Angela Lehner – Vater unser

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Angela Lehner – Vater unser

Sie weiß, wo man sie hinbringen wird, warum jedoch, ist ihr nicht ganz klar. Sie ist nicht verrückt, viel mehr die Menschen um sie herum sind es, die spinnen. Und nun ist sie in der psychiatrischen Abteilung eines Wiener Krankenhauses. Regelmäßig hat sie Sitzungen mit Korb, der versucht ihre Kindheit zu ergründen, aber was gibt es da schon groß zu sagen, noch dazu sprechen die Fakten für sich: auch ihr Bruder Bernhard ist in dieser Abteilung untergebracht. Der Vater, die Mutter, die Umstände – verwunderlich ist es nicht. Sie können sich nur selbst helfen und sie muss sich um Bernhard kümmern, wie immer schon, als große Schwester ist sie dazu verpflichtet. Noch sträubt dieser sich, aber bald wird er erkennen, dass nur sie es ist, die ihn zurückführen kann und dass sie ihn nie wieder verlassen wird.

Angela Lehners Debutroman sprüht nur so vor Leben und das in einer Umgebung, die eigentlich eher vom Gegenteil geprägt ist. Die Handlung wird getragen von der Erzählerin Eva Gruber, die den Leser mit der Diagnose „narzisstische Persönlichkeitsstörung“ in ein Dilemma stürzt: kann man ihrer Darstellung Glauben schenken? Was stellt sich nur in ihrer Deutung der Welt so dar, was ist in der Geschichte objektiv richtig? Unabhängig von dieser zwar essentiellen Frage, unterhält die junge Frau hervorragend mit ihren Tiraden und Ausbrüchen.

Eva hat überhaupt keine Zeit, sich um ihr eigenes Dasein zu kümmern, zu sehr ist sie darum bemüht, den Bruder zu retten, dessen Essstörung zu heilen und ihn von dem Übervater zu erlösen. In den Rückblenden in ihre Kindheit zeichnet sich die problematische psychische Disposition bereits ab: sie lügt, um nicht aufzufallen und zu gefallen, will so die Liebe von Vater und Mutter erhalten, die ihr jedoch verwehrt bleibt. Es folgt die Rebellion gegen die Eltern und das System und immer wieder schwingt das emotionale Pendel zwischen kolossaler Selbstüberschätzung und Zusammenbruch. Psychologisch überzeugend ist die Figur gestaltet und da die als Erzählerin fungiert, braucht es auch keine Beschreibungen ihrer Persönlichkeit, diese wird durch ihr Handeln und den Einblick in ihr Denken offenbar.

Ein intensiver Roman, der den Leser leicht in die Weltsicht der Protagonistin gleiten lässt. Die Nominierung auf der Longlist für den Deutschen Buchpreis 2019 und der Shortlist für das österreichische Debut mehr als verdient, denn der Roman überzeugt auf allen Ebenen: eine runde Handlung, interessante Perspektive und sprachlich perfekt zur Erzählerin passend.

Eva Schmidt – Die untalentierte Lügnerin

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Eva Schmidt – Die untalentierte Lügnerin

Nachdem sie ihr Studium der Schauspielerei an den Nagel hängen musste und einen längeren Klinikaufenthalt hinter sich gebracht hat, kehrt Maren in die Wohnung ihrer Mutter und ihres Stiefvaters in die österreichische Provinz zurück. Planlos lebt sie zunächst in den Tag, bevor sie einen Job in einem Museum als Aufpasserin annimmt. Mit dem Hund geht sie spazieren. Lernt Menschen kennen, die jedoch irgendwie nur an den Rand ihres Lebens drängen und bald auch wieder verschwinden. Die Ehe ihrer Eltern kriselt und sie selbst entwickelt auch nur wenig Zukunftspläne. Es wird Winter und wieder Frühling, aber Maren blickt immer noch verloren auf ihr Leben.

Bereits 2016 war Eva Schmidt mit einem Roman für den Deutschen Buchpreis nominiert. Ebenso wie „Ein langes Jahr“ tat ich mich auch mit dem aktuellen Roman schwer. Die Geschichte liest sich leicht weg, genau darin liegt aber auch für mein Empfinden die große Schwäche: mir fehlt die Entwicklung ebenso wie das Tiefgründige. Ja, die Autorin beschreibt sehr intensiv die Natur, aber die Menschen erfasst sie dabei nicht.

Vermutlich trägt der triste Grundton des Romans zu meinem eher wenig berauschenden Eindruck bei. Die Protagonistin ist unzufrieden, nur leidlich ergreift sie die Initiative, um etwas zu verändern, aber eigentlich wartet sie eher darauf, dass die Veränderung zu ihr kommt und es wundert sie auch nicht, dass Menschen einfach so wieder aus ihrem Leben verschwinden. Die Familienkonstellation bleibt zu diffus, um Stoff für analytische Betrachtungen zu liefern. Ein Bruder in der Ferne mit seiner glücklichen Familie, der andere voller Liebeskummer und gescheitertem Studium zwar in der Nähe, aber ebenfalls abwesend. Die Mutter gescheiterte Künstlerin, die nun eher dem Alkohol zuspricht und scheinbar unter einer nicht behandelten Depression leidet und dann noch der Stiefvater, der sich grenzwertig aufdrängt und dann plötzlich flüchtet. Was soll man daraus machen? Auch das Ende reißt mehr Fragen auf als Antworten zu geben, wird hier etwas angedeutet, dass das Buch in einem anderen Licht erscheinen lässt oder doch nicht?

Mich hat der Roman nicht erreicht. Auch der Titel stellt mich immer noch vor ein Rätsel: Maren lügt unentwegt, wobei es sich eher um die keinen Alltagsausflüchten handelt, um sich nicht erklären zu müssen und das Gegenüber nicht zu verletzten – obwohl sie das in ihrer stumpfsinnigen Art bisweilen geradeheraus tut. Es bleibt am Ende große Ratlosigkeit.

Madeline Miller – Ich bin Circe

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Madeline Miller – Ich bin Circe

Circe ist so ziemlich alles, was sich ihr Vater Helios nie gewünscht hat. Nicht nur hat die Göttin eine Stimme wie eine Sterbliche, nein, sie ist widerspenstig und eigensinnig und unfähig, die Regeln der Götter zu befolgen. Zur Strafe wird sie auf eine einsame Insel verbannt, wo sie ihr Talent zur Hexerei perfektioniert. Jahre gehen ins Land, nur selten kommt ein Schiff vorbei und sie entwickelt stetig ihre Zauber weiter. Irgendwann landet Odysseus auf seiner Irrfahrt bei ihr und sie verliebt sich in den Herrscher von Ithaka. Ihr gemeinsamer Sohn Telegonos stellt eine Herausforderung für sie dar, denn er ist kaum zu bändigen und sehnt sich nach dem Vater, den er nie kennenlernte. Nach ewigen Zeiten zufrieden in ihrer Einsamkeit wird sie schließlich doch wieder vor die Frage gestellt, zu welcher Welt sie gehören möchte.

Madeline Miller erzählt die Geschichte der mythologischen Figur mit einer gewissen Freiheit, so dass sich ihre Circe nicht ganz mit der gängigen Überlieferung deckt. Weite Teile der Erzählung sind dennoch bekannt, was jedoch dem Lesespaß keinen Abbruch tut, denn „Ich bin Circe“ besticht weniger durch unerwartete Überraschungen als durch eine bezaubernd eigenwillige Protagonistin und einen herrlich lakonischen Erzählton, der mit feiner Ironie gepaart ist.

Die griechischen Götter konnten schon immer begeistern und unterhalten und tausende von Jahren haben sie nichts an Faszination verlieren lassen. So findet sich auch bei Miller die ganze Bandbreite an menschlichen Empfindungen und Verhalten: Liebe, Hass, Rivalität, Hinterhalt, Freundschaft, Zorn, Rache – you name it. Circe ist eine außergewöhnliche Figur, ihre Eigensinnigkeit macht sie besonders interessant, aber auch fragil und verletzlich. Durch die einzelnen Begebenheiten hindurch lernt man alle Facetten ihres Charakters kennen und langsam baut sie eine der schillerndsten und faszinierendsten Persönlichkeiten auf. Sie ist nicht unbedingt liebenswert, aber ihr Ungehorsam bietet auch erheiternde Momente, insbesondere ihre Diskussionen mit dem Vater sind herrlich zu lesen und sprachlich wirklich gelungen.

„Du warst immer das grässlichste meiner Kinder“, sagte er (…) „Ich habe eine bessere Idee. Ich mache, was ich will, und wenn du deine Kinder zählst, lass mich einfach weg.“ Sein ganzer Körper war starr vor Empörung. Er sah aus, als hätte er einen Stein verschluckt und würde gerade daran ersticken.

Es ist verlockend den Roman unter feministischer Sicht zu betrachten, denn Circe passt nicht in das vorgesehene Muster und wird dafür bestraft.

„Ich war ohne Begleitung, und ich war eine Frau, das allein zählte.“

Sie muss sich ihre Freiheit hart erkämpfen und teuer bezahlen. Egal wie stark und entschlossen die Frau ist, sie erntet häufig nur Hohn und Unglaube, ihre Macht und Kraft wird belächelt und unterschätzt – was ihr wiederum zum Vorteil gereicht. Es drängt sich die Frage auf, wie viel sich gesellschaftlich getan hat, seit der Herrschaft der Götter.

„Ich bin Circe“ fällt sicher aus dem Rahmen der derzeitigen literarischen Trends und bietet allein deshalb schon eine gelungene Abwechslung. Aber auch unabhängig von anderen Romanen eine runde und überzeugende Geschichte, in die man gerne eintaucht.

Simone Lappert – Der Sprung

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Simone Lappert – Der Sprung

Thalbach, ein beschauliches Örtchen bei Freiburg. Alles geht seinen Gang wie immer, die Obdachlosen verbringen den Tag im Park, Theres und Werner sehnen sich nach den guten Zeiten in ihrem Lädchen zurück, Roswitha bedient mehr oder weniger übellaunig die Gäste in ihrem Café, Maren überlegt wieder einmal, wie lange sie es noch in der kaputten Beziehung mit Hannes aushalten will, Winnie muss ihrer Freundin Cosima einmal mehr aus der Patsche helfen. Doch dann unterbricht ein Ereignis das übliche Treiben: auf dem Dach eines Wohnhauses steht eine junge Frau und droht herunterzuspringen. Man kennt sie, es ist Manu, die Gärtnerin, die mit ihren Guerillamethoden den Pflanzen Raum zum Leben gibt und die Stadt erblühen lässt. Der Ort hält den Atem an und zusammen mit Rettungskräften, Polizei und sensationslüsterner Presse blickt man nach oben, voller banger Erwartung dessen, was passieren wird.

Simone Lapperts Roman ist eine Momentaufnahme mitten aus dem Leben. Sie beschränkt ihre Handlung auf einen winzigen Augenblick im Dasein ihrer Figuren, nur einen Wimpernschlag lang lässt sie uns teilhaben, aber es tritt genau jener Schmetterlingseffekt ein, der nicht vorhersehbar war und das sorgsam austarierte Gleichgewicht des Systems zum Zusammenbrechen bringt. Nur ein einziger Tag, ein singuläres Ereignis, das nicht einmal unmittelbar mit den meisten Figuren in Verbindung steht, ist jedoch so gewaltig, dass hinterher kaum mehr etwas so ist, wie zuvor.

Vieles an der Erzählung hat mich schlichtweg begeistert. Was zunächst als lose Abfolge von Einzelgeschichten erscheint, stellt sich im Laufe der Handlung als clever durchdachtes Geflecht heraus, das alle Figuren in Verbindung zueinander setzt und so unterstreicht, dass es ein individuelles unabhängiges Leben nicht gibt. Dreht nur einer an einem Schräubchen, wirkt sich dieses auf alle zwangsläufig aus. Daneben sind alle Figuren liebevoll gezeichnet: Wir haben keine Superhelden, keine Weltverbesserer, genauso wenig die drastischen Verlierer, sondern ein Sammelsurium von durchschnittlichen Existenzen, die mehr oder minder zufrieden ihr Leben meistern. Sie haben sich mit den Gegebenheiten arrangiert und glauben nicht mehr an das ganz große Glück. Sie wirken authentisch und in ihrer Natürlichkeit liebenswert.

Manu, die Frau auf dem Dach, die zum Sprung ansetzt, sollte eigentlich im Zentrum stehen, bildet aber viel mehr den Rahmen der Handlung und wird unbeabsichtigt zum dramatischen und entscheidenden Moment in zahlreichen Leben. Man lernt sie zu Beginn der Geschichte kennen, doch die Figur, die liebevoll mit den Pflanzen hantiert, will nicht zu der Person auf dem Dach passen. Ebenso wie der Leser kann sie ihr Freund Finn keinen Reim auf das Verhalten machen. In gewisser Weise ist sie eine tragische Heldin – mehr zu sagen würde das überraschende Ende vorwegnehmen.

Der kleinbürgerliche Mikrokosmus wird von Lappert überzeugend eingefangen. Eine routinierte, mühelose Erzählung, die einem in die kleine Welt eintauchen und teilhaben lässt. Für mich ist es gerade das Unaufgeregte, Unspektakuläre, das hier geschildert wird und begeistert.

Ein herzlicher Dank geht an den Diogenes Verlag für das Rezensionsexemplar. Mehr Informationen zu Autorin und Buch finden sich auf der Verlagsseite.

Ulrich Woelk – Der Sommer meiner Mutter

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Ulrich Woelk – Der Sommer meiner Mutter

1968 hat die Welt verändert, für den 11-jährigen Tobi kommt das größte Ereignis seines Lebens jedoch erst im darauffolgenden Jahr mit der Ankündigung der Mondlandung. Doch auch in seinem unmittelbaren Leben wird am Ende des Sommers nichts mehr so sein wie zuvor. Mit dem Einzug der Leinhards ins Nachbarhaus wird so ziemlich alles in Frage gestellt, was bis dato feste Größen in seinem Leben waren: die Rolle seiner Mutter als Hausfrau, das Politische hält Einzug in die Kölner Idylle der Kleinfamilie und aus dem Jungen wird ein Jugendlicher, der mit der Nachbarstochter seine ersten sexuellen Erfahrungen sammelt. Tobi erlebt seinen persönlichen „Summer of Love“, jedoch auch die Erwachsenen hinterfragen nochmals den Lebensentwurf, für den sie sich entschieden haben.

Ulrich Woelk ist mir namentlich als Autor bekannt, bislang hatte ich jedoch noch keinen seiner Romane gelesen. Mit der Nominierung auf der Longlist des Deutschen Buchpreises 2019 ist er jedoch in meinen Fokus gerückt und hat mich neugierig auf seine anderen Werke gemacht. Er ist ein routinierter Erzähler, der ohne Ecken und Kanten durch die Handlung gleitet und einem so das Eintauchen in seine Geschichte leicht macht.

Oberflächlich betrachtet ist „Der Sommer meiner Mutter“ eine Coming-of-Age Geschichte, die er in einer historisch interessanten Zeit angesiedelt hat. Schaut man jedoch genauer hin, birgt der Roman alle großen Themen der BRD in sich, die Ende der 1960er/Anfang der 1970er den öffentlichen und privaten Diskurs bestimmten. Durch die Erzählperspektive kann er sich davor bewahren, zu werten und den Erzähler Position beziehen zu lassen, denn der 11-jähirge Tobi kann nur wahrnehmen, aber nicht einordnen oder gar verstehen, was er sieht.

Was so idyllisch beginnt, läuft dann doch recht stringent auf die unvermeidliche Katastrophe zu. Der Ausgang ist bekannt, denn damit leitet Woelk den Roman ein:

„Im Sommer 1969, ein paar Woche nach der ersten bemannten Mondlandung, nahm sich meine Mutter das Leben.“

Die Emanzipation hat 1968 bereits Wellen geschlagen, in den Vorstadthäusern bei den Hausfrauen und Müttern war sie jedoch nicht angekommen. Nun ist es so weit und die beiden Nachbarinnen wagen sich, eine Meinung und einen Beruf zu haben, sich aus den selbstgewählten Fesseln zu befreien und ihren Instinkten zu folgen. Währenddessen tragen die Männer den Kampf zwischen Kommunismus und Kapitalismus aus, ebenso wie zwischen Geistes- und Ingenieurswissenschaften.  Was nutzt schon all das Denken, wenn man keine Deckenlampe befestigen kann?

Tobias beginnt sich zu lösen, seine Eltern und alle anderen Erwachsenen plötzlich mit anderen Augen, als eigenständige Wesen über ihre unmittelbare Funktion für ihn hinaus zu sehen. Mal neugierig, mal verstört blickt er auf diejenigen, die eigentlich souverän im Leben stehen sollten, gerade aber durch heftige Erdbeben erschüttert werden und ins Wanken geraten. Ulrich Woelk findet das Große im Kleinen und konnte mich vom ersten Kapitel an für die Geschichte gewinnen. Die gesellschaftliche Relevanz ist allemal gegeben, ob es für die Shortlist des Buchpreises reichen wird, wage ich momentan – jedoch in Unkenntnis der meisten Nominierten – jedoch zu zweifeln.

Interessant am Rande zu bemerken, dass ich just vor wenigen Tagen Alain Claude Sulzers „Unhaltbare Zustände“ beendet habe, das ebenfalls in dieser Epoche spielt und ähnlich die Schwierigkeiten des einfachen Menschen mit den großen Umwerfungen thematisiert.

Nell Zink – Doxology

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Nell Zink – Doxology

New York pre-9/11. Pam, Daniel and Joe lead the life of a more or less successful punk band. They live their dream, not much money coming in, but they can do what they like to. They are happy and luck is on their side when Pam accidentally falls pregnant and Joe has a hit single. Despite his success, Joe spends most of his time with young Flora, his simple but caring mind is the best that could happen to the girl. With the attacks on the World Trade Center, everything changes for this small community. Daniel brings his family away from the Big Apple to his wife’s parents in Washington where Flora will then grow up. She does not become a dreamer like her parents but is a strong activist for environmental matters and has the strong conviction that things can be changed.

Doxology – an expression of praise to God. There are different kinds of god in Nell Zink’s novel who are worshipped. From the punk rock gods who are idolised by their groupies to politicians who promise their voters more than the world to lovers for whom they are ready to give up their ideals. Yet, none of them can fulfil the promises made and at last, the characters have to fend for themselves.

I find it especially hard to write a review on the novel since I still don’t know what to think of it. I certainly admire her style of writing, it is lively and witty and her characters are authentic and powerful. However, it is hard to determine what the novel is about and what the author wants to point at.  There is the (not so) easy-going time of the 1990s punk rock scene in New York, where life outside the bubble can be ignored. Family strings are cut and the musicians submerge totally in their artistic bath. 9/11 not only ends carefree life in New York but also their punk rock dream and the story shifts to Flora and her growing-up in Washington. In her early 20s, she could hardly be more different from what her parents were at that age. Her focus is totally different – well, she belongs to another generation with other topics.

Flora is the product of her grandparents’ and parents’ decisions – and she herself has to make some major choices that will impact her existence. Maybe this is what the book is about after all: life as a chain of decisive moments that lead you in one or the other direction. Quite often there is no actual “right” or “wrong”, much more, the real implications only reveal themselves later. Does it help to ponder about past decisions? No, life goes on and you have to face it anyhow. A wonderfully written family history which is nevertheless not easy to grasp.

Stuart Turton – Die sieben Tode der Evelyn Hardcastle

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Stuart Turton – Die sieben Tode der Evelyn Hardcastle

Neunzehn Jahre nach dem Tod des jungen Thomas Hardcastle hat die Familie wieder zu einem Ball auf das inzwischen etwas heruntergekommene Anwesen Blackheath geladen. Just an dem Abend, an dem ausgelassen gefeiert werden soll, wird jedoch Evelyn, die Tochter des Hauses, heimtückisch ermordet, ohne dass es Zeugen für den Vorfall gäbe. Wie konnte es dazu kommen? Aidan Bishop muss dies herausfinden, allerdings dauert es etwas, bis ihm seine besondere Rolle in dem Fall klar wird: jeden Morgen erwacht er im Körper eines anderen Gasts mit der Chance, den Mord zu verhindern und dem Pestdoktor den Namen des Mörders zu nennen. Nur wenn er den Fall lösen kann, kann er aus der Dauerschleife befreit werden. Acht Tage – acht Chancen, allerdings ist ihm ein Lakai auf den Fersen, der genau dieses verhindern will und ihm nach dem Leben trachtet. Zusammen mit dem Dienstmädchen Anna muss Aiden den Zyklus austricksen, um die gewonnenen Erkenntnisse der einzelnen Gäste zu bewahren und so das Geheimnis um Evelyns Tod zu lösen.

Schon der Titel von Start Turtons Roman mutet seltsam an: wie kann eine Frau gleich sieben Mal sterben? Recht schnell wird jedoch das Muster klar, nach welchem der Roman operiert. Immer wieder muss der Protagonist denselben Tag durchleben, täglich in einem neuen Körper mit anderem Charakter, der droht seine eigentliche Persönlichkeit gänzlich zu unterdrücken. Dies ist jedoch keine langweilige Wiederholung wieder und wieder gleicher Ereignisse, sondern ein extrem clever ausgeklügelter Plot, der in seiner Konstruktion und Perspektivenvielfalt kaum übertroffen werden kann.

„Die sieben Tode der Evelyn Hardcastle“ ist zunächst eine gewaltige Herausforderung. Unzählige Figuren treten auf, so dass der abgedruckte Zimmerbelegungsplan nur eine marginale Hilfe darstellt. Nicht nur ist die große Anzahl an unterschiedlichen Charakteren kaum zu überschauen, auch ihre Verbindungen und geheimen Ziele müssen langsam erarbeitet werden. Gemeinsam mit dem Protagonisten jedoch fügt man sich Stück für Stück die Puzzleteile zusammen und immer mehr bekommt man nicht nur den Überblick, sondern beginnt selbst, in diesem komplizierten Fall zu ermitteln. Besonders gelungen ist dabei, den Charakter der Figuren durch Aidan Bishop hindurchscheinen zu lassen. Ihre unterschiedlichen Konstitutionen bringen entsprechen verschiedene Hürden und Bürden mit sich, denen Aidan hilflos ausgesetzt ist. Auch muss er unangenehme Charakterzüge tolerieren und diesen entsprechen agieren, um nicht aufzufallen.

Sowohl was die Figurenzeichnung angeht wie auch in der Gesamtkonstruktion ist dieser Krimi ein echter Ausreißer nach oben, der neue Maßstäbe setzt. Daneben gelingt dem Autor auch noch ein überzeugender und ironisch-humorvoller Erzählton, der die Geschichte perfekt abrundet.

Alafair Burke – The Wife

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Alafair Burke – The Wife

Nach einer schrecklichen Entführung in ihrer Jugend scheint Angela endlich das zauberhafte Leben führen zu können, von dem sie in ihrer ärmlichen Kindheit immer geträumt hat. An der Seite des Wirtschaftsprofessors und erfolgreichen Beraters Jason Powell verbringen sie und ihr Sohn Spencer sorgenlose Tage – bis eine Praktikanten unglaubliche Anschuldigungen erhebt: Jason habe sie sexuell belästigt. Dieser streitet den Vorfall ab und misst ihm keine große Bedeutung bei. Bis eine weitere Frau auf den Plan tritt und Vergewaltigungsvorwürfe erhebt. Dieses Mal scheint die Beweislage eindeutiger, aber Angela hält zu ihrem Mann. Sie kann und will nicht glauben, was die Frauen behaupten, vor allem, weil diese scheinbar auch die Gelegenheit nutzen möchten, mit einer geschickten Erpressung Nutzen aus der Situation zu ziehen. Je länger sich die Affäre hinzieht und je mehr Details über Jason an die Öffentlichkeit geraten, desto mehr wachsen auch Zweifel in Angela, wichtiger jedoch als dieser Fall ist ihr noch etwas gänzlich anderes, das sie vor der reißerischen presse schützen muss.

Alafair Burke wählt ein Szenario, das viel Spannung verspricht und Potenzial für zahlreiche Verwicklungen und Wendungen hat, jedoch auch bereits mehrfach als Basiskonzeption gewählt wurde. Im Vergleich zu ähnlichen Stories konnte mich die Autorin nicht ganz überzeugen, was vor allem an der Protagonistin lag, die für mich etwas zu diffus blieb und mich nicht wirklich für sie einnehmen konnte.

Der Spannungsaufbau kann überzeugen, immer weiter zieht sich die Schlinge um den untreuen Gatten, immer mehr Enthüllungen lassen ihn in einem immer schlechteren Licht erscheinen. Auch wenn einem die Mutmaßungen, dass die Frauen geschickt seine Lage nutzen möchten, um sich selbst zu bereichern, glaubwürdig ist, kommt er doch nicht auch ganz schadlos aus der Nummer heraus. Aufgrund der gewählten Erzählperspektive bleiben bei Jason Lücken, so dass man nicht sicher sein kann, wie weit er gehen würde und ob man seinen Aussagen trauen kann. Da man sich als Leser immer auf Angelas Seite befindet und sie das offenkundig wahre Opfer ist – gleich in mehrfacher Hinsicht – ist man geneigt, für sie eher Sympathie zu empfinden und ihr Glauben zu schenken. Leider lässt sich dies nicht lange genug aufrechterhalten und man kann daher die letztlichen Entwicklungen schon bald sehr deutlich vorhersehen.

Insgesamt überzeugender Plot, der jedoch für mich im Detail bei der Figurengestaltung etwas schwächelt und leider im letzten Drittel zu vorhersehbar wird und dadurch an Spannung verliert. Daher das Fazit: solide Unterhaltung, die aber noch steigerungsfähig gewesen wäre.

Alain Claude Sulzer – Unhaltbare Zustände

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Alain Claude Sulzer – Unhaltbare Zustände

Alles ist schon immer seinen geregelten Gang gegangen, doch im Jahre 1968 ist plötzliches vieles nicht mehr so eindeutig und die Jugend rebelliert gegen die Verhältnisse. Der Schaufensterdekorateur Stettler kann das alles nicht nachvollziehen, aber was hat es denn schon mit ihm zu tun? Sehr viel als plötzlich die Leitung des Berner Kaufhauses „Quatre Saisons“ entscheidet einem Jüngeren die Dekoration des wichtigen Weihnachtsfensters zu übergeben. Statt des erhofften Scheiterns muss Stettler den großen Erfolg des Konkurrenten miterleben und heimlich dessen überzeugende Wirkung anerkennen. Auch in der Liebe läuft es nicht, hatte er sich auf den Auftritt und ein anschließendes Treffen mit der Pianistin Lotte Zerbst gefreut, wird diese plötzlich aus politischen Gründen ausgeladen. Alles scheint aus den Fugen geraten in seinem bis dato so klar geordneten Leben. Doch Stettler gibt so schnell nicht auf.

Damit, einen Schaufensterdekorateur ins Zentrum einer Geschichte zu stellen ist Alain Claude Sulzer ein wahrlich außergewöhnlicher Coup gelungen. Die Tatsache, dass es nicht nur bei der Nennung des Berufs bleibt, sondern die Profession mit ihren Facetten tatsächlich zentral für die Handlung wird, hat mich zunächst stutzen und zögern lassen. Aber hierin zeigt sich der wahrlich brillante Autor: er hat das Auge für das Besondere im nahezu Banalen und kann im Alltäglichen etwas Außergewöhnliches entdecken und dies zu einer ganz überragenden Erzählung machen.

Bemerkenswert gelungen ist Sulzer die Verbindung des globalen Großereignisses „1968“ mit dem Leben des kleinen Schaufensterdekorateurs in der Schweizer Großstadt, die ja aber doch eher als provinziell und wenig bedeutend auf dem internationalen Parkett anzusehen ist. Sahen sich Regierungen und ganze Länder von der aufmüpfigen Jugend bedroht, wird auch Stettler in seiner Rolle als erster Dekorateur am Ort plötzlich von einem Jüngeren bedroht. Seine ästhetischen Vorstellungen sind ebenso wenig mehr gefragt wie die Werte und Ansichten seiner Generation. Das schlimmste jedoch ist, dass er alldem nichts entgegenzusetzen hat. Er muss einem Untergang beiwohnen bis hin zur völligen Demütigung.

Man kann dem Protagonisten leicht nachempfinden, hat einerseits Mitleid mit ihm und doch möchte man sich von dem alten, konservativen und gestrigen Mann lieber distanzieren. Er kann nicht aus seiner Haut, die neue Welt überfordert ihn und hat auch augenscheinlich keinen Platz für ihn mehr. Niemand wird ihn vermissen, wenn er nicht mehr zur Arbeit kommt, zu Hause wartet ebenfalls keiner.

Bildlich verdeutlicht Stettler und somit Sulzer, wie es den Menschen mit diesem Gefühl geht und wie sie keinen Ausweg mehr für sich sehen. Konkurrenzdruck, wandelnde Ansichten – entweder der Mensch passt sich an oder er muss weichen. Ein Roman, der bisweilen zum Schmunzeln einlädt, aber doch von einer wenn auch leichten Ernsthaftigkeit im Sujet getragen wird. Der Verlegung der Handlung 50 Jahre in die Vergangenheit suggeriert ein längst überholtes Problem, dabei ist es aber heute aktueller denn je. Vielleicht ermöglicht aber gerade die historische Distanz den Beginn des Nachdenkens über die Zeit, in der wir leben. Für mich einer der stärksten und gesellschaftlich relevantesten Romane bislang in 2019.

Ein herzlicher Dank geht an den Verlag Galiani für das Rezensionsexemplar. Mehr Informationen zu Autor und Buch finden sich auf der Verlagsseite.

Claire McGowan – What You Did

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Claire McGowan – What You Did

It was meant to be a relaxed weekend and reunion of old friends, but then it turns into an absolute nightmare. It’s been 25 years that Ali and her husband Mike first met their friends Karen, Jodi, Bill and Callum at university, a reason to celebrate in their new home. Yet, after a lot of alcohol, a loud cry from Karen suddenly ends the joyful get together: Karen claims to have been assaulted by Mike, her bleeding and overall status seem confirm her accusation. After Mike’s arrest, Ali’s world slowly crumbles and falls, the more she learns about her husband, the more she has to ask herself if she really knew whom she has been married to for all those years. Not only did he have an affair all those years, but also are there money transfers to an unknown account and more pieces of information that are far beyond just being inconvenient: they are purely frightening. But this is just the beginning.

Claire McGowan’s thriller is absolutely breath taking. It is mainly narrated from Ali’s point of you and you constantly ask yourself: what would I do if I were in her shoes? Whom would I believe, my husband or my former best friend? Would I stick to my ideals or try to save the life I had worked for for years? How far would I be willing to go for the person I love? The story moves at a very high pace, just whenever you think the characters have found a way of coping with the catastrophe, the next follows immediately only to make the whole situation even worse. There is no moment to relax and sit down to think through the mess they are in, they are forced to react to ever more complications from one minute to the other.

The plot is very cleverly constructed, revealing its full potential only slowly. What makes it especially delicate is the fact that it plays on those core emotions in life: trust and believe in the people who are closest to you. It hurts a lot more to feel betrayed by the ones you love than coping with just with stressful situations. Additionally, I found it quite clever to put Ali in the position where she is presented as an advocate for women who have been assaulted and speak out against their perpetrators and then finding her in the position where she is inclined to take the other side and rather believe her husband than the woman – and friend! – who without any doubt is a victim.

I utterly rushed through the novel since I could hardly put it down. The short chapters even accelerated the plot and made you read on just one more chapter and another one and so on until the end. A brilliant story that I enjoyed throughout.