Alexandra Fröhlich – Meine russische Schwiegermutter und andere Katastrophen

Paula, frisch getrennt und mäßig erfolgreich mit ihrer eignen Kanzlei wird von einer russischen Familie im rechtlichen Beistand gebeten. Der Vermieter hat beim Auszug ein teureres, altes Cello heimlich entwendet und will es nicht mehr rausrücken. Dass das nur die halbe Wahrheit ist und diese Mandanten sie so schnell nicht vom Haken lassen, kann Paula nicht ahnen. Ihr Leben wird auf den Kopf gestellt und schon bald ist sie Mitglied einer russischen Großfamilie mit leicht illegalen Tendenzen, unorthodoxen Problembeseitigungsmethoden, aber stets sofort da, wenn Not am Manne ist.

Mit unterhaltsamem Ton schildert Alexandra Fröhlich die ersten Monate in Paulas neuem Leben. Anekdotisch mit tiefen Einblicken in die fremde Kultur, die ihren eigenen Regeln folgt. Amüsant, bisweilen grenzwertig, aber immer mit Herzlichkeit gewinnt der Leser die verschrobenen Figuren lieb. Im Stile Vladimir Kaminers hat Fröhlich keine ganz neue Idee, jedoch ein lesenswertes Buch geschaffen.

****/5

Edgar Wallace – Der unheimliche Mönch

Ein cleverer Goldraub, der jedoch zwei der Täter ins Gefängnis bringt. Der intelligente Kopf der Bände, der für viele Jahre ausgesorgt hat und sich aus der Öffentlichkeit zurückzieht. Ein altes Landhaus mit versteckten Gängen und mutige und gewitzte Polizisten – Die Zutaten für einen klassischen Krimi nach altem, aber bewährtem Muster. Edgar Wallace unterhält auch nach vielen Jahren noch mit seinen typischen Whodunnits, die ohne viel Blutvergießen, Übersinnliches oder weltweite Verschwörungstheorien auskommen, sondern sich auf die Grundfesten der Menschen stützen.

Solide und spannend.
****/5

Ake Edwardson – Die Rache des Chamäleons

Peter Mattéus, erfolgreich in der schwedischen Werbeindustrie, erhält eines morgens anonyme Post: Bilder seiner Familie aus unmittelbarer Nähe aufgenommen. Ein Schlüssel führt ihn zu einem Schließfach, in dem sich ein Händy befindet. Ein Anruf und seine längst begraben geklaubte Vergangenheit holt ihn ein. Zu Hause erwarten ihn bereits Flugtickets nach Spanien, eine Reise, die er nur ungern antritt, denn dort ist noch eine Rechnung offen und die soll er nun begleichen.

Der Plot ist für einen Krimi überzeugend konstruiert, es dauert lange, bis sich die Zusammenhänge entwirren und am Ende steigt die Spannung bis ins Unermessliche – um dann nochmals unerwartete Wendungen aufzubieten. Allerdings wird das ganze durch eine sehr anstrengende Sprache zerstört. Die Dialoge sind von der ersten bis zur letzten Seite unerträglich und schier nervtötend. Es ist nicht klar, ob das nur an den unsäglich unsympathischen Protagonisten liegt oder am Unvermögen des Autors, interessante Unterhaltungen zu formulieren. Das Buch wird so immer wieder zur Qual, die den Leser vor die Frage stellt, ob er sich das weiter antun soll oder besser gleich aufgibt. Schade, eine tolle Idee so mieserabel umzusetzen.

***/5

Virginia Brac – Double Peine

Die Psychologin Véra Cabral wird zu einem Mordfall ins Gefängnis gerufen. Giselle Leguerche hat eine Wärterin ermordet. Erstaunlich ist, dass Giselle ihre zehnjährige Strafe völlig unauffällig abgesessen hat und nur wenige Tage vor der Entlassung stand. Aber noch ein weiteres Problem, privater Natur, belastet Véra. Ihre Schwägerin wird von ihrem Mann geprügelt – schon wenige Tage später ist sie nicht mehr am Leben.

Zwei spannende Geschichten mit unerwarteten Entwicklungen miteinander verwoben und fesselnd erzählt. Eine überzeugende Protagonistin mit Ecken und Kanten, der im Leben auch wenig geschenkt wird. Überzeugender Krimi mit französischem Charme.

****/5

Ariane Devell – Bis einer weint!

Devells kleines Buch kommt ganz zustieg daher. Das Cover mit dem Teufel lässt ein lustiges, unterhaltsames und bissiges Werk erwarten. Versprochen werden 20 Tipps für gute Menschen. Man erhält jedoch ziemlich unlustige und unnütze Ratschläge, die jeglicher Sinanhaftigkeit und Logik entbehren. Mit zahlreichen Zitaten versucht der Autor seine abstrusen Ansichten wie niemals zu Lächeln und bloß keine Ideen zu teilen zu untermauern. Dies ist manchmal sogar unterhaltsam, überwiegend jedoch einfach überflüssig und sinnbefreit.

Wenn das Cover nicht wäre, gäbe es sehr wenig positive Aspekte. Der Tona ist zwar recht unterhaltsam, jedoch macht der absurde Inhalt alles danieder.

*/5

Ursula Neeb – Madame empfängt

Frankfurt am Main, 1830er Jahre. Morde an jungen Hausangestellten schrecken die Bankenmetropole auf. Wer hat es auf die jungen Bediensteten abgesehen, die derart verarmt waren, dass sie sich prostituieren mussten, um überleben zu können und dann an den falschen Mann geraten sind? Die Polizei kann recht schnell einen Täter präsentieren, dass dieser ein Alibi hat und gar den Beschreibungen der Augenzeugen entspricht, stört da erst einmal wenig. Lediglich das Fräulein Sidonie Weiß möchte diesen Zustand nicht hinnehmen und beginnt auf eigene Faust zu ermitteln. Als angesehene Poetin und Mitglied der Oberschicht erhält sie Einlass in den besten Häusern und dort scheint der Täter seinen finalen Schlag vorzubereiten.

Als Krimi deklariert hat der Fall um die Morde auch durchaus eine gewisse Spannung, wenn auch schon bald klar ist, wer als Täter nur in Frage kommt. Dafür rückt dann viel eher die Frankfurter Gesellschaft Mitte des 19. Jahrhunderts in den Fokus und insbesondere die Zustände der Dienstmägde werden drastisch und sehr plastisch geschildert. Daher eher ein Sittengemälde als ein Krimi und unter diesem Aspekt durchaus interessant und unterhaltsam.

****/5

Rose Tremain – Adieu, Sir Merivel

In ihrem historischen Roman begleitet Rose Tremain die letzten  Jahre von Sir Merivel. Als erfolgreicher Arzt in der Gunst des englischen Königs stehend bewohnt er mit seiner Tochter Bidnold Manor. Als die junge Frau einer Einladung von Freundinnen folgend nach Cornwall aufbricht, beschließt Sir Merivel, auf Auslandsreise nach Frankreich zu gehen. Mit einem Empfehlungsschreiben von König Charles ausgestattet erwartet er ein schönes Leben in Versailles und wird schwer enttäuscht. Der einzige Lichtblick seiner Zeit bei den Franzosen ist die Bekanntschaft mit der Schweizerin Louise, deren eifersüchtiger Ehemann Merivel jedoch beim Leben bedroht und dessen Rückkehr nach England beschleunigt. Dort findet er seine Tochter dem Tod nahe und auch der König ist in schlechtem Zustand. Über diese Unglücke vergisst er Louise beinahe und erst Monate später, nachdem seine Lieben ins Leben zurückgekehrt sind, macht er sich auf die Reise in die Schweiz, wo er auf ein spätes Liebesglück hoffen kann. Doch das Leben erspart ihm keine Sorge und bald schon muss er wieder in Königreich heimkehren – der König liegt im Sterben.

Rose Tremain gelingt es, das 17. Jahrhundert zum Leben zu erwecken. Sir Merivel ist facettenreich gezeichnet mit all seinen Sorgen, Bedenken, aber auch naturwissenschaftlichen Interessen und somit ein gelungener Protagonist, dem das Leben nicht immer Wohl gesonnen ist. Auch eine gewisse Spannung bleibt durch die Schicksalsschläge nicht aus. Ein leichter Roman, der leider ein wenig Tiefe vermissen lässt, dies jedoch in angenehm überzeugendem Tom wettmachen kann.

****/5

Pentti Kirstilä – Klirrender Frost

Sakari Kaarto, erfolgreicher Unternehmer, beschließt sein Leben zu ändern. Zunächst ist unklar, weshalb er sich zum Ekel entwickelt und sich zwingt vor anderen wie ein Säufer aufzutreten. Er beauftragt dann einen Kriminellen einen Einbruch bei sich vorzunehmen und auch mit seinem potentiellen Schwiegersohn bemüht er sich ein möglichst schlechtes Verhältnis zu bekommen. Er will von allen als verrückt wahrgenommen werden. Gut informiert und detailliert geplant will er nämlich einen Mord begehen und mit möglichst geringer Strafe davonkommen. Das gelingt ihm zunächst, aber dann nimmt jemand Rache an ihm, denn sein Plan wurde durchschaut.

Für einen Krimi ziemlich zäh, die Kommissare lasch und langweilig. Ein im Grunde sehr cleverer Plot schlecht erzählt. 

**/5

Max Bronski – Der Tod bin ich

Max Bronski nahm Wissenschaftler auf der Suche nach der Weltformel, die Zeit des kalten Krieges im geteilten Deutschland, vier sich gegenseitig bespitzelnde Geheimdienste, eine Menge Hybris und einen genialen Einfall eines jungen zwischen die Fronten geratenen Physikers, um daraus einen anspruchsvollen, aber überzeugenden Roman zu schaffen.

Erzählt wird die Geschichte des Bertold Oftenhain, dessen Liebe für die Physik und die Musik ein Leben lang unter den unterschiedlichen Einflüssen russischer, amerikanischer, englischer sowie DDR Geheimdiensten steht, die ihm nicht nur den Ruhm und die Anerkennung für seine Entdeckung rauben, sondern auch seine geliebte Frau, den Sohn und die gesamte Lebensplanung nehmen. Nachdem er sich schon lange mit allem arrangiert hat, wir er jedoch genauso wie seine Gegenspieler von der Vergangenheit eingeholt und er muss für seine Entscheidungen aus jungen Jahren nochmals zahlen.

Das Label „Thriller“ halte ich für nicht gut gewählt. Max Bronski hat einen zum teil klassischen Spionageroman geschrieben, in dem sich die alten Kräfte gegenüber stehen und versuchen, gegenseitig auszubooten. Dazu zeichnet er den schwierigen Weg der Naturwissenschaftler im 20. Jahrhundert nach. Zwischen dem Forscherdrang und dem Wunsch, die Welt zu verstehen, sowie dem politischen Druck, ihre Erkenntnisse für das Militär und inhumane Zwecke zur Verfügung zu stellen, waren für diese ethische Fragen zu einem zentralen Punkt ihrer Arbeit geworden. Durch die nicht chronologische Darstellung, wahrt Bronski die Spannung und löst nur nach und nach das Geflecht auf, dem der Leser sich zu Beginn etwas verwirrt gegenüber sieht. Dass eine solche Verstrickung nicht ohne Opfer auskommt, liegt auf der Hand. Bis zu letzt hebt er sich die Frage auf, welche der alten Supermächte siegen und in den Besitz der Weltformel geraten wird.

Mit viel Spannung, wenn auch wenig Nervenkitzel, fesselt Bronski den Leser und liefert zugleich Einblick in eine faszinierende Wissenschaft und schafft spannende Verbindungen zur Musik. Für das Genre sicherlich weitaus anspruchsvoller und tiefgründiger als die Masse, wenn auch der Wehrmutstropfen unpassender Titel bleibt.

*****/5

Isaac B. Singer – Der Büßer

Jospeh Shapiro ist nach dem Holocaust aus Europa nach Amerika ausgewandert und hat dort sehr erfolgreich ein Geschäft aufgebaut. Mit seiner Frau Celia ist er glück, dennoch beginnt er eine Affäre mit Liza, die ihn mehr und mehr finanziell ausnimmt und auch noch ihre Tochter samt Freund von ihm leben lässt. Nach einem Eklat hastet er Mitten in der Nacht nach Hause, um dort seine Gattin mit Liebhaber zu überraschen. Nach einer kurzen Irrfahrt durch New York und einem jüdischen Gebet entscheidet er sich, nach Israel zu gehen und Buße zu tun für sein bisheriges Leben. Er möchte sich auf den Pfad der Tugend zurückbesinnen und der Lebensweise seiner Vorfahren nachwandeln. Der Anfang im gelobten Land ist nicht einfach, doch er erkennt, dass das für ihn die einzig mögliche Art ist, weiterzuleben, auch wenn in Israel genauso wie in New York, kaum mehr jemand die alten Werte lebt.

Singer zeichnet in aller Tiefe die Verzweiflung Shapiros nach und begleitet sie Suche nach dem Sinn des Lebens in seiner gewohnt ironisch-philosophischen Weise.

****/5