Sarah Vaughan – Anatomie eines Skandals

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Sarah Vaughan – Anatomie eines Skandals

Holly kommt dank eines Vollstipendiums aus der nordenglischen Provinz nach Oxford, wo sie Literatur studieren will. Große Erwartungen hat sie an das Studentenleben, doch bald schon muss sie erkennen, dass sie nicht in diese Welt passt. Sie bemüht sich, passt sich an, findet in Sophie und Alison auch zwei Freundinnen. Ein Ereignis am Ende des ersten Studienjahres lässt ihre Welt jedoch zusammenbrechen. Von einem Kommilitonen, der zu den berühmt-berüchtigten Libertines gehört, die sich dank des Geldes ihrer Familien alles erlauben können, wird sie vergewaltigt und ergreift schließlich die Flucht. Zwanzig Jahre später ist sie nicht mehr das naive Mädchen, sondern eine knallharte Prozessanwältin und es scheint als sei endlich der Tag der Abrechnung gekommen.

Sarah Vaughns Roman lebt von den unterschiedlichen Perspektiven auf die Ereignisse. Im Wechsel werden die Protagonisten beleuchtet: die Anklägerin, der Angeklagte und dessen Frau. Obwohl es zunächst um den Vergewaltigungsvorwurf gegen den Politiker James Whitehouse geht, wird bald schon klar, dass eigentlich die beiden Frauen mit ihren widersprüchlichen Emotionen und Überzeugungen die interessantesten Figuren sind.

Zwei Aspekte hat Vaughan für mein Empfinden sehr überzeugend in ihrer Geschichte dargestellt: zum einen die ausufernden Partys, die die Sprösslinge der Oberschicht in den Elitelehranstalten feiern und die Arroganz, mit der sie schon in jungen Jahren den Menschen gegenübertreten, wo sie selbst noch nichts im Leben geleistet oder erreicht haben. Ihnen gehört die Welt, sie kaufen sie sich und drehen die Wahrheit wie es ihnen passt. Als Studenten und später im Berufsleben. Die dort geknüpften Bande sind hart wie Stahl und durch nichts zu erschüttern. So sichern sie sich gegenseitig ab und garantieren auch, dass niemand den Schutzwall, der sie scheinbar umgibt, durchdringt.

Der zweite Punkt liegt in der Figur von Ehefrau Sophie, die zwar nicht die cleverste Studentin zu sein scheint, aber durchaus über ausreichend Weitblick verfügt, zu durchschauen, was James mit ihr macht. Sie spielt mit, weil das die Rolle ist, zu der sie erzogen wurde und kann lange Zeit nicht über ihren Schatten springen, obwohl die Zweifel an ihr nagen. Ein wenig mehr Mut hätte es gebraucht, etwas mehr Rückgrat und die Dinge hätten anders verlaufen können. Ihre passive Schicksalsergebenheit macht sie schuldig.

Kein Gerichtsthriller, kein Drama, sondern eine Menschenstudie, die sehr gut gelungen ist und trotz des Hoffnungsschimmers am Ende ein wenig Frust zurücklässt, weil nämlich die Wahrheit nicht immer den Weg ans Licht findet und nicht jede Tat angemessen bestraft wird.

Veikko Bartel – Mörderinnen

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Veikko Bartel – Mörderinnen

Wer einen Menschen tötet, ist ein Mörder und schuldig. So einfach. Und manchmal genauso falsch. Veikko Bartel ist Strafverteidiger und schildert vier Fälle von Frauen, die ohne Frage einem Menschen das Leben genommen haben, aber die Frage nach ihrer Schuld ist keineswegs so einfach zu beantworten. Elvira P. tötet ihr Kind, ein grausames und verabscheuungswürdiges Verbrechen, doch was vor Gericht geschieht, lässt ihr Leben und die Tat in einem anderen Licht erscheinen. Hertha F. ist schon jenseits der 70, als sie den Mord an ihrem Mann begeht – doch wirklich daran erinnern kann sich die einstige Karrierefrau nicht mehr. Gina S. hingegen weiß sehr genau, was sie getan hat, aber die Sichtweise des Opfers ihres Mordversuchs verblüfft die Ermittler. Und Natascha G. scheint ebenfalls zwei Gesichter zu haben: das, das die Polizei sieht und das, das die Männer in ihrem Leben sehen wollen. Vier eindeutige Fälle, bei denen am Ende gar nichts mehr eindeutig ist.

„So unterschiedlich die Fälle, so verschieden meine Mandanten in Alter, Motiven, Lebensläufen waren, auf welchem Wege sie wem das Leben nahmen – eine Erkenntnis ist allumfassend: Jeder Mensch kann töten. Und er wird es tun, kommt er nur an eine ganz bestimmte Grenze.”

Das Zitat stammt aus der Einleitung des Buchs und zu diesem Zeitpunkt mag man es dem Autor noch nicht ganz glauben. Die Fälle jedoch, die er beschreibt, sind eindeutige Belege hierfür. Keine der Frauen war durch und durch böse, keine hatte Tötungsabsichten aus reiner Mordlust. Sie alle vier sind das Ergebnis der Umstände, in denen sie aufgewachsen sind bzw. leben. Sie begehen Taten, die sie sich selbst vermutlich nie hätten träumen lassen und die kaum zu dem Bild passen, das man sonst von ihnen hat. Der erste Eindruck, nachdem man von der Tat hört, muss revidiert werden und am Ende des Prozesses fragt man sich tatsächlich, ob nicht die Täterinnen die eigentlichen Opfer sind.

„Fast 20 Jahre Strafverteidigung haben mir zwei fundamentale Erkenntnisse beschert. Zum einen (das ist mein vollster Ernst): Das Gute wird siegen. Immer.
Zum anderen: Es gibt Paralleluniversen. Wenn ich am Tag nach einem Prozess, in dem ich verteidigt hatte, die Zeitungsberichte über genau dieses Verfahren las, wusste ich oft: In diesem Verfahren habe ich definitiv nicht verteidigt.”

Dies ist die andere Erkenntnis, zu der Bartel kommt und die man leicht nachvollziehen kann. Der voyeuristische Boulevard benötigt Meldungen, die in ein bestimmtes Schema passen und die sensationelle Schlagzeilen produzieren. Die Fälle der Frauen passen nicht dazu, weshalb die Darstellung in der Presse entweder verkürzt und zugespitzt wird, so dass man die Menschen dahinter gar nicht mehr erkennen kann, oder die Fälle verschwinden genauso schnell wieder in der Schublade wie sie aufgepoppt waren.

Ein lesenswertes Buch, das zwar viele intime Details offenlegt, aber den Schmalen Grat zwischen Voyeurismus und erläuternder Darstellung locker meistert. Für mich nicht nur informativ und interessant, sondern vor allem bereichernd und zum Nachdenken anregend.

Alex Pohl – Eisige Tage

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Alex Pohl – Eisige Tage

Kurz vor Weihnachten ist in Leipzig der Winter ausgebrochen, was dem Fundort einer Leiche nicht gerade zuträglich ist. Hanna Seiler und ihr Kollege Milo Novic müssen sich aber vor Ort ein Bild von dem Mann machen. Die Tatwaffe ist ungewöhnlich, eine alte Makarow, handelt es sich etwa um eine Tat aus dem Milieu? Doch ein Besuch des lokalen Unterweltboss Iwanow bleibt ergebnislos. Als sie das Handy des Toten endlich knacken, finden sie ein Video, das sie auf eine ganz andere Spur bringt: offenbar hatte er ein Faible für sehr junge Mädchen. Derweil ist Elise zum ersten Mal im Leben so richtig verliebt, so sehr, dass sie es auf einen finalen Streit mit den Eltern ankommen lässt. Aber wissen die denn schon, Aljoscha liebt sie, hat sich sogar extra wegen ihr tätowieren lassen und will mit ihr gemeinsam nach Moskau gehen. Nur manchmal, da ist er etwas seltsam, aber darüber kann man frisch verliebt locker hinwegsehen…

Alex Pohl erster Roman unter seinem Klarnamen, nachdem er bereits Erfolge mit dem Pseudonym L.C. Frey hatte, ist zugleich der Auftakt für eine Serie um die beiden ostdeutschen Ermittler Seiler und Novic. Der Plot ist vielversprechend, aber für mich war einiges noch etwas zu holprig in dem Roman. Auch die beiden Protagonisten hat er mit interessanten Facetten ausgestattet, aber so ganz rund erschienen sie mir nicht.

Vom Ende her gesehen ist der Kriminalfall in sich stimmig und auch glaubwürdig. Allerdings kam mir der Geistesblitz des Polizisten, der letztlich alle Fäden zusammenführt und die Lösung offenlegt, etwas zu unmotiviert aus dem Nichts. Vorher eiert die Polizei in allen Richtungen herum ohne wirklich eine Strategie oder Spur zu verfolgen und unerwartet durchschaut Novic plötzlich alles. Da ist sicher noch Potenzial nach oben.

Novic ist es auch, der insgesamt schwer greifbar bleibt. Traumatisiert durch seine Kindheitserfahrungen im Balkankrieg hat er ganz offenkundig so einige Schäden davongetragen; er wirkt jedoch eher autistisch, was nicht ganz zu einem posttraumatischen Belastungssyndrom passt. Auch finde ich diese halsbrecherischen Alleingänge von Ermittlern etwas ausgelutscht – hat man zu oft gelesen und ist bei der heutigen Polizeiarbeit nicht mehr angesagt. Sein Pendant dagegen ist leider auch ziemlich klischeehaft überzeichnet. Erst erscheint Hanna Seiler ziemlich dümmlich und ist von den banalsten Ermittlungsschritten ihres Kollegen völlig fasziniert, dann präsentiert sie sich sie als alleinerziehende Mutter, die ihrem Sohn nicht gerecht wird, gleichzeitig aber locker bereit ist, alle Register zu ziehen, wenn erforderlich auch mal Schmiergeld zu zahlen, und mit der Unterwelt entspannt auf Du und Du ist.

Die verschiedenen Zeitebenen sollen vermutlich die Spannung steigern, haben bei mir aber eher zu Verwirrung geführt, da sie nur wenige Tage auseinanderliegen, aber immer hin und zurückspringen ohne das genau klar wird, welches Kapitel jetzt zu welchem Tag gehört. Noch dazu hatte ich zunächst nicht beachtet, dass die Handlung gar nicht chronologisch fortschreitet.

Alles in allem durchaus eine Serie mit Potenzial, die noch einige Luft nach oben hat.

Øistein Borge – Hinterhalt

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Øistein Borge – Hinterhalt

Vier Jahre ist es her, dass Bogart Bull zuletzt bei seinem Großvater in Nordirland war, doch diesen Sommer ist es so weit, denn dem alten Mann geht es nicht gut und zudem will Bogart mit seinem Vater und Großvater der verstorbenen Mutter und Großmutter gedenken. Doch kaum ist Bull in Belfast angekommen, wird er zu einem Fall mit zwei ermordeten Norwegern hinzugezogen. Als Europol-Kommissar für auswärtige Angelegenheiten hat er keine große Wahl und muss statt zu urlauben mit den lokalen Ermittlern zusammenarbeiten. Der Fall ist mysteriös, denn neben dem älteren norwegischen Ehepaar wurde auch noch eine dritte Leiche in unmittelbarer Nähe gefunden und diese Leichen weist deutliche Parallelen zu alten Fällen auf: zwei leere Augenhöhlen und darin eine Lilie. Das unverkennbare Zeichen der IRA. Hat die kriminelle Organisation sich neuformiert und den bewaffneten Kampf wieder aufgenommen?

Fall zwei für den skandinavischen Kommissar mit dem außergewöhnlichen Namen. „Kreuzschnitt“ hatte mich bereits begeistert, weshalb die Erwartungen an diesen Band der Reihe ebenfalls hoch waren. Wieder eine spannende und vor allem politisch-komplexe und interessante Geschichte, die jedoch aufgrund der nicht ganz überzeugenden persönlichen Verwicklungen Bulls nicht ganz an den Serienauftakt heranreicht.

Mit Belfast als Handlungsort ist die Nordirlandfrage quasi zwingend als Aspekt gesetzt und dies wird auch überzeugend und glaubwürdig von Øistein Borge umgesetzt.

» (…) Er stirbt niemals.«

»Was stirbt niemals?«

»Der Hass«, seufzte McKenna. »Der Frieden ist in erster Linie dem Umstand geschuldet, dass beide Seiten in diesem Konflikt müde geworden waren. Es gibt alte IRA-Kämpfer, die meinen, dass Sinn Féin – also der politische Flügel der IRA mit Gerry Adams an der Spitze – den Traum verraten hat, für den Tausende von irischen Katholiken ihr Leben gegeben haben: den Bruch mit England und eine Wiedervereinigung mit der Republik im Süden.

 

Dieser Hass ist es, der Generationen überdauert und auch Jahrzehnte später noch Grundlage für Morde und Vergeltung ist. Borge greift die 2016er Brexit-Abstimmung als Ausgangspunkt auf. Was damals wie auch heute noch gleichermaßen ungewiss ist, ist der Status des geteilten Irland und die Grenze, die dank der EU-Zugehörigkeit quasi der Vergangenheit angehörte und nun mit dem Ausscheiden aus dem Bündnis wieder hochaktuell wurde. Ohne zu sehr ins Detail zu gehen wird der Konflikt am Beispiel der persönlichen Betroffenheit der Figuren deutlich und verständlich.

Bulls Familiengeschichte wird hier weitergesponnen und vor allem nun die zurückliegenden Ereignisse etwas mehr ins Licht gerückt. Es bleiben jedoch noch einige Fragen, die hoffentlich in den Folgebänden etwas klarer werden. Insgesamt ein anspruchsvoller Krimi, der überzeugt.

Katharine Smyth – All the Lives We Ever Lived

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Katharine Smyth – All the Lives We Ever Lived. Seeking Solace in Virginia Woolf

The death of her father has left Katharine pondering about her life and the people playing major roles in it. Amongst them is not only her family but also Virginia Woolf whose works deeply impressed her when she was a student at Oxford. The parallels between “To the Lighthouse” and her own life are stunning, especially when it comes to the impact that places have on the people. It is her family’s summer house in Rhode Island that first and foremost underlines this impression. Re-reading Virginia Woolf gives her the opportunity to understand her grief as well as her family relationships and to finally cope with her father’s passing.

Katharine Smyth makes it easy for the reader to follow her thoughts. Even though it is some years since I last read “To the Lighthouse”, I could effortlessly find my way back into the novel and see the thread that Smyth also saw. I found it an interesting approach for a memoir or biography and I liked it a lot.

There are two major aspects that I’d like to mention. First of all, Katharine Smyth cleverly shows how literature can help to overcome hard situations and to find solace in reading. It has been a concept since the ancient times, the classic Greek drama with its purgatory function and the possibility of a katharsis which helps you to sort out your feelings and opens the way to go on in life. Second, I also appreciated the author’s frankness. It is certainly not easy to write about the own father’s addiction and his slow deterioration, yet, the process of writing might have helped her, too, and embellishing things would have been counterproductive here.

An interesting memoir which was also beautifully written that made me think about which novel I would pick as a parallel to my own life.

Hiromi Kawakami – Die zehn Lieben des Nishino

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Hiromi Kawakami – Die zehn Lieben des Nishino

Yukihiko Nishino ist ein auf den ersten Blick unauffälliger Mann, doch irgendetwas fasziniert an ihm und die Frauen verfallen reihenweise seinem Charme. Zahlreiche Freundinnen hat er, zeitgleich, kurz nacheinander; oftmals wissen sie voneinander, vielfach ignorieren sie die anderen. Er trifft sie, er liebt sie, er telefoniert mit ihnen, trennt sich und begegnet ihnen Jahre später wieder. In der Schule, auf der Arbeit, in einem Kochkurs, die Nachbarin – überall lernt er Frauen kennen, die sich ihm ergeben. Nun erzählen sie von ihrem Liebhaber, von dem sie oftmals gar nicht wissen, ob sie ihn überhaupt geliebt haben, aber ganz sicher haben sie ihn vermisst, als er fort war.

Die japanische Autorin Hiromi Kawakami hat mit ihrem Roman ein außergewöhnliches Portrait eines Mannes geschaffen. Sie hat in ihrer Heimat zahlreiche Literaturpreise erhalten und ist seit einigen Jahren auch in Deutschland zu lesen. Ihr literarisches Feingefühl offenbart sich schon nach wenigen Seiten, wenn man nämlich durchschaut hat, dass sie in ihrem Roman die zentrale Figur immer nur vorbeihuschen lässt, sich ihm nie direkt, sondern immer nur durch andere Figuren nähert. Das diffuse Bild, das so entsteht, ist jedoch das Bild, das den Charakter Nishinos ausmacht.

Er bleibt schwer zu greifen, selbst für die Frauen, die ihn liebten:

„(…) war Nishino ein gutaussehender Mann. Adrett gekleidet, wohlerzogen und charmant. Und zur Krönung in einer renommierten Firma beschäftigt. (138)“

Die Äußerlichkeiten sind greifbar, aber eine herzliche Wärme strahlt er nicht aus. Er schläft mit den Frauen, zeigt Interesse und Zuneigung, aber es bleibt eine undefinierte Distanz, geradezu eine Kälte wie eine der Frauen beschreibt. Es ist diese Gegensätzlichkeit, die er scheinbar ausstrahlt, die die Frauen magisch zu ihm hinzieht:

„Mir gegenüber war er jedenfalls nicht besonders höflich, und besonders moralisch verheilt er sich auch nicht.“ (152)

Trotzdem fühlen sie sich geliebt – auch wenn Nishino am Ende seines Lebens Zweifel daran hegt, tatsächlich jemals geliebt zu haben. Mit jedem neuen Kapitel lernt man auch eine andere Facette Nishinos kennen. Was bleibt sind vor allem Erinnerungen an ihn, schöne Momente, die die Frauen teilten und die Erkenntnis, dass sie ihn hätten ziehen lassen dürfen.

Japanische Literatur ist immer etwas anders, man spürt die gesellschaftlichen Zwänge in ihr deutlicher als dies in manch anderer Kultur ist und die dadurch hervorgebrachte und tolerierte Untergrundkultur des Ausbruchs wird oftmals zum Schauplatz der Handlung. Was in „Die zehn Lieben des Nishino“ deutlich wird, ist die Schwierigkeit der dauerhaften Zuneigung und der tatsächlichen Liebe. Vielfach scheinen die Figuren Sex und Liebe gleichzusetzen und sich dann zu wundern, dass über die Lust hinaus nur wenig Verbindendes bleibt. Die Isolation des Individuums, von der man in vielen Gegenwartsromanen des fernöstlichen Landes lesen kann, tritt auch hier deutlich hervor. Selbst eine Heirat scheint kein inneres Bekenntnis zu sein.

Karen Thompson Walker – The Dreamers

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Kren Thompson Walker – The Dreamers

When the first student doesn’t wake up after a long party night, nobody is really scared, it’s just something that happens. But when more and more people in the small Southern Californian college town just fall sound asleep, fear starts to grow. What is happening in town? Is this an infection and what does the sleep do to the people? Students, professors, nurses, doctors, average people – they all can catch the mysterious virus which seems to cause wild dreams and a comatose state. Public life slowly comes to a standstill and the town is put under quarantine, it has become too dangerous to go there because nobody knows what kind of new biological threat they are dealing with. Who will win: the virus or the human race?

Sometimes there are books that you suddenly see everywhere and everybody seems to talk about them. When I first came across “The Dreamers”, I was convinced that this was nothing for me, I prefer realistic stories and nothing too fancy and out of the ordinary.  But the hype about it rose my curiosity and thus, I wanted to know what is behind it all. Well, to sum it up: a notable novel which is skilfully written and got me hooked immediately.

What I appreciated especially were two things. First of all, the dramaturgy of the plot. The mysterious virus just infects students and then slowly spreads and the number of characters that we got to know is progressively affected and falls asleep. As the number of victims rises, the life in the small town is reduced more and more to a minimum. It is obvious that there must be some kind of final fight in which either side gains the upper hand and the other succumbs – yet, Karen Thompson Walker finds a different solution which I liked a lot since it perfectly mirrors life’s ambiguity.

The second aspect was even more impressive. I fell for the author’s laconic style of writing. It is down to earth, concise and everything but playfully metaphorical. It reflects the characters’ mood of having to survive under the extreme circumstances: Just go on, do what is necessary, keep your head high and make yourself useful. That’s just how it is, so what? No need to fantasize about an alternative world, we just have this situation and need to cope with it.

To sum it up: just like the sleep overcomes the characters, this novel could spellbind me.

Dominic Selwood – Das Feuer der Apokalypse

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Dominic Selwood – Das Feuer der Apokalypse

Eigentlich will Ava Curzon, nachdem sie der Geheimdienstarbeit den Rücken gekehrt hat, in Ruhe ihrer archäologischen Arbeit nachgehen. Als man sie jedoch um Mitarbeit in einem komplexen Fall bittet, wird ihr Jagdinstinkt geweckt. Ein russischer Oligarch scheint auf der Suche nach einer mysteriösen Ikone zu sein und eine Prophezeiung von Rasputin wirft mehr Fragen auf als sie Antworten gibt. Haben sie es mit religiösen Fanatikern zu tun oder sind die Männer auf der Spur einer Jahrtausende alten Offenbarung?  Ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt, der Ava mehr als einmal ins Fadenkreuz ihrer mächtigen Gegner bringt.

Dominic Selwoods Roman bietet all das, was man von einem Verschwörungs- und Geheimdienstthriller erster Güte erwarten kann: unerschrockene Ermittler, sich gegenseitig misstrauende und bekämpfende Dienste, Verschwörungen biblischen Ausmaßes, Geheimbünde und Orden, sowie alte Weissagungen und Mysterien, die nur darauf warten endlich entschlüsselt zu werden. Das alles wird in hohem Tempo erzählt und kulmuniert in einem furiosen Finale.

Natürlich ist die riesige Verschwörung nicht ganz glaubwürdig und auch die Anzahl der Schutzengel, die die Protagonistin Ava benötigt, und das Tempo, mit dem sie sich von einem ins nächste Land bewegt und sofort auf die nächste Spur stößt, kratzen bisweilen an der Grenze der Glaubwürdigkeit. Aber dies sollte nicht der Maßstab sein, denn es ist nun einmal ein Buch, das unterhalten will und das gelingt dem Autor ohne Frage. Ava trägt die Handlung und begleitet den Leser durch ihre Schatzsuche. Besonders gut gefallen hat mir die ausgewogene Mischung zwischen biblisch-historischen Exkursen, die die aktuellen Geschehnisse einordnen und ihnen Plausibilität verleihen, und dem rasanten Tempo der Verfolgungsjagd bzw. dem Wettlauf zwischen Ava und dem Oligarchen. Nie kommt ein Moment des Durchatmens und Sacken-Lassens, immer weiter peitsch Selwood die Handlung voran und liefert ein Puzzleteilchen nach dem nächsten.

Mir war der Autor bis dato nicht bekannt, der Roman hat mich aber neugierig gemacht, dass ich den zweiten Teil einer Reihe gelesen habe, war mir gar nicht aufgefallen, denn er hat auch so wunderbar funktioniert. Thematisch und vom Genre kann sich Selwood direkt neben Dan Brown und Steve Berry einordnen und mit „Das Feuer der Apokalypse“ steht er den ganz großen Erfolgen der beiden Megaseller in gar nichts nach.

Catherine Ryan Howard – Ich bringe dir die Nacht

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Catherine Ryan Howard – Ich bringe dir die Nacht

Nichts hat Alison weniger erwartet als Besuch von der Polizei. Von der irischen Polizei und das, wo sie seit zehn Jahren in den Niederlanden lebt. Nach den schrecklichen Vorfällen war sie geflohen und hat sich mühsam ein neues Leben aufgebaut und versucht zu vergessen. Doch jetzt beginnt alles scheinbar von Neuem. Der so genannte Kanalkiller von Dublin hat wieder zugeschlagen, aber eigentlich sitzt dieser doch im Gefängnis? Sie selbst hatte auch keine Zweifel mehr an der Schuld ihres Freundes Will, nachdem dieser die Morde an den Studentinnen gestanden hatte. Doch nun werfen die neuerlichen Tötungen Fragen auf und Will möchte reden, aber nur mit einer einzigen Person: mit Alison. Ist er womöglich doch unschuldig?

Catherine Ryan Howards zweiter Krimi war einer der erfolgreichsten Titel im angloamerikanischen Raum 2018. Es braucht nur wenige Seiten, um dies nachvollziehen zu können: die Autorin packt einem vom ersten Moment und man ist derart gefesselt von der Geschichte, dass man den Roman kaum beiseite legen möchte. Ein Thriller, der zwar durchaus bekannte Muster zeigt, aber dennoch überraschen kann und unerwartete Wendungen aufbietet.

Auf zwei Zeitebenen werden die Ereignisse der Gegenwart und der Vergangenheit erzählt. Interessant dabei bleibt, dass manche der Figuren doch so zweideutig und vage bleiben, dass man bis zur letzten Seite nicht sicher ist, ob man ihnen trauen kann oder ob sie ein falsches Spiel spielen. Die Protagonistin Alison bleibt dabei als 19-jährige Studentin etwas unbedarft und naiv und ist auch zehn Jahre später nicht viel weiter. Nichtsdestotrotz trägt die Figur die Handlung überzeugend und man kann ihr emotionales Hin-und-Hergerissen-sein sehr gut nachvollziehen.

Der Fall ist plausibel konstruiert und clever spielt die Autorin mit den Wissenslücken und voreiligen Deutungen der Figuren, um so nicht nur ihre Charaktere in zweifelhaftem Licht erscheinen zu lassen, sondern auch dem Leser einige Fährten zu legen, denen man bereitwillig folgt.

Kein Thriller, der an die Grenzen der Nervenanspannung geht, aber der Schreibstil hält die Ungeduld und Vorahnung konstant oben und lässt sowohl das Setting wie auch die Figuren authentisch und glaubhaft wirken. Es braucht keine brutalen Szenen mit detailreichen Schilderungen von Verletzungen und dem Aussehen der Leichen, um spannungsreich gut zu unterhalten.

Ein herzlicher Dank geht an den Rowohlt Verlag für das Rezensionsexemplar. Mehr Informationen zu Autorin und Buch finden sich auf der Verlagsseite.

Alexandra Turney – In Exile

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Alexandra Turney – In Exile

Summer in Italy can be rather boring when all the friends are on holiday with their families. But Grace’s boredom finds an end when she stumbles across an ancient god, Dionysus. Quite naturally she doesn’t believe his story in the beginning, but slowly recognised who or rather: what he really is. When her friends Caroline and Sara return, she tells them about him and they are eager to meet him, too. So is the ancient god and since he has been longing for nymphs to feed him, the three teenagers are a welcome prey for his doings. Dionysus, not only the god of grapes and wine making, but also the god of ritual madness and religious ecstasy will lead the girls to somewhere they have never been before.

I am torn between finding it wonderful and shaking my head when it comes to Alexandra Turney’s second novel. On the one hand, it is beautifully written and I was captivated from the start, on the other hand, it is all a bit too much and too unrealistic. I was waiting all the time for some kind of revelation that could explain it all. Maybe it is just my being a bit too serious that keeps me from imaging an ancient god being reborn and founding a new kind of cult.

What I found quite realistic, in contrast, was how the three girls are spell-bound by the god and become addicted to his wine. It doesn’t take them too long until their whole thinking only circles around their Friday evening ecstasies. They eagerly sacrifice everything that was important to them before for their new god and the feelings that arouse when being drunk. They aren’t even scared when they realise what they are capable of doing when being drunk.

An extraordinary book that sure captures the spirit and atmosphere of Rome where you sometimes are lead to believe that all is possible and where the long history can carry away your thoughts easily.