Keigo Higashino – Unter der Mitternachtssonne

keigo-higashino-unter-der-mitternachtssonne
Keigo Higashino – Unter der Mitternachtssonne

Der Mord an einem Pfandleiher wirft im Osaka des Jahres 1973 Fragen auf. Kirihara wird in einem verlassenen Gebäude gefunden, der Polizist Sasagaki und seine Kollegen finden jedoch keine wirklich verwertbare Spur, einzig zu einer bescheidenen Frau und deren Tochter, doch es scheint zu abwegig, dass diese etwas mit dem Mord zu tun haben. Die Jahre vergehen, immer wieder gibt es Vorfälle in Osaka, die nicht wirklich geklärt werden können: Überfälle auf junge Frauen, Menschen verschwinden. Sasagaki lässt der alte Fall keine Ruhe und stetig verfolgt er die Spuren, bis er irgendwann eine Verbindung erkennt, die sich immer wieder auf ein Pärchen zurückführen lässt: der Sohn des Pfandleihers und die Tochter der verdächtigen Frau. Aber es ist doch undenkbar, dass die beiden über Jahrzehnte eine Spur der Verwüstung hinter sich herziehen, oder?

Keigo Higashino ist ein auch in Deutschland seit vielen Jahren sehr populärer japanischer Krimi- und Thriller Autor, „Unter der Mitternachtssonne“ ist inzwischen mein dritter Roman von ihm und wieder einmal kann er mich mit dem sehr eigenen japanischen Flair und einer psychologisch reizvollen Geschichte überzeugen.

Zunächst tappt man ganz wie die Polizei im Dunkeln, der Mord am Pfandleiher steht im Zentrum, wird aber dann scheinbar aufgegeben. Erst langsam erschließt sich dem Leser, worum es eigentlich geht. Die Geschichte zieht immer weitere Kreise, mehr und mehr Figuren kommen hinzu, verwirren zunächst das Konstrukt, nur um dann umso klarer ein Bild der beiden rücksichtslosen Menschen zu ergeben. Dass sie hinter den zahlreichen Taten stecken, ist recht schnell durchschaut, spannender wird nun die Frage: gelingt es dem Ermittler, ihnen auf die Spur gekommen und was genau geschah beim Mord an dem Pfandleiher und vor allem: warum musste er sterben?

Der Thriller weicht gewagt vom klassischen Szenario ab, was ihm jedoch kein bisschen an Spannung nimmt. Im Gegenteil, das hochriskante Spiel wird in immer neuen Varianten ausgetragen und erhält so seinen Reiz. Genaugenommen handelt es sich nicht um einen einzigen Mordfall, sondern um viele, die miteinander verbunden sind und sich nach und nach spiralförmig dem Showdown nähern.

Eine ausgesprochen komplexe Handlung, die durch die vielen Figuren mit ihren japanischen und damit doch eher ungewöhnlichen Namen eine Herausforderung darstellen. Diese sollte man jedoch unbedingt annehmen, denn „Unter der Mitternachtssonne“ ist ein kleines Meisterwerk.

Katrine Engberg – Krokodilwächter

katrine-engberg-krokodilwächter
Katrine Engberg – Krokodilwächter

Eine junge Frau wird in Kopenhagen ermordet. Julie wurde in ihrer WG überfallen und durch zahlreiche Messerstiche verstümmelt. Was wie ein grausamer, aber doch recht normaler Mord beginnt, erhält schnell eine seltsame Note: Die Vermieterin Julies, Esther de Laurenti, die im selben Gebäude wohnt und die Studentin natürlich kannte, ist gerade dabei einen Krimi zu schreiben und der Mord an Julie entspricht genau dem Szenario, das sie sich ausgedacht hatte. Die Ermittler Jeppe Kørner und Anette Werner schließen die ehemalige Professorin als Täterin aus, aber es muss eine Verbindung geben. Er hat Zugang zu dem unveröffentlichten Manuskript und wer wollte sich an Julie oder Esther rächen?

Katrine Engberg ist in Dänemark keine Unbekannte, als Tänzerin und Regisseurin hat sie sich bereits einen Namen gemacht, nun wagt sie sich auch ins literarische Fach und konnte mich mit ihrem Debut restlos überzeugen. „Krokodilwächter“ steht den großen skandinavischen Krimis in nichts nach: ein komplexer Fall, der sich im völlig durchschnittlichen dänischen Milieu abspielt; zwei Ermittler, die keine Superhelden sind, sondern auch mit ihren privaten Problemchen zu kämpfen haben und dennoch den Fall zielgerichtet und mit menschlichen Maß lösen.

Viele vermeintliche falsche Fährten legt Engberg aus, immer wieder findet sich das Ermittlerduo an einem toten Ende und muss von Neuem beginnen. Interessant ist jedoch, dass keine der Spuren wirklich ins Nichts führt, sondern dass es der Autorin gelingt, am Ende alle Fäden zu einem stimmigen und glaubwürdigen Gesamtbild zusammenzufügen. Dabei verzichtet sie auf allzu detaillierte und grausame Mordbeschreibungen, was jedoch durch kleine Szene, die ihr eigenes Gruselpotenzial haben, ganz locker aufgewogen wird. Besonders gut gefallen hat mir die Verortung des Romans in Kopenhagen, wenn man die Stadt ein wenig kennt, findet man vieles davon im Roman wieder. Und es ist durchaus nicht von der Hand zu weisen, dass Dänemark ein kleines Land mit wenigen Bewohner ist, was zu so mancher unliebsamen Begegnung führen kann. Handlung und Setting spielen so immer wieder Hand in Hand.

Ein vielversprechender Auftakt einer neuen Serie, der vermutlich nicht nur in Dänemark begeisterte Leser findet.