Max Seeck – Hexenjäger

Max Seeck – Hexenjäger

Als der berühmte Autor Roger Koponen wegen einer Lesung viele hundert Kilometer von der heimischen Villa in Helsinki entfernt ist, wird seine Frau Maria bestialisch ermordet. Jessica Niemi ist als erste am Tatort und begegnet sogar noch dem Täter, was sie jedoch erst später realisiert. Brisant an dem Tatort ist nicht nur die bizarre zur-Schau-Stellung des Opfers, sondern dass Maria genau so den Tod gefunden hat, wie es in den Thrillern ihres Mannes beschrieben war. Hat der Autor dieses mit seinem Text provoziert? Dieser zeigt sich erschüttert und soll noch in der Nacht in die finnische Hauptstadt zurückkehren, doch unterwegs wird er zum Opfer und hingerichtet wie eine seiner Figuren. In der Trilogie gibt es noch weitere Morde, das Team um Jessica Niemi ahnt schnell, dass dies kein einfacher Fall wird und bald wird auch schon klar, dass die Ermittlerin selbst im Fadenkreuz des Täters zu stehen scheint.

Max Seeck ist finnischer Autor mit deutschen Wurzeln und zählt in seiner Heimat schon zu den bekanntesten Thriller-Autoren, aber auch über die Grenzen des nordischen Landes hinaus kann der er überzeugen. „Hexenjäger“ ist der zweite Roman in deutscher Übersetzung und der Auftakt zur Reihe um Jessica Niemi. Die Protagonistin selbst fällt dabei ziemlich aus dem Raster der typischen Ermittlerinnen. Immer wieder schleichen sich kurze Kapitel in die Handlung ein, die sie als junge Studentin in Venedig präsentieren. Sie verheimlicht ihren Kollegen ihre Herkunft und sogar ihre Wohnung, neben der eigentlichen Thriller Handlung ein weiteres Mysterium, das sich erst am Ende lüftet.

Besonders reizvoll finde ich immer, wenn ein Roman mit der Fiktion von Literatur arbeitet und in die Handlung weitere fiktive Ebenen eingeflochten werden. In „Hexenjäger“ ist es die „Hexenjagd“ Trilogie des Autors Roger Koponen, die offenbar die Vorlage und den Anreiz für den oder die Täter liefert. Das Muster der Morde ist schon vorhanden, die Polizei weiß eigentlich, wonach sie suchen muss, und ist doch dazu verdammt, machtlos zuzusehen, wie immer mehr Opfer auftauchen. Doch es findet sich keine Erklärung für ihre Auswahl, auch die recht schnell geäußerte Verbindung zu Jessica erschließt sich nicht. Weshalb schickt ihr Vorgesetzter Erne sie nach Hause und lässt sie dort unter Polizeischutz stellen, wo sie doch eigentlich die Ermittlungen leiten sollte? Vieles bleibt rätselhaft, zahllose Spuren führen in unterschiedliche Richtungen, ohne ein Muster erkennen zu lassen.

Vielschichtige Figuren, Morde, die rasch aufeinanderfolgen, Okkultismus und Satanismus gepaart mit einem verdächtigen Autor – spannende Zutaten, die sich nahtlos zu einer überzeugenden Geschichte zusammenfügen. Ein Thriller aus dem eisigen Norden, perfekt für kalte Wintertage.

Madeline Miller – Ich bin Circe

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Madeline Miller – Ich bin Circe

Circe ist so ziemlich alles, was sich ihr Vater Helios nie gewünscht hat. Nicht nur hat die Göttin eine Stimme wie eine Sterbliche, nein, sie ist widerspenstig und eigensinnig und unfähig, die Regeln der Götter zu befolgen. Zur Strafe wird sie auf eine einsame Insel verbannt, wo sie ihr Talent zur Hexerei perfektioniert. Jahre gehen ins Land, nur selten kommt ein Schiff vorbei und sie entwickelt stetig ihre Zauber weiter. Irgendwann landet Odysseus auf seiner Irrfahrt bei ihr und sie verliebt sich in den Herrscher von Ithaka. Ihr gemeinsamer Sohn Telegonos stellt eine Herausforderung für sie dar, denn er ist kaum zu bändigen und sehnt sich nach dem Vater, den er nie kennenlernte. Nach ewigen Zeiten zufrieden in ihrer Einsamkeit wird sie schließlich doch wieder vor die Frage gestellt, zu welcher Welt sie gehören möchte.

Madeline Miller erzählt die Geschichte der mythologischen Figur mit einer gewissen Freiheit, so dass sich ihre Circe nicht ganz mit der gängigen Überlieferung deckt. Weite Teile der Erzählung sind dennoch bekannt, was jedoch dem Lesespaß keinen Abbruch tut, denn „Ich bin Circe“ besticht weniger durch unerwartete Überraschungen als durch eine bezaubernd eigenwillige Protagonistin und einen herrlich lakonischen Erzählton, der mit feiner Ironie gepaart ist.

Die griechischen Götter konnten schon immer begeistern und unterhalten und tausende von Jahren haben sie nichts an Faszination verlieren lassen. So findet sich auch bei Miller die ganze Bandbreite an menschlichen Empfindungen und Verhalten: Liebe, Hass, Rivalität, Hinterhalt, Freundschaft, Zorn, Rache – you name it. Circe ist eine außergewöhnliche Figur, ihre Eigensinnigkeit macht sie besonders interessant, aber auch fragil und verletzlich. Durch die einzelnen Begebenheiten hindurch lernt man alle Facetten ihres Charakters kennen und langsam baut sie eine der schillerndsten und faszinierendsten Persönlichkeiten auf. Sie ist nicht unbedingt liebenswert, aber ihr Ungehorsam bietet auch erheiternde Momente, insbesondere ihre Diskussionen mit dem Vater sind herrlich zu lesen und sprachlich wirklich gelungen.

„Du warst immer das grässlichste meiner Kinder“, sagte er (…) „Ich habe eine bessere Idee. Ich mache, was ich will, und wenn du deine Kinder zählst, lass mich einfach weg.“ Sein ganzer Körper war starr vor Empörung. Er sah aus, als hätte er einen Stein verschluckt und würde gerade daran ersticken.

Es ist verlockend den Roman unter feministischer Sicht zu betrachten, denn Circe passt nicht in das vorgesehene Muster und wird dafür bestraft.

„Ich war ohne Begleitung, und ich war eine Frau, das allein zählte.“

Sie muss sich ihre Freiheit hart erkämpfen und teuer bezahlen. Egal wie stark und entschlossen die Frau ist, sie erntet häufig nur Hohn und Unglaube, ihre Macht und Kraft wird belächelt und unterschätzt – was ihr wiederum zum Vorteil gereicht. Es drängt sich die Frage auf, wie viel sich gesellschaftlich getan hat, seit der Herrschaft der Götter.

„Ich bin Circe“ fällt sicher aus dem Rahmen der derzeitigen literarischen Trends und bietet allein deshalb schon eine gelungene Abwechslung. Aber auch unabhängig von anderen Romanen eine runde und überzeugende Geschichte, in die man gerne eintaucht.