Marin Olczak – Die Akademiemorde

Ein Serienmörder hält Stokholm in Angst, aber die normale Bevölkerung hat nichts zu befürchten, denn eines ist sofort offenkundig: seine Opfer sind Mitglieder der Akademie, die über die Nobelpreise entscheidet. Doch nicht alle geraten in die Zielscheibe, es gibt scheinbar ein Muster, das nur ein Literaturexperte löse kann. Und so ermittelt ein ungewöhnliches Duo von Kommissarin und Archivar in einer literarisch motivierten Mordserie.

Das Thema ist interessant gewählt, die Mischung aus klassischer Mordermittlung mit völlig verschiedenen, aber ausgesprochen cleveren Morden und einem literarischen Motiv ist direkt ansprechend. Der Roman leidet jedoch unter unglaubwürdigen Zufällen, völlig überzeichneten Figuren und vorhersehbaren Wendungen. Der Sprachstil und die die rasche, parallel verlaufende Handlung bauen zwar Spannung auf, aber man hätte hier mehr draus machen können.
Fazit: durchaus spannend und unterhaltsam, aber nicht der ganz große Wurf.

Charlie N. Holmberg – The Paper Magician (Book 1)

Ceony Twill hat gerade die Magierschule als beste ihres Jahrgangs abgeschlossen und hofft darauf nun einen spannenden praktischen Ausbildungsplatz zu bekommen. Metall wäre ihr bevorzugtes Material, doch man hat anderes für die vorgesehen. Die Knappheit an Papiermagiern bringt sie zu Emery Thane, einem etwas verschrobenen Lehrer. Ceony findet sich mit ihrem Schicksal ab und merkt schnell, dass sie das Material und auch ihren Meister unterschätzt hat. Doch die vermeintliche Papier-Idylle in Thanes abgelegenen Haus wird durch Lira jäh gestört. Die Excisioner reißt dem Magier das Herz heraus und flieht. Ceony sieht erschrocken zu doch bald schon erkennt sie, was sie tun muss: das Herz ihres Meisters zurückholen.
Ein Fantasy-Buch, das auch Leser, die dem Genre wenig abgewinnen können wie ich, begeistern kann. Der Zauber liegt in der Vorstellung, die die Autorin wundersam aufbaut, dass in der vermeintlich normalen Welt scheinbar unbedeutende Dinge eine Magie haben können und so aus Papier Wesen entstehen können mit ungeahnten Fähigkeiten. Der Zauber ist sicherlich übernatürlich, doch jeder Zauber, der zwischen Menschen entsteht, die etwas füreinander empfinden und – im wahrsten Sinne des Wortes hier – für das Herz des anderen bereit sind, alles zu geben, den findet man auch in der Realität, man muss nur hinsehen.

Fazit: märchenhafter Auftakt einer Fantasy-Roman Reihe, der viel weniger abgedreht ist, als man meinen könnte und stattdessen einfach verzaubert. 

Alina Bronsky – Baba Dunjas letzte Liebe

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Alina Bronsky – Baba Dunjas letzte Liebe

Baba Dunja kehrt zurück in ihre Heimat. In der Nähe des strahlenden Reaktors hofft sie in Tschernowo auf ein ruhiges restliches Leben. Aber lange bleibt sie nicht allein, nach und nach kehren noch weitere Vertriebe zurück, die meisten alt, so dass es auch egal ist, wenn sie verstrahltes Gemüse essen. Ihre Kinder leben im Ausland und kommen sie nicht mehr besuchen, sie selbst war auch noch nie bei ihrer Tochter Irina in Deutschland – wie auch, schon die Fahrt mit dem Bus in die benachbarte Kleinstadt, wo ihre Post und die Pakete Irinas gelagert werden, ist ein Kraftakt. So leben sie beschaulich vor sich hin, gelegentlich von Forschern und Journalisten belästigt, bis eines Tages ein Mann mit einem kleinen Mädchen auftaucht. Das geht aber wirklich nicht, ein Kind in der Zone? Doch es kommt noch schlimmer als  man den gedankenlosen Vater ermordet auffindet und das ganze kleine Dorf festgenommen wird.

Alina Bronsky trifft herrlich den Ton einer älteren Frau, die ihr Leben gelebt und alles gesehen hat – was soll eine ehemalige Krankenschwester aus der Nähe des geschmolzenen Tschernobyl-Reaktors auch noch erschüttern? Die moderne Welt ist ihr ohnehin fremd und so erhalten Baba Dunja und die anderen Bewohner des Dorfes eine Zeit, die schon lange vorbei ist. Auch wenn vieles humorvoll und mit einem unvergleichlichen Wortwitz dargeboten wird, schwebt doch ein ernstes Thema über diesem kurzen Roman und man fragt sich aus der Ferne, wie denn mit den Betroffenen der Katastrophe umgegangen wurde und wie sie heute leben. Es zeigt jedoch auch, wie zufrieden man abseits der Konsumtempel mit einem geregelten Leben im Einklang mit der Natur sein kann, fernab der Moden und Nachrichten.

Fazit: ein ungewöhnliches Buch, das man unter keinen Umständen verpassen sollte.

Jay Asher – Thirteen Reasons Why

Clay Jensen findet nach der Schule ein seltsames Paket ohne Absender. Darin liegen mehrere Kassetten, besprochen von Hannah Baker – seine Klassenkameradin, die wenige Tage zuvor Selbstmord begangen hat. Hannahs Vermächtnis ist eine Abrechnung mit ihren vermeintlichen Freunden. Jede Kassettenseite ist einer Person gewidmet und erklärt, weshalb sie mit Schuld an ihrem Tod trägt. 13 Seiten – 13 Personen – 13 Gründe. Nach dem Hören muss jeder, der sich schuldig gemacht hat, das Paket weiterschicken. Clay ist entsetzt. Er hat Hannah geliebt und kann ihren drastischen Schritt nicht verstehen, doch vor allem fragt er sich: was hat er falsch und womit hat er sich schuldig gemacht? Eins ist schon zu Beginn sicher: nach dem Hören ist nichts mehr wie es war und Clay wird seine Mitschüler mit anderen Augen sehen.
Eine interessante Idee, mit der Jay Asher einen Blick auf Jugendliche, Freundschaft und Selbstmord wirft. Die beiden Protagonisten – Clay als Hörer und Außenseiter, dessen Innenleben wir als Leser miterleben dürfen, und Hannah als Erzählerin, die von dem berichtet, was Clay und die anderen Adressaten noch nicht wussten – können die Geschichte erfolgreich tragen und lassen aus einzelnen Episoden, die sich mosaikhaft aneinanderreihen bald ein komplexes Gefüge entstehen, das schon schnell zeigt, welche Kettenreaktionen einzelne Handlungen auslösen können und welch drastische Folgen bis hin zum Tod diese bisweilen haben.

Fazit: ein trotz der Thematik unterhaltsames und spannendes Buch, dessen Inhalt bei genauerer Betrachtung jedem Leser sein unbedachtes Alltagshandeln und mögliche Folgen vor Augen führt.

Liza Klaussmann – Tigers in Red Weather

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Liza Klaussmann – Tigers in Red Weather
Zwei Cousinen, eine Geschichte. Immer wieder erzählt aus unterschiedlichen Blickwinkeln. Helena und Nick sind unzertrennlich, doch durch die Ehemänner und Familien leben sie sich auseinander. Ein Mord bringt das finale emotionale Zerwürfnis, die Verbindung bleibt und alle müssen sich den Dingen stellen, die sich getan und gesehen haben. Die nächste Generation trifft dies ebenso. Aus der entspannten Sommeratmosphäre wird ein Familiendrama, dessen Ende nicht absehbar ist.
Liza Klaussmann schafft es, obwohl man die Geschehnisse irgendwann kennt (oder zu kennen glaubt), dasselbe Ereignis aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu erzählen und doch eine ganz andere Geschichte daraus zu machen. Aus den vielen Facetten ergibt sich langsam ein Gesamtbild und vieles, was so klar schien, rückt sich nochmals zurecht. Die Figuren sind facettenreich gestaltet und gewinnen zunehmend an Tiefe. Der etwas flache Beginn verschwindet schnell hinter einer spannenden Familiensaga, die sich durch das langsame Entfalten nennenswert von ähnlichen Büchern unterscheidet.

Fazit: ein außergewöhnliches Buch, perfekt für einen langen Sommer.

Matthew Costello/Neil Richards – Cherringham: Murder by Moonlight

Kurz vor Weihnachten. Der örtliche Rotarier Gesangclub probt für das alljährliche Konzert. Neben dem Gesang ist fröhliches Beisammensein mit selbstgebackenen Keksen angesagt. Kirsty ist skeptisch, ist sie doch hochgradig allergisch, aber alle wissen ja darum und sind stets bemüht, entsprechend zu backen. Auf dem Weg nach Hause folgt dann doch die allergische Reaktion. Schnell sucht sie nach ihrem EpiPen, doch dieser ist leer, für die junge Frau kommt jede Hilfe zu spät. Ein tragischer Unfall? Sarah und Jack kommen Zweifel und schnell zeigt sich, dass die geübte Allergikerin niemals in diese Situation hätte kommen können, ihre Medikamente wurden manipuliert, aber wer konnte etwas gegen Kirsty haben?
Teil drei der Serie um den Ex NYPD Detective und die alleinerziehende Mutter. Einmal mehr sind das idyllische Cherringham und seine bodenständigen Bewohner die Kulisse für einen höchstmenschlichen Fall, der wiederum ohne technischen Schnickschnack, sondern mit Hilfe von Beobachtung und Scharfsinn, sowie einer guten Portion Gespür für die Menschen gelöst wird.

Fazit: Kurzer Krimi ohne viel Show, nett für zwischendurch.

Augusto Cruz – Um Mitternacht

Ex FBI-Agent Scott McKenzie erhält seinen ersten Auftrag als privater Ermittler. Ein betuchter Sammler möchte gerne einen als verschollen geltenden Film in seinem Besitz haben. Der Stummfilm „Um Mitternacht“ aus den 20er Jahren gilt nach einem Brand in den Studios als endgültig verloren, Anzeichen deuten jedoch darauf hin, dass es noch andere Exemplare gab und der Klassiker erhalten blieb. McKenzie begibt sich auf die Suche, die immer wieder an losen Enden zu scheitern droht, doch eine Spur erweist sich nicht nur als vielversprechend, sondern vor allem als gefährlich.
Augusto Cruz vermischt historische Fakten mit der Fiktion um den FBI Agenten, der all sein Können aufbieten muss, um den Fall zu lösen. Leider bleibt dabei das Buch hinter den Erwartungen zurück. Immer wieder eine neue Spur, ein loses Ende – es ermüdet zusehends. Lediglich die Episoden um den FBI Gründer und langjährigen Chef Hoover bieten neue Perspektiven, auch sie von der eigentlichen Handlung immer wieder ablenken – glücklicherweise. Das Lesen wird durch die Erzählweise zusätzlich erschwert. Direkte und indirekte Rede vermischen sich in einen einzigen Erzählbrei. Seitenweise verzichtet der Autor auf Absätze, so dass alles ineinanderfließt und schwer zu folgen ist.

Fazit: tolle Thematik, leider schwach umgesetzt.

Baptiste Beaulieu – Alors voilà: Les 1001 vies des Urgences

Notaufnahme. Behandelnder Arzt: jung, motiviert und auf der Suche nach Geschichten des Lebens. Diese schreibt er auf, um denjenigen, die vom Leben kaum mehr etwas mitbekommen, berichten zu können. Vor allem die Nachtschichten bieten allerlei ungewöhnliche Einsätze. Manchmal auch bis an die Grenzen derer, die sich um diese Fälle kümmern. Ebenso wie die Fälle der anderen Abteilungen, wo das Leben langsam ausschleicht. Dem jungen Mediziner haben es vor allem die älteren Menschen angetan, die auf ein volles Leben zurückblicken können und ihn daran teilhaben lassen. In 7 Tagen zeigen sich unzählige Leben, manche voller Glück, andere weniger, manche beginnen hier neu, andere enden.
Ein ganz eigener Blick auf die Welt der (Notfall)Ärzte und deren Alltag. Kurze Episoden erlauben nur einen kurzen Blick auf menschliche Schicksale, die bisweilen tragisch, manchmal komisch, oft ermutigend und zuweilen auch schlichtweg sehr traurig sind. Unterhaltsam ist das falsche Wort für dieses Buch. Interessant auf jeden Fall. Man will mehr hören von dem jungen Team, das sich tapfer abkämpft und von den Patienten, vor allem von denjenigen, für die diese Geschichten alles sind, was sie noch haben. Auch wenn eine sehr positive, lebensbejahende Grundhaltung herrscht: kein Buch für Medizinphobiker und ebenfalls nicht für Leser, die nah am Wasser gebaut sind.

Lynn Weingarten – Suicide Notes from Beautiful Girls

June und Delia sind beste Freundinnen, June lebt durch die intensive Freundschaft erst aus, traut sich mehr und gewinnt Selbstbewusstsein. Doch dann kommt Ryan und die Freundschaft lebt sich immer mehr auseinander bis die Mädchen quasi keinen Kontakt mehr haben. Die Nachricht von Delias Tod trifft June daher unerwartet und schockiert sie doch. Alte Gefühle für die Freundin keimen wieder auf und sie beginnt Fragen zu stellen. War der Selbstmord etwa gar keiner? Auch Delias Freund äußert Zweifel, Ryan hingegen will June zurückhalten. Hat er etwa etwas zu verbergen? Weshalb kam er früher aus dem Urlaub mit den Eltern zurück und was hat es mit Delias seltsamer letzten Nachricht auf sich?

Ein Jugendbuch über Freundschaft, das diese ins Extrem zieht und Loyalität über den Tod hinaus verlangt. Der Autorin gelingt es, langsam Spannung aufzubauen und schließlich eine unerwartete Wendung zu liefern, die die Situation nur noch verschärft. Kein völlig überragendes Buch, aber die Thematik durchaus interessant umgesetzt, spannend dargeboten und unterhaltsam zu lesen.  

William Shaw – Kings of London

Breen und Tozer ermitteln wieder. Eine verkohlte Leiche lässt Breen keine Ruhe, auch wenn der Fall schon längst zu den Akten gelegt ist. Ein ähnlicher Fall kurze Zeit später landet ebenfalls auf seinem Tisch und ist brisant dazu: der Sohn eines hohen Politikers, der den Tod seines drogenabhängigen Juniors mit allen Mitteln aus der Presse halten will. Unterstützung findet er kaum bei seinen Ermittlungen, viel mehr scheinen sich alle gegen ihn verschworen zu haben und ihn an den Nachforschungen zu hindern. Dies geht sogar so weit, dass er konkret bedroht wird. nach einem Brandanschlag auf seine Wohnung wird Breen klar, dass er wirklich um sein Leben fürchten muss, doch aus welcher Ecke kommt die Bedrohung?
Band zwei der Trilogie konnte mich nicht ganz so überzeugen wie der erste. Der Fall an sich ist spannend, clever konstruiert, wenn auch für meinen Geschmack ein paar weniger Nebenschauplätze etwas mehr Stringenz hineingebracht hätten, was der Handlung zuträglich gewesen wäre. Tozer und Breen versinken dieses Mal in Depression, was den ganzen Krimi durchhält und ihm eine ziemlich negative Atmosphäre verpasst. Auch London ist hier nicht die rebellische Stadt im Jahre 1968, sondern ein marodes Loch, in dem die Bewohner ziemlich alle leiden. Spielte im ersten Band noch die Musik eine tragende Rolle, sollte es hier laut Klappentext die Kunst sein, doch sie bleibt eine minimale Randerscheinung, die nicht trägt und hinter dem Rest zurücktritt.

Fazit: durchaus guter Krimi, aber mit sehr depressiver Grundnote.