Als Quinn eines morgens in das Zimmer ihrer Mitbewohnerin Esther kommt, findet sie den Raum verwaist, das Fenster aber weit geöffnet. Sie wundert sich, ist jedoch noch nicht direkt beunruhigt. Als sie dann jedoch einen seltsamen Brief findet, aus Esthers Unterlagen entnehmen kann, dass diese ihren Namen ändern wollte und offenbar eine Anzeige für eine neue Mitbewohnerin geschaltet hat, fragt Quinn sich jedoch schon, wie gut sie Esther tatsächlich kannte. Sie beginnt tiefer zu forschen und mit jeder neuen Entdeckung steigert sich Quinns Angst, dass Esther etwas Schlimmes zugestoßen sein könnte oder diese selbst etwas Schlimmes plant. Aber nicht nur Ester ist in Gefahr, mit ihren Fragen gefährdet Quinn sich selbst ebenfalls.
Mary Kubicas neuester Thriller spielt mit der Frage, was wir vor anderen verheimlichen und wieviel wir bereit sind, über uns selbst preiszugeben, was unwillkürlich irgendwann zu notwendigen Offenbarungen führen muss. Die Hauptgeschichte um Quinn, die versucht die Geheimnisse ihrer Mitbewohnerin zu ergründen dient hierbei als geschicktes Mittel, um immer wieder Verunsicherung zu schaffen und die Protagonistin nackter Angst auszusetzen. Parallel dazu verläuft ein zweiter Handlungsstrang, dessen Funktion sich jedoch erst spät erschließt. Zunächst scheinen die beiden völlig unverbunden und auch im Ansatz völlig verschieden, denn im ländlichen Michigan hadert ein junger Mann mit dem Schicksal seiner Familienkonstellation, was eher traurige denn spannende Momente bietet.
Interessanterweise wird das Buch in Deutschland unter dem Label „Thriller“ vermarktet, im englischsprachigen Raum jedoch als „novel“ klassifiziert. Die Ausgangsfrage um das Schicksal Esthers und die Erklärung für all die Mosaiksteinchen ihres Lebens bieten durchaus eine gewisse Spannung und können das Buch tragen, ein besonders hoher Psychothrill war für mich jedoch nicht zu erkennen. Das qualifiziert das Buch in keiner Weise ab, es ist unterhaltsam zu lesen und man fiebert schon mit der Protagonistin mit, jedoch werden hier gegebenenfalls durch die Zuordnung Erwartungen geweckt, die der Roman für mein Empfinden nicht halten kann.
Alles in allem, für mich ein kurzweiliger Roman, der eher auf Spannung als auf tiefere Charakterstudien setzt und damit auch durchaus fesseln kann.
Es soll nur eine Woche erholsamer Urlaub an der Côte d’Azur werden. Der Autor Jozef, seine Ehefrau und Journalistin Isabel sowie deren 14-jährige Tochter Nina. Das Haus teilen sie sich mit ihren Freunden Laura und Mitchell. Schon bei der Ankunft droht Ungemach, im Pool treibt ein scheinbar lebloser Körper, der sich jedoch dann als ausgesprochen lebendige junge Frau herausstellt. Aus einem später nicht mehr nachvollziehbaren Impuls heraus lädt Isabel Kitty Finch ein, das noch freie Schlafzimmer zu nutzen. Isabel ahnt, dass dies der letzte Tropfen ist, der ihrer Ehe noch fehlt, um sie endgültig scheitern zu lassen. An allen Krisenherden der Welt ist sie präsent, während zu Hause ihr Mann das Bett mit anderen Frauen teilt und sich ihre Tochter zunehmend entfremdet. Ihre Freundin Laura ist ihr in diesem Moment auch keine Hilfe, steht diese ebenfalls vor einem Scherbenhaufen: das gemeinsame Geschäft ist pleite und sie und Mitch werden ihr Haus veräußern müssen. Keine guten Voraussetzungen für erholsame Ferien.
Deborah Levys Roman hat es 2012 bis auf die Short List des Man Booker Prize geschafft und wurde allseits für seine präzise Zeichnung von Figuren gelobt, die allesamt vom Leben enttäuscht oder frustriert sind und in eine ungewisse Zukunft blicken. Insbesondere Isabel wird sich der fragilen Lage bewusst, in der sie sich innerhalb des Familiengefüges und des Londoner Zuhauses befindet:
„In ihrem Haus in London war sie eine Art Gespenst. Wenn sie aus irgendeinem Kriegsgebiet zurückkehrte und feststellte, dass in ihrer Abwesenheit die Schuhcreme oder die Glühbirnen einen neuen Aufbewahrungsort erhalten hatten, in der Nähe, aber eben nicht genau dort, wo sie sonst immer gewesen waren, dann wurde ihr klar, dass auch sie keinen festen Platz im Haus der Familie hatte.”
Das Idyll der Kleinfamilie existiert nicht mehr. Vielleicht hat es dieses nie gegeben, trotzdem scheint die Verbindung zwischen ihr und Joe nicht gänzlich abgerissen, wie Tochter Nina erstaunt feststellt. Die kleinen Veränderungen sind es, die die Figuren letztlich völlig aus der Bahn werfen. Nachdem Joe – wie von Isabel schon zu Beginn prophezeit – mit Kitty geschlafen hat, stellt er fest:
„Alles war wie vorher, nur ein klein wenig anders.”
Dass dieses „klein wenig“ aber genau das ist, was ihm bislang an Mut gefehlt hat, wird erst einen Moment später klar. Deborah Levy benötigt nicht viele, ausschweifende Worte, um das Unglück ihrer Figuren auf den Punkt zu bringen und entwickelt so einen sehr eingängigen, eigenen Stil.
Ein kurzer Roman, in der Sommerhitze der Mittelmeerküste angesiedelt und somit perfekt für heiße Tage. Ein wenig hat er mich an Ali Smith „The Accidental“ erinnert, der mit einem ähnlichen Grundszenario spielt und bereits 2005 bis auf die Short List des Man Booker Prize vorgedrungen war.
„Le bébé est mort. Il a suffi de quelques secondes. “ – Mit der Ankündigung des Todes des Babys beginnt Leïla Slimanis Roman „Chanson douce“. Doch wie kam es dazu? Myriam und Paul Massé sind jung, erfolgreich und die perfekte Familie mit der kleinen Mila und Baby Adam. Doch Myriam fühlt sich zunehmend falsch in der Rolle als Hausfrau und Mutter und als sie einen ehemaligen Studienkollegen trifft, der sie an ihre Karriere Anwältin erinnert, ist die Entscheidung schnell getroffen: eine Nanny muss her. Nach einem langen Casting entscheiden sie sich für Louise, die sofort die Herzen der ganzen Familie erobert. Sie kann nicht nur die trotzige Mila bändigen, sondern geht auch ganz in der Haushaltsarbeit auf und bald schon erstrahlt die Pariser Wohnung in ungeahntem Glanz. Immer abhängiger werden die vier von der resoluten und gutmütigen Frau; Myriam arbeitete mehr und mehr und auch Paul sehnt sich nach dem Leben vor den Kindern zurück und verbringt zunehmend mehr Zeit in seinem Tonstudio. Aber Louise hatte auch ein Leben vor den Massés und obwohl sie immer mehr in die Familie hineinwächst und dort praktisch einzieht, holt sie dieses Leben langsam wieder ein.
Leïla Slimanis Roman wurde mit zahlreichen Preisen geehrt, unter anderem dem Prix Goncourt 2016. Auch wenn ein Mord geschieht, handelt es sich nicht um einen Krimi, wirkliche Spannung wird auch nicht aufgebaut, eher ungute Ahnung. In Form der Analepse erzählt – immerhin weiß man vom ersten Satz an, dass die Kinder die Erzählung nicht überleben werden – nähert man sich langsam diesem Ereignis. Während die Handlung um den Haushalt Massé chronologisch voranschreitet, erfährt über Rückblenden von Louises Leben vor der Anstellung dort: ihr Mann, ein Taugenichts, der sein Leben mit Klagen verbrachte; ihre Tochter Stéphanie, die viel zu früh kam und unter den unsäglichen Verhältnissen stumm litt; die Vermieter und Arbeitgeber, die Louise systematisch schikanierten.
Der Roman lebt von den Figuren, vor allem die zwei Protagonistinnen symbolisieren hervorragend die Tragik der modernen Frau: Myriam, zerrissen zwischen Anspruch und Wirklichkeit, zwischen dem Wunsch eine gute Mutter zu sein und dem Verlangen nach beruflicher Selbstverwirklichung und Anerkennung. Das schlechte Gewissen als ständiger Begleiter, sowohl gegenüber den Kindern wie auch gegenüber ihrer Arbeit und den Klienten. Es scheint keinen wirklichen Zwischenweg zu geben und trotz aller Emanzipation bleibt der Ehemann und Vater bei dieser Problematik außen vor. Louise hingegen ist gefangen in den typischen Geringverdienerjobs als Pflegerin oder Kindermädchen, die ihr nie einen finanziellen Ausstieg aus der Misere ermöglichen. Dazu die Abhängigkeit von einem Mann, der nichts zum Haushalt beiträgt und sie in sein Unglück mit hineinzieht. Für kurze Zeit können die beiden Frauen sich der Illusion hingeben, ihrem Schicksal zu entkommen und die ausgelassene Freiheit von Bürden zu leben, doch dann werden sie von der Realität eingeholt, die brutal zuschlägt und den Moment der Glückseligkeit zerschlägt.
„Chanson douce“ ist erst der zweite Roman der Franco-Marokkanerin und lässt die Erwartungen für weitere Bücher der Autorin hoch steigen.
Francis Durbridge – Paul Temple and the Conrad Case
Betty, Tochter des englischen Arztes Dr. Conrad verschwindet spurlos aus ihrem bayerischen Internat. Die örtliche Polizei kommt mit den Ermittlungen nicht weiter und bittet Scotland Yard und Paul Temple, sie zu unterstützen. Zunächst unwillig nimmt der Privatdetektiv mit seiner Frau Steve sich des Falls an. Im Zimmer des Mädchens entdecken sie ein seltsames Cocktailstäbchen, das ihnen noch häufiger begegnen wird. Die erste Spur führt zu dem Autor Elliot France, der häufiger Gast im Internat war und scheinbar Mädchen zu sich nach Hause einlud. Auch der englische Banker Denis Harper, mit dem Betty befreundet war, verhält sich eher verdächtig, ebenso wie das Personal einer Schneiderei, bei der Betty scheinbar einen Mantel in Auftrag gegeben hatte. Nachdem Betty plötzlich in London wieder auftaucht, scheint der Fall gelöst, doch ein Mord in Bayern und wiederholte Anschläge auf Paul und Steve lassen die beiden den Fall nicht beiseitelegen.
Das Hörspiel 1959 für die BBC als Serie produziert ist bereits der 19. Fall für das britische Ermittlerehepaar. Eigentlich ist Paul Temple Schriftsteller, der die Ermittlungen als Inspiration für seine Romane nutzen möchte, findet aber gefallen an der Detektivarbeit und kann etwas unkonventioneller als Scotland Yard arbeiten.
Der Fall Conrad ist bezogen auf Aufbau und Lösung ein typischer Paul Temple Fall, nur dieses Mal mit Ausflug nach Bayern und Österreich. Leider hatte man offenbar keine deutschen Sprecher, so dass alle Figuren lupenreines britisches Englisch sprechen, was ich etwas schade für die Atmosphäre fand. Der Fall selbst bietet einige unerwartete Wendungen, die jedoch für mich nicht ganz logisch in ihrer Auflösung erscheinen, was vor allem darauf zurückzuführen ist, dass Paul Temple auch Ermittlungen unternimmt, von denen man als Hörer nichts weiß und die nur gegen Ende etwas plötzlich berichtet werden. In der Reihe nicht unbedingt der spannendste Fall, aber durchaus unterhaltsam.
Reza Courdee is living the typical teenage life in California. He has got his friends with whom he likes to spend time surfing in the ocean and haging around at the beach and he also has his first crush and makes first sexual experiences. He plays soccer and he is highly achieving in school. Yet, with his new bunch of friends, he neglects his former interests and spends more time consuming drugs and doing nothing which does not really agree with his parents’ – immigrants from Iran – expectations for their son. However, one day, his life starts to change: Reza, born in the USA, is suddenly the immigrant, a terrorist and his friends start to question their friendship. He becomes more and more isolated and thus joins a group of Muslims who find relief and support in the local mosque. Most of all Fatima is attracted by the strong believers and the hip American girl, who easily shared her bed with Reza, starts not only wearing a hijab but also following the strict rules of Koran.
I really liked how Laleh Khadivi elaborates the topic of finding your identity on different levels. In the beginning, we seem to encounter the average teenager who does not share his parents’ beliefs and finds his ideas much more mirrored in his peer group. A slight disdain for the elder generation is not uncommon at this age. The fact that his Americanizes his name “Reza” into “Rez” also shows that it is this culture and not his familial background that he identifies with. I also found quite remarkable how the parents cope with their own immigration history and their culture. They eat in the old Iranian style, but try to integrate into the American culture since they are grateful for the lives they can lead there. They do not seem to convey that much of their past to their son. This only happens after Rez is identified as an immigrant, which he apparently is not since he was born in California. His interest in his family life is only born at the moment when he is excluded from the culture he always considered to be his own. His drifting away from the parents now leads to a new rapprochement in order to create the new self and to identify who he is and where he comes from. The most thought-provoking step in this development is definitely the encounter with Islam. As a reader you can effortlessly understand why this is attractive and how and why radicals do not have any problems winning over second or third generation immigrants for their ideas. It is absolutely convincing why Fatima and the others are magnetized and easy comply with the codes.
Yet, it is not only the immigrants’ perspective which is worth scrutinizing in this novel, it is also the behaviour of the “native” population which should be taken into account. When did we start seeing our friends and acquaintances not anymore as whom they are but as “Muslims” or “immigrants”? Which effects do global and local acts of terrorism have on our own life? And to what extent to be transfer personal pain due to the loss of a beloved person onto others who are not at all connected with the incident which caused our grief?
If you are open, as a reader, to question yourself, you will surely find food for thought in this novel.
Pierre Martin – Madame le Commissaire und der verschwundene Engländer
Nachdem sie schwerverletzt einen Einsatz überlebt hat, fährt Isabelle Bonnet ins beschauliche Fragolin im Hinterland der Côte d’Azur. Dort hofft sie nicht nur auf Entspannung, sondern auch auf Klärung der Umstände des Unfalls, bei dem ihre Eltern einst ums Leben kamen. Doch ein Mord an einer jungen Frau und das Abtauchen des englischen Hausbesitzers erfordern ihre Unterstützung. Als Assistenten erhält sie den kauzigen Apollinaire, der jahrelang ins Archiv der Polizei verbannt war. Zusammen richten sie ihr provisorisches Büro ein und ermitteln in der verschworenen Dorfgemeinschaft. Daneben bleibt jedoch noch ausreichend Zeit, um private Angelegenheiten zu verfolgen und ungewollt lernt Isabelle auch die Männer der Region kennen.
Band eins der Krimireihe um Kommissarin Isabelle Bonnet. Pierre Martin, das bislang nicht gelüftete Pseudonym eines deutschen Autors, bedient sich der gängigen Versatzstücke für leichte Krimis in der französischen Provinz: ein Ortsfremder Ermittler, die zunächst abweisende Dorfgemeinschaft, die auch im Mord zusammenhält, Landschaftsbeschreibungen und regelmäßiger Genuss der regionalen Speisen. In dieser Hinsicht ist der Roman keine große Überraschung und kann die Erwartungen voll erfüllen.
Die Ermittler haben einen gewissen Charme, so dass man ihnen gerne bei der Spurensuche folgt. Die Figuren wirken insgesamt authentisch und das Ambiente ist dem Autor ebenfalls gut gelungen. Der Fall hat ungeahnte Entwicklungen, verzichtet aber auf spektakuläre Action und brutale Details. So entsteht ein perfekter leichter Krimi für heiße Sommertage.
Zwei Frauen, deren Leben kaum unterschiedlicher sein könnte: Claire und ihr Ehemann Paul leben dank eines enormen Einkommens das Luxusleben der Oberschicht von Atlanta. Lydia hat sich nach der Drogenabhängigkeit und der viel zu frühen Schwangerschaft langsam ins Leben zurückgekämpft und führt mit ihrer Tochter ein bescheidenes Dasein. Pauls Tod nach einem nächtlichen Überfall führt die beiden wieder zusammen. Fast 20 Jahre haben die Schwester nicht mit einander gesprochen, das Verschwinden ihrer Schwester Julia hatte damals die Familie zerbrochen. Doch nun bringt ein grausamer Fund in Claires Haus sie wieder zusammen: offenbar war der gute Ehemann nicht der, für den Claire ihn fast zwei Jahrzehnte gehalten hat. Je tiefer sie in sein zweites Leben eintaucht, desto mehr muss sie erkennen, dass sie mit einem Monster verheiratet war. Doch die beiden Frauen ahnen noch nicht, welches grausame Verbrechen auf das Konto des smarten Architekten geht.
Unbestreitbar ist Karin Slaughter eine der weltweit erfolgreichsten Thriller Autorinnen, ihre Serien um Will Trent und Sara Linton gehören mit zu den meist verkauften des Genres. „Pretty Girls“ ist ein Standalone Thriller, der ebenfalls nicht mit Spannung und Brutalität geizt. Zunächst die Frage, was die beiden Frauen verbindet und weshalb Lydia über Pauls Tod dermaßen erleichtert ist, doch dies wird rasch aufgelöst. Etwas länger die Frage, weshalb Claire verurteilt wurde und mehrere Monate eine Fußfessel tragen musste. Man ahnt, dass die Figuren hinter der augenscheinlichen Fassade noch mehr zu bieten haben und wird nicht enttäuscht. Keiner ist der, für den man ihn zu beginnt hält.
Neben den Geheimnissen, die die einzelnen Figuren mit sich tragen, bleibt natürlich der Fall, der immer wieder mit Überraschungen aufwarten kann und sich zunehmend ausweitet. Insgesamt ist dies alles in sich stimmig und glaubwürdig, für mich aber letztlich doch etwas zu viel des Guten. Über weite Teile hielt ich das Doppelleben für durchaus möglich, aber ab einem gewissen Punkt erschien mir manches zu sehr konstruiert, um es für real zu halten. Der Showdown wie immer in hohem Tempo erzählt, die Figuren unter enormem Druck und einmal mehr erspart die Autorin dem Leser keine Grausamkeit, die man von einem Menschen eigentlich nie erwarten würde. Alles in allem ein Thriller, der dem Genre voll gerecht wird.
David und Jo verlassen die Fähre, die gerade in Marokko angelegt hat. Sie sind auf dem Weg zu einer 3-tägigen Party bei Freunden am Rand der Wüste. Doch der Weg dorthin ist beschwerlich und David hat zu viel getrunken. Es passiert, was passieren muss: Mitten in der Nacht überfahren sie einen jungen Mann. Unentschlossen, was zu tun ist, packen sie die Leiche in ihr Auto und nehmen sie mit zum Anwesen von Richard und Dally, die sicherlich wissen, was zu tun ist. Die Polizei wird verständigt, doch auch diese hat wenig Interesse an einem Fall, in den Ausländer verwickelt sind und ein namenloser Fossilienverkäufer hat ebenfalls keine Priorität. David und Jo erholen sich dank Alkohol und Drogen schnell von dem Schreck, doch am nächsten Tag taucht die Familie des Toten auf und verlangt nach Wiedergutmachung. Während Jo sich weiter der ausgelassenen Feier hingibt, muss David den Vater des Jungen begleiten, an ein unbekanntes Ziel mit unbekanntem Ausgang.
Lawrence Osbornes Roman kommt einem vor wie aus der Zeit gefallen. Erschienen 2012 im Original unter dem Titel „The Forgiven“ und 2017 in der deutschen Übersetzung, hat man von der ersten Seite an den Eindruck, ein Werk der 1920er in den Händen zu halten. Würden die Figuren nicht immer wieder ihr Handy benutzen, ließen sie sich auch kaum in der Gegenwart verorten. Erzählstil, Setting, Themen – vieles erinnert an die Roaring Twenties und ihre großen Autoren wie F. Scott und Zelda Fitzgerald, E.M. Forster, Ernest Hemingway, Edith Wharton oder auch die später schreibende Patricia Highsmith.
Das Setting des Romans ist das zunächst augenscheinlichste Moment. Fernab des Alltags treffen sich eine Gruppe von Schönen und Reichen in dem Anwesen der beiden Homosexuellen Richard und Dally, um dort ausgelassen mehrere Tage eine rauschende Party im Stile eines Gatsby zu feiern. Es mangelt an nichts; das Personal, ausschließlich aus Marokkanern bestehend, umsorgt die Gäste rund um die Uhr und erfüllt jeden Wunsch. Der Alkohol fließt reichlich und bald schon werden die Konventionen, die man mit dem Übersetzen nach Afrika hinter sich gelassen hat, vollends vergessen. Einzig störend wirken der Wüstenwind und die Gluthitze. Hier kommt Osbornes große erzählerische Stärke zum Vorschein: die Beschreibung des aufkeimenden Windes, der den Wüstensand überall verteilt:
„Über Nacht war der Sand zu einem ernstzunehmenden Gegner geworden. Einem Gegner, der so klein, so heimtückisch war, das sie ihn nicht bekämpfen konnten. Nichts erbost mehr als ein ungleicher Kampf. Die Frauen beklagten sich, die Männer bissen auf die Zähne und baten das Personal um Hilfe.”
Keine alltagsweltlichen Probleme können die Figuren belasten, aber in der Fremde sind sie plötzlich ihrer Macht beraubt und müssen sich auf die Marokkaner verlassen. Diese beobachten mit ausdrucksloser Mine das Treiben und die Oberflächlichkeit der in ihren Augen Ungläubigen – Alkohol, Drogen, Homosexualität, Ehebruch. Erst der Unfall scheint die Verhältnisse umzukehren: die mit Verachtung gestraften Landsleute sind plötzlich an der Macht zu bestimmen, welche Strafe der Engländer bekommen soll. Und das Personal erwartet von der Familie, dass sie den Mord gerecht ahnden werden.
Hier beginnt der zweite, spannungsgeladene Aspekt des Romans. David wird nicht entführt, er begleitet die Männer freiwillig an den unbekannten Ort und weder kann er sie verstehen noch weiß er, was dort geschehen wird. Wie der Protagonist ist auch der Leser plötzlich herausgerissen aus der unbeschwerten Leichtigkeit der Feier hinein geworfen in eine lebensbedrohliche Situation. Vieles kann man sich vorstellen und hier holt einem der Autor bei der stärksten Frage des Romans ab: welche Erwartungen haben wir an das Handeln dieser nach westlicher Norm unzivilisierten Wüstenmänner und wie ausgeprägt sind auch im 21. Jahrhundert unsere Vorurteile?
Zwei Kulturen treffen aufeinander: einerseits die Gläubigen Marokkaner, die nur in Form von Bediensteten an der Party teilnehmen oder als Rache suchende Familie des Opfers auftreten; andererseits die Globetrotter, die das schöne Leben kennen und pflegen und ihrem Hedonismus freien Lauf lassen. Die gegenseitige Verachtung wird von Osborne nicht subtil, sondern ganz offen thematisiert und die Angst vor dem nicht abzuschätzenden Handeln der Familie weicht mehr und mehr der Empörung über das Handeln der Partygäste. Am Ende wird die Haltung sehr prägnant auf den Punkt gebracht und lässt einem als Mitglied dieser Kultur durchaus beschämt zurück:
„Aber er hatte ihm nie auch nur eine einzige Frage zu den Berbern gestellt, die für ihn offenbar ausschließlich Teil einer unveränderlichen Kulisse waren. Lebendes Inventar sozusagen. Natürlich äußerte er ihretwegen Bedenken und war wie jedermann heutzutage darauf konditioniert, ihnen zu misstrauen. Doch in Wahrheit war ihm jedes Wort über sie zu viel. Natürlich galten sie als Reservoir des Terrorismus, was sie dann wiederum doch für hitzige Diskussionen interessant machte.”
Ein wirklich beachtenswerter Roman in klassischer Tradition, der den großen Vorgängern in nichts nachsteht.
The promise of a better life. A fight against an unbeatable enemy. A love in a time of upheaval. Almost 20 years under the dictator Mubarak come to an end when masses of people inspired by revolutions in other Muslim countries gather in Tahrir Square in Cairo and force Mubarak to resign. Social media are the new weapons and Mariam and Khalil are in the centre of the protests. They broadcast what is happening to the world and they treat the wounded always in fear of becoming a victim of the police, the army or any other group. Over months they keep their revolution alive, actually living from it, forgetting to eat, forgetting their own life. They feel their power to change something, but is there really hope for Egypt?
Omar Robert Hamilton, known for his fight for the Palestinian cause, combines the real events which took place in Egypt over 1.5 years with the fictitious story about Mariam and Khalil. Both of them are interesting characters. Mariam, on the one hand, who helps the doctors and could, together with her parents, establish a kind of camp hospital where immediate treatment is possible, who consoles the mothers of those who died in the protests and who is stubbornly following her ideals. Khalid, on the other hand, is not even Egyptian but find in the protests a kind of proxy for his family’s omitted fight for the Palestinian cause. With his American passport, he has no need to risk his life, but he is fully immersed in the revolutionary power and the mass movement and helps with his journalistic and technical knowledge. Their love is strong in the beginning, but the common aim slowly makes them drift apart. This becomes obvious when they talk to Mariam’s father about their plans for the future – marriage and children? No common ground can be found anymore, so what hold them together?
The strongest aspect of the novel, however, is the description of the fight. The risks the protesters take are impressively narrated. Their belief in a better country is strong and passionate. Some pieces were scary for somebody who was never close to such a situation: the young people writing the phone numbers of their nearest of kin on their arms so that the beloved can be informed in case of serious injury or death. I can only imagine people not really being ready to die, but accepting a possible death as a necessary danger to take for the cause.
Additionally, the narrative structure is remarkable. Omar Robert Hamilton has structured the novel in thee chapter: Tomorrow, Today, Yesterday. This diametrically opposes the chronological order and makes you wonder. Furthermore, the narrative is accelerated by frequent insertions of newspaper headlines, tweets and the like. The author thus managed to create an atmosphere of tension and excitement, you are really drawn into the plot and the characters’ emotional state of thrill.
Even though the plot is highly political, it is not judgemental at all. We get the uprising from a very personal point of view which I found most interesting and fascinating and important for outsiders. All revolutions are backed by ordinary people who risk everything. This novel most certainly gives them a voice and, most importantly, hints at a critical situation of a country which we tend to forget due to even more serious problems.
Ravine and Marianne are best friends. Friends 4ever, the two 8-year-olds believe. Ten years later, Ravine is suffering from chronic pain syndrome and can hardly leave her bed. However, it is not only the illness that makes her suffer, but also her memories and now that her 18th birthday has come, she seems to be ready to confront the past. She is writing to Marianne, narrating what she recollects about their time together and with Marianne’s brother Jonathan, about both their dysfunctional families – Ravine’s father who ran away before she was even born and Marianne and Jonathan’s mother who was an alcoholic and didn’t really care for them – about Marianne’s uncle Walter coming to live with them and disappearing again and about that one evening which changed the lives of all the three of them.
“The Things We Thought We Knew” is an unusual coming-of-age novel. First of all because the protagonist who narrates the story is seriously ill and bedridden – how can a major event happen to such a character and change her life? Well, this happened already years before and thus we get a teenager’s view on the things which happened when she was a child. This is quite uncommon since we do not encounter the grown-up, rationally thinking adult who analyses what happened and has reflected on everything. Ravine is still in this process of becoming an adult, unsure of how to proceed and where her life will lead her. She is struggling with her mother and you can still at times see the child she once was in her.
The flashbacks, her memories of the past, the childhood which should have been carefree and was everything but are narrated in a child-suitable tone somehow as if Ravine could really slip in her former self and tell her story from the 8-year-old’s point of view.
The plot, alternating between the present and the past, has some suspense to offer. You surely want to know about the whereabouts of Marianne and about her family’s story developed. And there are secrets of the past to be revealed by Ravine. Yet, also the 18-year-old Ravine is at a crossroad of her life and it is not obvious which way she will decide for and is she is ready to make a decision at all, apparently, something needs to trigger her so move on, so what could this momentum be for a girl lying in bed?
What I appreciated most was the tone of the novel which made the characters come alive and which was well adapted to their age. All in all, a noteworthy debut novel.