Maxim Biller – Sechs Koffer

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Maxim Biller – Sechs Koffer

Der junge Maxim reist zu seinem Onkel in die Schweiz, er will dort ein Geheimnis ergründen, das in seiner Familie schon lange Zeit gehütet wurde und wegen welchem sein Vater schon mehr als zwei Jahrzehnte nicht mehr mit seinem Bruder gesprochen hat. Es bleibt nicht bei einem Geheimnis, das er aufdeckt, viel mehr zeichnet er die komplexe Geschichte einer Familie nach, die von der Tschechei nach Russland führt, zurück nach Prag, in Teilen in den freien Westen, in Teilen hinter dem Eisernen Vorhang; Fluchtversuche, die scheitern, Fluchtversuche, die gelingen. Nicht ausgesprochene Wahrheiten, ausgesprochene Lügen; Liebesbeziehungen, die nicht Bestand haben und solche, die Jahrzehnte überdauern. So chaotisch die Nachkriegszeit und die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts, so auch die Geschichte der Familie Biller – eine von vielen jüdischen Geschichten, die am Ende eine Generation von Kindern hervorbrachte, die in unzähligen Sprachen und Ländern zu Hause sind und die wissen, dass bei dem Umherirren über den Kontinent auch so manche Wahrheit verloren ging und manches wie ein nicht mehr gewolltes Kleidesstück an fernen Orten vergessen wurde.

Der Roman, der unverkennbar autobiografische Züge trägt, hat Maxim Biller eine Nominierung auf der Longlist des Deutschen Buchpreises 2018 beschert. Es sind sicherlich zwei Aspekte, die dies nachvollziehbar begründen: seit nunmehr drei Jahren beherrscht das Thema Flucht die deutschen Nachrichten, wobei dies häufig als ein Problem ferner Länder und von Menschen, die es nicht schaffen, Demokratie zu leben, gesehen wird. Biller katapultiert dieses zurück nach Deutschland und führt vor, dass Flucht und Vertreibung ureuropäisch sind, diese über weite Strecken das 20. Jahrhundert bestimmten und sich in fast allen Familien auch solche Erfahrungen finden lassen. Daneben ist die komplexe Konstruktion des Romans, die nur nach und nach ein Gesamtbild offenbart, eines solchen Preises ohne Frage würdig.

Die Figurenzeichnung ist sicherlich das, was den Reiz des Romans ausmacht. Große Träume und Wünsche, die einfach zerplatzen, vieles nie ausgesprochen und schmerzlich bis ans Lebensende mit sich herumgetragen, zeigt Biller nicht die großen Helden der Geschichte, sondern die kleinen Menschen, die Spielball selbiger werden und sich immer wieder an neue Gegebenheiten anpassen müssen. Keiner ist hier nur „gut“ oder nur „böse“ um in den einfachsten Kategorien zu bleiben – aber dies gibt es ja in der Realität auch selten.

Biller umkreist das Geheimnis, nähert sich auf unterschiedliche Weise, aus verschiedenen Perspektiven, dreht Schleifen und fügt Parenthesen ein – erzählerisch überzeugend und gerade für ein Hörbuch eine Herausforderung, die man bei Christian Brückner als Vorleser jedoch gerne annimmt. Für mich das vierte Buch der diesjährigen Longlist des Buchpreises und auch bislang der eindeutige Favorit.

Ariel Kaplan – We Regret to Inform You

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Ariel Kaplan – We Regret to Inform You

Mischa Abramavicious is the perfect student: she has all the grades it needs to get into the best colleges, her list of extracurricular activities is impressive and her single-parent mom will be proud of her. But on Admission Day, she only gets rejections. None of the schools has admitted her, not even the local safety college. But how come? Mischa doesn’t dare to tell her mother but starts investigating instead. Together of the Ophelia Club, a bunch of tech-wise girls of her school, and her friend Nate, they discover that marks and letter of recommendation have been changed – but why, and especially: be whom?

“We Regret to Inform You” is a well-written novel about today’s teenagers and the pressure they are under. Only when the whole world falls apart for Mischa does she realize that she actually has no hobbies, not even an interest but that she has spent the last for years only working for her résumé and to fulfil her mother’s expectations. The later, too, also put much in her daughter’s future, invested money she didn’t have to get her into an expensive private school which promised the best starting point for an Ivy League University.

I really liked Ariel Kaplan’s style of writing. Even though a major catastrophe is happening to the protagonist, the novel is not really depressing but quite entertaining since there are many comic situations and ironic dialogues. The novel concentrates on the positive side which I liked a lot, Mischa doesn’t give up, but her focus shifts and she finally gets to understand herself better. She makes the best of it and fights for her rights – but not at the expense of everything else. So, it still is a young adult novel even though there are some underlying very serious issues.