Asako Yuzuki – Butter

Asako Yuzuki – Butter

Manako Kajii ist das Sensationsthema in ganz Japan: hat die unattraktive junge Frau reihenweise Männer verführt und dann in den Tod getrieben? Man kann ihr keine unmittelbare Täterschaft nachweisen, doch die Indizien sind erdrückend. Sie weigert sich mit Journalisten über das zu sprechen, was geschehen ist, einzig Rika findet den richtigen Weg, um sie zu öffnen: es sind die Kochkünste, der leidenschaftliche Genuss des Essens und vor allem der Gebrauch von Butter, über den sie mit der Verdächtigen in eine ungewöhnliche Beziehung tritt. Bis zu ihrem ersten Kontakt hat Rika das asketische japanische Ideal gelebt und dem, was sie zu sich genommen hat, nur wenig Bedeutung beigemessen, wichtig war nur, dass sie ihre zierliche Figur behält. Doch nun gewinnt sie einen anderen Blick und verfällt immer mehr dem Einfluss der mörderischen Geliebten.

Asako Yuzuki ist in ihrer japanischen Heimat vielfach für ihre literarischen Werke ausgezeichnet worden, daneben schreibt sie auch für das Fernsehen und Radio. Immer wieder greift sie in ihren Werken aktuelle gesellschaftspolitische Themen auf, die sie kritisch hinterfragt. In „Butter“ gelingt es ihr, einen Kriminalhandlungsstrang mit ausgereift plastischen Beschreibungen des Genusses mit der Frage nach der Rolle der Frau in der japanischen Gesellschaft zu verbinden. Der Titel wie auch das Cover wecken leider nicht unmittelbar Interesse, was bedauerlich ist, denn für mich ist der Roman ein wahrlich herausragendes Meisterwerk in vielerlei Hinsicht.

„zuzunehmen ist nicht gut. Ich habe keine Idealvorstellung vom Körper einer Frau, aber es könnte so aussehen, als würdest du dich gehen lassen. Das wirkt nicht vertrauenswürdig.“

Manako Kajii polarisiert die Öffentlichkeit, nicht nur wegen der womöglich unglaublichen Mordserie, sondern vor allem wegen ihres Aussehens. Sie ist nicht hübsch, sie ist nicht schlank und doch gelingt es ihr offenbar, reihenweise Männer zu verführen und auszunutzen. Beides in inakzeptabel: das gängige Schönheitsideal schlichtweg missachten und die Oberhand über Männer gewinnen. Auch Rita spürt dies unmittelbar. Nachdem sie angefixt von der Verdächtigen beginnt, ihr Essen zu genießen und entsprechend nur wenige Kilos zunimmt, erklärt ihr komplettes Umfeld ihr sofort, wie sie das Problem wieder in den Griff bekommen kann.

„Essen war ein zutiefst persönliches und egoistisches Verlangen. Gourmets waren im Prinzip Suchende. Sie waren Tag für Tag mit ihren Bedürfnissen beschäftigt und auf Entdeckungsreise.“

Für Rika eröffnet sich eine völlig neue Welt, die mit ungeahnten Sensationen verbunden ist, die man als Leser förmlich aufsaugt und ebenfalls spürt. Im starken Kontrast zu diesen begeisternden Empfindungen steht das, was über das Verhältnis von Männern und Frauen gesagt wird. Egal ob am Arbeitsplatz oder im Privatleben, die Japanerin hat sich unterzuordnen und dem Mann zu dienen. Tut sie dies nicht, muss sie mit Ablehnung oder gar offen zur Schau getragenem Hass rechnen. Das Geschlechterverhältnis ist schwierig, wird durch Schweigen verkompliziert und ist hauptsächlich dadurch charakterisiert, dass Egoismus vorherrscht und Empathie fehlt. In den Gesprächen mit Manako Kajii und ihren Nachforschungen über deren Vorgeschichte emanzipiert sich auch Rika von den Normen und beginnt zunehmend zu hinterfragen, was sie bis dato als gegeben hingenommen hat.

Perfekt orchestriert eröffnet sich der Roman wie ein mehrgängiges Menü. Ein leichtes Hors d’œuvre, das die Geschmacksnerven öffnet, bevor Gang für Gang immer wieder neue gustatorische Highlights kommen, die sich von dem davor unterscheiden und eine neue Note hinzufügen. Am Ende ist man wie nach einem reichhaltigen Mal etwas erschöpft ob der Vielfalt dessen, was man gerade genossen hat. Aber man würde es jeder Zeit wieder tun.

Stephanie Danler – Sweetbitter

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Stephanie Danler – Sweetbitter

Tess hat ihr Literaturstudium beendet und ist bereit für die große, weite Welt. In New York will sie die Kleinstadt-Langeweile hinter sich lassen und endlich anfangen richtig zu leben. Doch sie braucht Geld, also nimmt sie den ersten sich bietenden Job an: Kellnerin in einem Restaurant. Nein, Hilfskellnerin wird sie, denn sie weiß nichts von dem, was man wissen muss, um in einem hochklassischen Restaurant die Gäste angemessen bewirten zu können. Die erfahrene und immer etwas distanzierte Simone nimmt sie unter ihre Fittiche und weiht sie nach und nach in die Geheimnisse des Weins und der Genüsse hervorragenden Essens ein. Tess ist wie verzaubert von diesem Mikrokosmos, der in einer ganz eigenen Welt zu bestehen scheint, aber am meisten ist sie von Barmann Jake fasziniert.

Stephanie Danler verarbeitet in ihrem Debutroman eigene Erfahrungen als Kellnerin in New York. Dass sie über detailliertes Wissen bezogen auf Herkunft und Geschmack vor allem der Weine, aber auch Austern und Fleisch verfügt, merkt man dem Roman auf jeder Seite an. Er ist eine Hommage an den Genuss, der Essen nicht als funktionale Tätigkeit oder akribisch auf Nährwerte hin aufgeschlüsselte und bewertete Zweckgegenstände sieht, sondern die verschiedenen Geschmackserlebnisse bis in die hintersten Winkel des Mundes auskosten lässt, wenn man dafür Zeit sowie Muse und eine passende Haltung findet.

Die Handlung des Romans ist überschaubar. Tess‘ Ankunft in New York, die harten ersten Wochen im Job und das Partyleben nach Feierabend, sowie die langsam aufkeimende Beziehung zu Jake sind schon die wesentlichen Bestandteile. Die Figuren bleiben weitgehend stereotyp, die Angestellten bewegen am Rand der Handlung und streifen Tess sowie Simone und Jake nur kurz. Lediglich der Geschäftsführer Howard wird noch mit etwas mehr Profil versehen. Tess ist trotz abgeschlossenem Studium das typische Landei, das naiv in die Großstadt kommt und dort vom Leben regelrecht erschlagen wird. Auch am Ende des Romans, als etwa ein Jahr vergangen ist, hat sie sich für mein Empfinden kaum weiter- und vor allem nach wie vor keine Perspektive entwickelt. Ihre beiden Antagonisten, die eine seltsame Verbindung aufweisen, die in weiten Teilen jedoch im Dunkeln bleibt, sind deutlich spannender gezeichnet. Vor allem Simone weißt zahlreiche Brüche und Unstimmigkeiten auf, die sie aber weitaus interessanter und authentischer machen.

Besonders deutlich wurde im Roman die Funktionsweise des Restaurants als Bühne. Es gibt zwei Welten, die sichtbare im Gastraum und das Dahinter, das dem normalen Gast, der ein „geregeltes“ Leben im Einklang mit den Tageszeiten führt, verborgen bleibt. Dieser kleine voyeuristische Blick und die ausufernden Genussdarstellungen sind unterhaltsam und können locker über die dünne Handlung und etwas flache Protagonistin hinwegtäuschen.