Sasha Filipenko – Die Jagd

Sasha Filipenko – Die Jagd

Anton Quint ist Journalist in Moskau, kein einfacher Beruf, vor allem nicht dann, wenn man gegen Korruption und für das Aufdecken illegaler Machenschaften kämpft. Er weiß, dass sein Job gefährlich ist, schon vier seiner Kollegen sind ums Leben gekommen, auch die Geburt seiner Tochter und das eindringliche Bitten seiner Frau können ihn nicht aufhalten, denn er ist gerade einer großen Geschichte auf der Spur. Diese führt zu dem Oligarchen Slawin, der vorgeblich sein Vaterland liebt, was ihn aber nicht daran hindert, zig Immobilien im Ausland zu besitzen. Der Journalist ist ihm ein Dorn im Auge und so beauftragt er seinen Neffen Kalo und dessen Freund Lew, dafür zu sorgen, dass Quint das Land verlässt. Wie ist egal, ebenso die Kosten. Ein perfider Plan wird ausgeheckt und umgesetzt und Anton muss machtlos zusehen, wie sein Leben zerstört wird.

Bei gesellschaftskritischen oder politischen Romanen, drängt sich immer ein wenig die Frage auf, wie viel Meinung des Autors in dem Text steckt. Sasha Filipenko ist jenseits des Schreibens weißrussischer Aktivist – mit allen Gefahren, die dazugehören. Es mutet fast verwunderlich an, dass sein Roman „Die Jagd“ für die beiden größten russischen Literaturpreise nominiert war, wenn man sich die Brisanz des Inhalts anschaut. Es ist eine gnadenlose Abrechnung mit dem politischen System und der durch dieses gesteuerten Presse. Aber auch mit der Bevölkerung, die dies hinnimmt und sich eingerichtet hat.

„Ich bin unlogisch, und das gibt mir recht. Russland ist ein Land, in dem die Mehrheit nur Lügen glauben will.“

Lew hat als Kind in den 90ern den Abstieg seiner Familie miterlebt, von teuren Klamotten und Chauffeur und Privatschule ist nichts mehr geblieben. Er hat verstanden, dass er sich anpassen muss, wenn er in Russland überleben will. Das Angebot seines Schulfreunds für Onkel Wolodja, den Oligarchen, zu arbeiten, ist verlockend und bald schon füttert er das Internet mit Lügen und Erfindungen und hat sogar Spaß daran. Bis die große Aufgabe kommt, den unbequemen Journalisten zu vertreiben, die weitaus mehr erfordert.

Kalo und Lew wählen eine Strategie der Zermürbung. Seine Wohnung wird zum Kampfplatz, die „neuen Nachbarn“ tyrannisieren Anton und seine Familie. Daneben wird eine mediale Schmutzkampagne gestartet, die den vormals angesehenen Reporter schnell ins Abseits befördert, Freunde und Familie wenden sich von ihm ab, glauben das, was über ihn geschrieben wird, oder haben selbst so viel Angst vor Repressalien, dass sie sich schnell von ihm distanzieren.

„Vielleicht irre ich mich, aber mein erster Eindruck ist: Russland ist ein Land der Klischees. Die Leute sprechen mehrheitlich in den Parolen, die sie tags zuvor im Fernsehen aufgeschnappt haben. Es ist nicht üblich, Informationen zu verdauen.“

Filipenko schildert detailliert, wie einfach es ist, Anton zu diskreditieren und letztlich gesellschaftlich und beruflich zu töten. Noch dazu viel ungefährlicher, als ihn einfach zu töten, denn schnell springen andere mit auf den Zug auf und führen das fort, was Kalo und Lew initiiert haben. Besonders ironisch dabei eine Kurzgeschichte des Reporters, in der der fiktive TV Sender Execution-HD die Öffentlichkeit über vermeintliche Straftäter urteilen lässt. Hier: ein Blog-Beitrag ohne Inhalt. Die Empörung ist groß, man hat verstanden, was der Urheber damit sagen will und dafür gehört der Vaterlandsverräter hart bestraft. Was zu Beginn des Romans noch absurd amüsant anmutet, ist jedoch nur der Hinweis darauf, was Anton erwartet.

Man hat beim Lesen keine Zweifel, dass sich all dies genau so, wie es Filipenko schildert, zutragen könnte. Wer Geld hat und mit den richtigen Menschen befreundet ist, kann sich offenbar alles kaufen und alles erlauben. Kollateralschäden, wie Slawins eigener Sohn Alexander oder Antons Familie, werden billigend in Kauf genommen.

Man soll Literatur nicht zwingend als Abbild der Realität sehen, aber es fällt schwer, dies hier nach den Ereignissen in Russland und Belarus in den vergangenen Jahren zu trennen. Am erschreckendsten dabei, wie einfach der Plan ist, der reibungslos aufgeht. Ein Roman, der nachwirkt und kein gutes Gefühl zurücklässt.

Martin Walker – The Shooting at Château Rock

Martin Walker – The Shooting at Château Rock

The death of an old sheep farmer does not seem too suspicious, he was suffering from heart problems and scheduled for getting a pacemaker. Yet, when his son and daughter find out that they have been disinherited and that their father had planned to move into a luxurious retirement home, this raises questions. Even more so when neither the insurance nor the notaire responsible for the contract can be gotten hold of. While Bruno Courrèges, Chief of Police of St. Denis, investigates, he also enjoys the Dordogne summer and especially the time with his friends, amongst them former musician Rod Macrae who lives in an old nearby castle and is waiting for his children to spend some time there. Bruno is fond of the two now grown-ups and quite surprised when gets to know Jamie’s girl-friend: Galina Stichkin, daughter of a superrich oligarch and close friend of the Russian president.

The 15th case for the amiable French policeman again offers the pleasant atmosphere of the southern French countryside with a lot of talk about the historical heritage of the region and even more about the local food and the best way to enjoy it. What starts with a suspicious case of foul play and thus seems to be quite in line with the former novels, quickly, however, turns into a highly political plot covering debatable recent affairs and bringing the big political picture to the small community. Therefore, “The Shooting at Château Rock” isn’t just a charming cosy crime novel but rather a complex political mystery.

There are several reasons why one can adore the Bruno, Chief of Police series. On the one hand, you will be never disappointed when you like to delve into the French cuisine and learn something new about the Dordogne regions rich nature and food. On the other hand, this is surely not the place for fast-paced action with a lot of shootings and deaths. The plots centre around the people and some very basic motives for their deeds – as expected, all to be uncovered by Bruno.

What I liked most this time was how Walker combined a petty crime – if one can call a cold-blooded murder a petty crime – with the global organised crime which operates in the financial sector just as in politics and is long beyond being controlled by official security agencies. He convincingly integrates real life events which shook the public and will ever remain notes in the history books of where mankind simply failed to protect civilians from underground forces with their very own agenda.

Another perfect read for some summer escape to the French countryside.

Mark Johnson – Die schlichte Wahrheit

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Mark Johnson – Die schlichte Wahrheit

Dass er einmal in der Politik landen würde, hatte sich Jonatan Stark nicht vorstellen können. Neue Technologien entwickeln, um umweltfreundlich die erforderliche Energie herzustellen, war sein großer Traum. Doch als ein ehemaliger Studienkollege ihm den Job offerierte, schlug er zu. Nun aber läuft die Sache aus dem Ruder, der Ministerpräsident persönlich bittet ihn als Experten um einen Gefallen, er soll bei der Beraterfirma Lionshare spionieren und deren revolutionäre Technik auskundschaften. Alles zum Wohl des schwedischen Volkes – und um die Haut des Politikers zu retten, dessen Umfragewerte eine deutliche Sprache sprechen. Jonatan spielt notgedrungen mit und gerät in ein unglaubliches Geflecht von rücksichtslosen Politikern, geldbesessenen Interessen von Wirtschaftsbossen und brutalen russischen Oligarchen.

Mark Johnson bedient sich in seinem Debutroman „Die schlichet Wahrheit“ gängiger Versatzstücke guter Politthriller: eine aufgeheizte politische Stimmung; ehrgeizige Individuen, die bereit sind über Leichen zu gehen; Journalisten, die noch an höhere Ideale glauben und für diese viel riskieren; russische Oligarchen, die sich über den heimlichen Besitz an Energieunternehmen nicht nur ein Einkommen sichern, sondern westliche Staaten von sich abhängig und erpressbar machen. Dazu noch ein paar Mordanschläge und vor allem ein unbescholtener, sympathischer Bürger, der zwischen die Fronten gerät. Das kann in einem spannenden und rasanten Thriller münden – oder eben sensationell danebengehen. So wie hier.

Das ganze Konstrukt ist so aberwitzig, dass es jeder Glaubwürdigkeit entbehrt. Die beiden Politiker versuchen sich mit absurdesten Spielchen, die zu nicht mehr als Kopfschütteln taugen, gegenseitig reinzulegen. Die ganze Handlung wird auf wenige Stunden komprimiert, was allein schon große Fragen nach dem Realitätsgehalt aufreißt. Es gibt quasi kein Klischee, das Johnson auslässt, im Gegenteil, alle werden maximal bedient, großes Highlight: der folternde russische Oligarch – platter geht es kaum. Freund und Feind sind irgendwie einerlei und dem guten Jonatan können Folter, Verfolgungsjagden und brenzligste Situationen nichts anhaben. „Die schlichte Wahrheit“ ist schlicht ganz großer Unfug, der maximal als fürs Actionkino taugt, wo auf glaubwürdige und logische Handlung nicht viel Wert gelegt wird.

Dominic Selwood – Das Feuer der Apokalypse

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Dominic Selwood – Das Feuer der Apokalypse

Eigentlich will Ava Curzon, nachdem sie der Geheimdienstarbeit den Rücken gekehrt hat, in Ruhe ihrer archäologischen Arbeit nachgehen. Als man sie jedoch um Mitarbeit in einem komplexen Fall bittet, wird ihr Jagdinstinkt geweckt. Ein russischer Oligarch scheint auf der Suche nach einer mysteriösen Ikone zu sein und eine Prophezeiung von Rasputin wirft mehr Fragen auf als sie Antworten gibt. Haben sie es mit religiösen Fanatikern zu tun oder sind die Männer auf der Spur einer Jahrtausende alten Offenbarung?  Ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt, der Ava mehr als einmal ins Fadenkreuz ihrer mächtigen Gegner bringt.

Dominic Selwoods Roman bietet all das, was man von einem Verschwörungs- und Geheimdienstthriller erster Güte erwarten kann: unerschrockene Ermittler, sich gegenseitig misstrauende und bekämpfende Dienste, Verschwörungen biblischen Ausmaßes, Geheimbünde und Orden, sowie alte Weissagungen und Mysterien, die nur darauf warten endlich entschlüsselt zu werden. Das alles wird in hohem Tempo erzählt und kulmuniert in einem furiosen Finale.

Natürlich ist die riesige Verschwörung nicht ganz glaubwürdig und auch die Anzahl der Schutzengel, die die Protagonistin Ava benötigt, und das Tempo, mit dem sie sich von einem ins nächste Land bewegt und sofort auf die nächste Spur stößt, kratzen bisweilen an der Grenze der Glaubwürdigkeit. Aber dies sollte nicht der Maßstab sein, denn es ist nun einmal ein Buch, das unterhalten will und das gelingt dem Autor ohne Frage. Ava trägt die Handlung und begleitet den Leser durch ihre Schatzsuche. Besonders gut gefallen hat mir die ausgewogene Mischung zwischen biblisch-historischen Exkursen, die die aktuellen Geschehnisse einordnen und ihnen Plausibilität verleihen, und dem rasanten Tempo der Verfolgungsjagd bzw. dem Wettlauf zwischen Ava und dem Oligarchen. Nie kommt ein Moment des Durchatmens und Sacken-Lassens, immer weiter peitsch Selwood die Handlung voran und liefert ein Puzzleteilchen nach dem nächsten.

Mir war der Autor bis dato nicht bekannt, der Roman hat mich aber neugierig gemacht, dass ich den zweiten Teil einer Reihe gelesen habe, war mir gar nicht aufgefallen, denn er hat auch so wunderbar funktioniert. Thematisch und vom Genre kann sich Selwood direkt neben Dan Brown und Steve Berry einordnen und mit „Das Feuer der Apokalypse“ steht er den ganz großen Erfolgen der beiden Megaseller in gar nichts nach.