Madeline Miller – Galatea

Madeline Miller – Galatea

Der Pygmalion Mythos neu interpretiert. Zehn Jahre sind vergangen, seit Pygmalion seine in Stein gemeißelte Frau zum Leben erweckte. Nun befindet sich Galatea in eingesperrt in einem Zimmer unter Aufsicht einer Schwester und eines Arztes. Ihre Tochter darf sie nicht sehen, auch den Raum nicht verlassen. Die einzigen Unterbrechungen sind ein widerlicher Tee, den sie unter Aufsicht trinken muss, und der ihr Kopfschmerzen bereitet, und die Besuche ihres Gatten, bei denen sie ihren Schöpfungsmythos nachspielen muss. Doch nun will sie ausbrechen, vor allem für ihre Tochter Paphos, die nicht hinter einer neuerlichen Statue verschwinden soll.

Madeline Miller ist mit Neuerzählungen klassischer Sagen in den vergangenen Jahren aufgefallen und vielfach ausgezeichnet worden. „Galatea“ ist nicht nur wegen der Kürze bemerkenswert anders, der Text unterscheidet sich vor allem dadurch, dass er Leerstellen füllt und die weibliche Sicht schildert, die Ovid in seinen Metamorphosen nicht bietet. Der zauberhafte Pygmalion Mythos erscheint dadurch in einem gänzlich anderen Licht. Ergänzt wird durch Text durch Illustrationen von Thomke Meyer, die der lebendigen Statue auch hier Leben einhauchen.

Aus dem kreativen Schöpfer, der die Götter anfleht, wird ein herrschsüchtiger und gewalttätiger Mann, der Frau und Tochter kontrolliert, einsperrt und von Bildung fernhält. Was er als Schutz deklariert ist ein Beschneiden von Rechten, zu seinen eigenen gehört auch das Verfügen über den Körper seiner Frau, den er bewundert, nachdem er durch allerlei Hämatome wundervolle Farben auf ihn gezeichnet hat.

Was in der Antike als Inbegriff grenzenloser Liebe erschienen sein mag, wirkt unter heutigem Blick wie der Inbegriff häuslicher, männlicher Gewalt in vielerlei Facetten, oft schweigsam geduldet und als übliche Geschlechterverhältnis herabgespielt.

Vor- und Nachwort ordnen die kurze Geschichte gewinnbringend ein und erläutern den unterschiedlichen Deutungskontext, weshalb sie nicht überblättert werden sollten. So kurz die Geschichte und Neuinterpretation des Mythos ist, so stark wirkt sie nach in den Fragen, ob man Ovids Meisterwerk nicht nochmals unter einem anderen Blickwinkel betrachten sollte und ob wir nicht bestimmte Verhaltensweisen damit legitimiert haben, dass wir über Jahrhunderte zweifelhafte Verhältnisse unhinterfragt als große Literatur bewundert haben.

Alexander Oetker – Zara und Zoë – Tödliche Zwillinge

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Alexander Oetker – Zara und Zoë – Tödliche Zwillinge

Zweiter Einsatz für die ungleichen Schwestern. Endlich ist es Europol gelungen, einen Islamisten für sich zu gewinnen und so Zugang zu den Führern und ihren Anschlagsplänen zu bekommen. Doch der Informant scheint in Marokko, unweit der spanischen Enklave Melilla festzusitzen und womöglich ist er auch schon enttarnt. Profilerin Zara von Hardenberg muss handeln und viel Zeit bleibt nicht. Doch der Job ist unmöglich legal zu erledigen, den kann nur eine übernehmen: ihre Schwester Zoë. Diese wollte sich eigentlich nach dem letzten Einsatz zurückziehen, doch ihre eigene Organisation wird bedroht. Dem alten Mafiaboss Bolatelli laufen die Handlanger weg, denn die Al-Hamsi Brüder zahlen schlichtweg besser. Einmal mehr tauschen die Schwestern die Rollen, doch dieses Mal mit ungewissem Ausgang.

Auch im zweiten Band um die Europol-Ermittlerin und ihre Mafia-Schwester ist das Erzähltempo hoch und Bandbreite an Verbrechen und Gewalt kennt kaum eine Grenze. Oetker greift dabei auf aktuelle Bedrohungen zurück: die Angst vor islamistischem Terror hält Europa nach wie vor gefangen, ebenso sind mafiöse Strukturen im französisch-italienischen Grenzgebiet mit Korruption bis zu höchsten Ämtern kein Geheimnis.

Auch wenn ich den Rollentausch etwas bemüht finde, hat mich auch dieser Fall unmittelbar gepackt, so dass er innerhalb kürzester Zeit gelesen war. So verschieden die Schwestern, so unterschiedlich die Wahl der Mittel, besonders Zoë, die sich an kein Gesetzt gebunden sieht, folgt nur ihrem Instinkt (und entwickelt dabei geradezu übermenschliche Fähigkeiten, die dürften für meinen Geschmack etwas näher an der Realität bleiben). Gut gefallen hat mir, wie beiden besonders vom Schicksal der Frauen getroffen waren, trotz all der Härte, die beide mitbringen, bleiben sie so menschlich. Das Ende legt nahe, dass dies nicht ihr letzter Streich gewesen sein kann, man darf gespannt sein, wie sie mit der sich nun bietenden neuen Situation umgehen.

Insgesamt eine routiniert erzählte Geschichte mit viel Action und nicht allzu viel Tiefgang, genau das Maß Unterhaltung, was man gerne mal liest.