Eleanor Catton – Luminaries

Walter Moody betritt den Gastraum eines Hotels im Neuseeland des Jahres 1866. Eine seltsame Ansammlung von zwölf Männern findet er dort vor, die offenbar in konspirativer Mission zusammengekommen sind. Im Zentrum steht ein Mord, der offenbar weitaus mehr Fragen aufwirft als nur die nach dem Täter. So wie die Sternzeichen im Laufe des Sonnenweges nach und nach erscheinen, berichten die zwölf Männer von ihrer Verbindung zum Toten und offenbaren, dass in dieser Goldrauschstadt so einiges im Argen liegt.

Eleanor Cattons Erstlingswerk besticht nicht nur durch seine ausufernde Länge, die dem Leser einiges abverlangt und möglicherweise den einen oder anderen gar verschreckt, sondern auch dadurch, dass es direkt mit dem renommierten Man Booker Prize geehrte wurde. Letzteres völlig zu Recht, ist dieser Roman doch ausgesprochen komplex in seiner Handlung, überzeugend konstruiert und mit der Verbindung zu den Himmelskörpern wirklich in einem gelungenen Gesamtbild aufgebaut. Neben dieser eher formalen Betrachtung verdient die Autorin jedoch vor allem lob für ihre Erzählstimme, die über der Handlung schwebt, diese kommentiert, den Leser begleitet und pointiert die Handlung beurteilt, dass es ein Genuss ist, Zeile um Zeile die Machenschaften der Goldgräber zu verfolgen. Es ist bewundernswert, wenn ein Autor es vermag den Leser auf so einer Länge zu fesseln mit einem doch etwas abgenutzten und so völlig aus der Mode geratenen Thema. Doch Catton gelingt dies und so fällt schon bald nicht mehr auf, wie lange man mit ihr auf die Reise geht, um diesen Mord (und all die anderen kleineren und Größeren Betrügereien) aufzuklären.

Harper Lee – Go Set A Watchman

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Harper Lee – Go Set a Watchman

Die junge Jean Louise Finch kehrt aus New York in ihre Heimatstadt Maycomb, Alabama, zurück, um ihre Familie zu besuchen. Für ihren Vater ist sie immer noch das kleine Mädchen, das jeder nur Scout nannte und auch ihre Tante Alexandra wartet nur darauf, dass aus dem Freigeist endlich eine ordentliche Dame wird. Henry, ihr Jugendfreund, könnte dabei entscheidend sein, war Scout doch schon immer das Mädchen, das er bewunderte und liebte, doch diese zunächst erwiderte Liebe bekommt einen jähen Riss, als Jean Louise mit der politischen Realität konfrontiert wird und erkennt, das ihr idealisierter Vater nicht der Mann ist, zu dem sie ihn in ihren Gedanken gemacht hat.

Das lange erwartete und noch viel länger verschollene Buch der Pulitzer Prize Gewinnerin Harper Lee stellt ein Gegengewicht zum Klassiker „To Kill A Mockingbird“ dar, in dem die Figuren sich in der amerikanischen Rassenfrage ganz deutlich positionieren und für die gleichen Rechte Schwarzer wie Weißer einstehen. Nun, 20 Jahre später ist vieles nicht mehr so einfach und die Realität erlaubt keine so klare Positionierung mehr. Wie die Protagonistin mit zunehmendem Alter lernen muss, gibt es oftmals keine einfachen Antworten auf komplexe Sachverhalte und nicht alles ist so, wie es auf den ersten Blick zu sein scheint.

Was mir an diesem Roman besonders gefallen hat, waren Scouts Kindheitserinnerungen, die Episoden zeigen Harper Lees Sprachfähigkeit und sind ein lebendiges Beispiel für eine sehr differenzierte Figurenzeichnung. Mal traurig, mal clever, manchmal auch einfach zum Schmunzeln bieten sie ein wirklich tolles Lesevergnügen, dem die theoretisierenden Auseinandersetzungen zwischen Vater bzw. Onkel und Tochter gegenüber stehen. Hier merkt man, dass die Idee noch nicht ganz ausgereift war, denn der Bruch ist enorm, wenngleich die Absicht, die sich im späteren Werk verdeutlichen wird, bereits erkennbar ist.

Paul Auster – Brooklyn Follies

Nathan kehrt an seinen Geburtsort Brooklyn zurück, vom Leben erwartet er nach dem Lungenkrebs und der Scheidung ohnehin nicht mehr viel. Unerwartet trifft er dort seinen Neffen Tom, der sein Studium abgebrochen hat und in einem Antiquariat bei dem undurchsichtigen Harry jobbt. Nat und Tom wissen um die illegalen Machenschaften des Antiquars, bevor sie sich jedoch damit beschäftigen können, steht plötzlich Toms kleine Nichte Lucy mutterseelenallein und stumm vor der Tür und Harry ist tot.

Paul Austers Liebeserklärung an Brooklyn, wo sich die Menschen mit unterschiedlichsten Lebensentwürfen und –geschichten versammeln und täglich die eigenen Pläne neu geschrieben werden müssen, weil das Leben sich stetig ändert. Völlig verschiedene Themen und Aspekte greift er auf und immer wieder verschiebt sich der Fokus des Buches. Was den Reiz dieser Geschichte ausmacht, ist auch zu Ende nur schwer zu fassen, die Figuren sind völlig eigen und differenziert gezeichnet, die Beziehungen komplex und die Handlung immer wieder getrieben von neuen Ereignissen. Wenn man sich den letzten Zeilen nähert, die großen Themen der Handlung abgearbeitet sind und man den leichten Blick in die nicht mehr dargestellte Zukunft wirft, setzt Auster jedoch einen unerwarteten und beeindruckenden Schlusspunkt, indem er eine schlichte Zeitangabe tätigt: es ist der 11. September 2011 um 8 Uhr morgens. Der Rest ist Geschichte.

Aldous Huxley – Brave New World

Oh wie schön könnte die Welt sein, wenn jeder eine Arbeit passend zu Interessen und Intellekt hätt, keiner mehr unglücklich ist, weil eine Wunderdroge sofort Linderung verschafft und auch keine komplizierten Zweierbeziehungen mehr zu Tränen führen. Doch nicht für alle ist die Welt perfekt, auch wenn Bernard als Alpha zur obersten Kaste gehört. Er träumt von einer anderen Welt, die er in einem der wenigen reservate findet. Von dort bringt er den jungen John mit in seine Welt und was dieser sich von dieser fortschrittlichen Zivilisation erhofft, endet in seinem persönlichen Alptraum.

Aldous Huxley’s Roman ist einer der Klassiker der dystopischen Literatur und auch nach 80 Jahren kein Stück veraltet. Seine Weitsicht in Sachen technischem Fortschritt ist bewundernswert und sein Spiel mit Parallelwelten besticht und trifft den Leser ins Mark. Was gerade noch durchaus als interessante Variante der Moderne gesehen werden könnte, verwandelt sich gleich in ein Horrorszenario. Eine nicht ganz so schöne neue Welt, en détail durchdacht, als Reflexionsfläche auch der Welt des 21. Jahrhunderts immer noch geeignet, einmal innezuhalten und unseren Fortschritt zu überdenken.