Potenzial und verlangt den Ermittlern alles ab.

Das Hörbuch entwickelt in den 7 Stunden 30 einen ungewöhnlichen Fall, der nicht alles löst und sich zum teil mit Andeutungen zufrieden gibt. Auch kommt es zu keiner befriedigenden Lösung, die sich der Hörer oder Leser wünscht, aber die Realität ist grausam und nicht immer fair. Unterhaltsam und spannend, wenn auch nicht der sensationelle Wurf.

****/5