Anne Nørdby – Kalter Strand

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Anne Nørdby – Kalter Strand

Eine Frauenleiche wird am Strand von Ringkøbing angespült. Alles deutet darauf hin, dass die Unbekannte eine Deutsche war, weshalb die Dänen Jette Vestergaard und Tom Skagen von Skanpol in Hamburg zur Unterstützung anfordern. Vor Ort bestätigt sich die Annahme bald, das Opfer Elena lebte seit einiger Zeit in Dänemark und arbeitete in einem Supermarkt. Weshalb sie Drogen bei sich hatte, bleibt jedoch unklar und bald schon zeigt sich, dass die Würgemale an ihrem Hals nicht die Todesursache waren. Während Jette und Tom mit den Kollegen ermitteln, geschehen in der nahegelegenen Ferienhaussiedlung seltsame Dinge. Das Ehepaar Wagner erhält verdächtige Pakete, dann verschwindet Hoffmanns Hund, bevor dann auch noch die Ehefrau von Markus Schneider und Mutter der beiden Kinder entführt wird. Kann das alles Zufall sein? Die Dänen wollen eine schnelle Aufklärung des Todes der Wasserleiche, doch Tom setzt auf sein Bauchgefühl, das ihn nicht im Stich lassen wird.

Teil eins der Serie um den Ermittler Tom Skagen verbreitet das bekannte skandinavische Flair düsterer Thriller. Die Autorin Anne Nørdby, Pseudonym der deutschen Anette Strohmeyer, die in Dänemark lebt und arbeitet, hat mit ihrem Protagonisten eine interessante Figur geschaffen, die durchaus das Potenzial für eine starke Reihe hat, denn nicht nur ist er ein scharfer Beobachter, der die klassische Polizeiarbeit akribisch verfolgt, sondern er hat auch eine Vorgeschichte, die im ersten Band nur angerissen wird, aber für seinen Charakter ganz entscheidend zu sein scheint.

Der Thriller kombiniert zwei unterschiedliche Fälle, die zunächst nur durch die räumliche Nähe in Zusammenhang zu stehen scheinen. Der Fall um die tote Elena geht dabei nur langsam voran, bietet aber den roten Faden und die Begründung für die binationale Zusammenarbeit. Spannender ist der zweite Handlungsstrang, der sich parallel entfaltet und die Mieter der Ferienwohnungen betrifft. Ein unheimlicher Erpresser setzt die Familien unter Druck und ist offenbar bereit, bis zum Äußersten zu gehen. Man hadert mit den Opfern und fragt sich unweigerlich, wie weit man selbst gehen würde. Beide Fälle werden am Ende sauber gelöst und sind überzeugend motiviert. Je näher man der Auflösung kommt, desto mehr steigert sich auch der Thrill und somit bleibt nur das Fazit: gerne mehr davon.

Joyce Carol Oates – Black Water

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Joyce Carol Oates – Black Water

Kelly Kelleher ahnt, was geschehen wird, sie sind viel zu schnell auf der Landstraße unterwegs, nur um die Fähre noch zu erreichen. Und schon verliert er die Kontrolle und das Auto stürzt ins Wasser, Kelly spürt, wie sie untergeht. Dabei hatte der Tag so fröhlich angefangen, ihre Freundin Buffy und deren Mann Ray hatten sie zu einer Fourth of July Party eingeladen. Dort lernte sie einen alten Schulfreund von Ray kennen, den Senator, über den sie ihre Abschlussarbeit an der Uni geschrieben hat und den sie seither bewundert. Es fließt reichlich Alkohol, die Stimmung ist ausgelassen und der Senator findet Gefallen an der jungen Frau und lädt sie schließlich in sein Hotel ein, das sich auf dem Festland befindet. Während Kelly um ihr Leben kämpft, hat sie allerlei Halluzinationen, die sich vor allem um die Frage drehen, was sie in diesem Auto des verheirateten Politikers zu suchen hatte.

Joyce Carol Oates‘ Roman erschien erst 1992, trägt aber unverkennbare Parallelen zum Chappaquiddick Unfall aus dem Jahr 1969, bei dem Mary Jo Kopechne ums Leben kam nachdem der Wagen von Edward Kennedy von der Straße abgekommen war. „Black Water“ war sowohl für den National Book Critics Circle Award wie auch für den Pulitzer Prize 1993 nominiert und nach Kritikermeinung ist dies auch eines ihrer besten Bücher.

Die Geschichte überzeugt weniger durch Spannung, das Ende wird vorweggenommen und auch die Entwicklungen auf der Party sind nicht so angelegt, dass man lange rätseln müsste, welche Wendung alles nehmen könnte. Interessant ist zum einen die Erzählperspektive durch die Flashbacks, die während Kellys Überlebenskampf die Ereignisse des Tages Revue passieren lassen und ihre letzten Gedanken, die einerseits von Überlebenswillen geprägt sind, andererseits aber auch die Sorge darum, nicht als „good girl“ gesehen zu werden. Die Figur des Senators, der nicht einmal mit einem Namen bedacht wird, kommt insgesamt nicht sehr gut davon. Nicht nur sein rücksichtsloses Verhalten bezogen auf den Unfall, sondern auch das, was danach folgt, wirft ein ziemlich schlechtes Bild auf den Mann – ganz abgesehen davon, dass er verheiratete ist und Kinder hat, ihn dies aber nicht von einer Affäre mit einer jungen Frau abhält.

Die Autorin gibt selbst an, dass das Schicksal der jungen Mary Jo Kopechne sie nach 1969 nicht mehr losgelassen hat und sie gleichzeitig fasziniert und erschreckt von dem Unfall war. Auch wenn sie nicht direkt diese Ereignisse nacherzählt, war der Grundgedanke, dass eine Frau einem älteren Mann vertraut und genau dieses zu ihrem Schicksal wird, ihr wichtigster Beweggrund. Ein kurze, aber eindrücklicher Text, der unter die Haut geht.

Neal Shusterman/Jarrod Shusterman – Dry

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Neal Shusterman/Jarrod Shusterman – Dry

Und plötzlich kommt kein Wasser man aus dem Wasserhahn. Ganz Orange County ist stillgelegt, geradezu ausgetrocknet und das Mitten im Sommer. Alyssa und ihre Eltern nehmen das Problem noch nicht so ernst, es wird nur ein paar Stunden dauern, bis alles wieder reibungslos funktioniert. Doch sie irren sich. Der Tap out ist kein kleines, sondern ein großes Problem und bald schon fehlt nicht nur das Wasser zum Duschen, sondern vor allem die Flüssigkeit zum Trinken. Aus einer kleinen Unannehmlichkeit wird ein Kampf ums Überleben, den nur die Stärksten gewinnen können. Und dabei zeigt sich auch das hässliche Gesicht der Menschen gnadenlos.

Neal Shusterman hat zusammen mit seinem Sohn Jarrod eine hochaktuelle Dystopie für Jugendliche verfasst. Im Zentrum steht eine Gruppe Teenager, die allein ums Überleben kämpfen müssen. Das Szenario wirkt dabei nicht nur glaubwürdig, sondern in Anbetracht aktueller Entwicklungen erschreckend real, so dass der Text nicht nur durch die Bedrohung, der die Gruppe ausgesetzt ist, sondern vor allem durch das Potenzial in der Wirklichkeit einen tiefen Eindruck hinterlässt.

Neben der Grundproblematik und dem Überlebenskampf spielt die Geschichte auch mit Fragen um Freundschaft und dem Erhalt von Idealen und Werten in einer Krisensituation. Wie weit ist der einzelne bereit zu gehen, um sein Leben vor das der anderen zu stellen? Welche Gefahr geht man ein, um Verbündete zu schützen? Die Zweckgemeinschaft um Alyssa, ihren Bruder Garret und den Nachbarn Kelton fand ich in dieser Konstellation ergänzt um Henry und Jacqui, die später hinzustoßen, überzeugend und ausreichend facettenreich, so dass für viele Leser eine Identifikationsfigur zu finden sein dürfte. Die Handlung wird durch die über ihr schwebende Bedrohung immer weiter vorangetrieben, so dass sich die Jugendlichen permanent auf der Flucht und in neuen Krisensituationen befinden. Auch das fand ich insgesamt stimmig und überzeugend.

Abzug gibt es für einen Punkt, der mir wirklich zu schwach war: keiner der Jugendlichen bricht zusammen oder gibt auf. Selbst als die Eltern spurlos verschwinden und sie davon ausgehen müssen, dass diese tot sind, wird kaum eine Träne vergossen. Nicht nur dass mir das sehr unrealistisch vorkommt, es unterstützt auch das falsche Ideal des immer starken Menschen, der alles aushält und keine Schwäche zeigen darf. Die Bindungen zu anderen sind offenbar so schwach, dass ein Schulterzucken genügt, um deren Tod zu verarbeiten. In herausfordernden Situationen funktionieren viele Menschen sehr gut und brechen erst später zusammen, dass dies in so einem Ausmaß aber Kindern gelingen soll, erscheint mir doch eher utopisch. Nichtsdestotrotz ein insgesamt überzeugendes Jugendbuch.