Mercedes Rosende – Falsche Ursula

Mercedes Rosende – Falsche ursula

Ursula ist frustriert. Sie hat Übergewicht, fühlt sich hässlich und ihre Nachbarin mit den lauten hochhackigen Schuhen nervt sie auch. Ganz anders ihre Schwester Luz, die schon als Kind von den Eltern bevorzugt wurde. Als sie einen Anruf erhält, stutzt sie, angeblich wurde ihr Ehemann entführt und sie soll Lösegeld beschaffen. Was für ein Mann? Sie beginnt zu recherchieren und kommt schnell dahinter, dass es zu einer Verwechslung kam, weil sie denselben Namen trägt wie die Gattin des entführten Unternehmers Santiago Losada. Aus der Situation lässt sich doch was machen und kurzerhand dreht sie den Spieß um und gibt den überforderten Entführern Anweisungen. Aber ganz so einfach ist der Fall dann doch nicht…

„Falsche Ursula“ ist der Auftakt zur Montevideo-Reihe der uruguayischen Autorin Mercedes Rosende. Die deutschen Übersetzungen fingen mit Teil 2 der Reihe an, „Krokodilstränen“, für den die Autorin 2019 mit dem LiBeraturpreis, der ausschließlich an Schreibende aus Afrika, Asien, der arabischen Welt oder Lateinamerika vergeben wird, ausgezeichnet wurde. Die Protagonistin, groß, laut, oftmals unerträglich und doch wiederum charmant in ihrer zynischen Art, trägt dabei die Handlung ganz wesentlich. Diese schwankt zwischen einer Abrechnung mit den gängigen Erwartungen an Frauen und gesellschaftlichen Klischees und einer geradezu grotesken Kriminalgeschichte, die immer wieder völlig unerwartete Wendungen nimmt.

Ursula ist gewöhnungsbedürftig, ohne Frage, dabei blickt sie doch mit viel Realismus auf sich und ihr trostloses Leben. Sie entspricht keiner Norm, passt in kein Schema und gerade deshalb kann man sich in irgendeiner ihrer Eigenschaften wiederfinden. Mit sarkastisch-ironischem Blick beobachtet sie die Welt um sich herum und entfaltet unerwartet eine nicht zu unterschätzende kriminelle Energie.

Mercedes Rosende findet dabei eine ungewöhnliche Erzählform, die verschiedene Perspektiven mischt und so auch unerwartete Außenblicke auf Ursula erlaubt. Spannend, bisweilen urkomisch und ebenso gesellschaftskritisch, eine grandiose Mischung, die sich auf gerade mal 200 Seiten entfaltet und viel Spaß auf weitere Abenteuer mit der resoluten Protagonistin macht.

Lucy Fricke – Die Diplomatin

Lucy Fricke – Die Diplomatin

Friederike – Fred – Andermann hat sich im diplomatischen Dienst hochgearbeitet und wird als Konsulin nach Montevideo geschickt. Als sie gerade mit den Vorbereitungen zu den Feierlichkeiten des 3. Oktobers beschäftigt ist, platzt die Meldung über eine verschwundene Bloggerin herein. Seit 24 Stunden kein Post – für die Mutter ist klar, dass dem Kind etwas zugestoßen sein muss. Fred ordnet den Fall nicht ganz so dramatisch ein, kümmert sich dennoch, nicht ahnend, dass dies ihr größtes Scheitern werden wird. Zwei Jahre später findet sie sich in Istanbul wieder, die diplomatische Stimmung ist aufgeheizt und sie selbst gerät durch eine Affäre zwischen die Fronten.

Lucy Fricke konnte mich mit ihrem Roman „Töchter“ bereits vollends begeistern, die Lebendigkeit der Figuren, die ihren Vorgänger ausgezeichnete, findet sich auch in „Die Diplomatin“ wieder. Dem Roman gelingt die Balance zwischen der Schilderung des hochförmlichen diplomatischen Dienstes und der bisweilen fast zynischen Reaktion der Protagonistin auf diesen, was zu einem lockeren Ton mit zahlreichen Seitenhieben verschmilzt.

Auch wenn ich zunächst etwas unglücklich über die relativ kurze vorgeschaltete Episode in Uruguay war, da die Haupthandlung sich in der Türkei abspielt, ist diese doch ganz wesentlich für die Entscheidungen und das Handeln Freds. Folgt sie in Uruguay noch dem Protokoll, versteckt sich hinter dem Amt, das sie bekleidet, und überlässt die wichtigen Entscheidungen der Zentrale, so ist sie in Istanbul an einem ganz anderen Punkt angelangt. Sie hat erlebt, dass auch ihre Vorgesetzten nicht alles verhindern können und falsche Entscheidungen treffen. Das Protokoll mag Sicherheit geben, aber Intuition und Menschenverstand sind womöglich manchmal überlegen.

Die Vorgänge in der türkischen Großstadt greifen das auf, was einem aus Zeitungsmeldungen der vergangenen Jahre nur allzu bekannt ist. Verhaftungen ohne Anklage, fast absurde Anschuldigungen, Menschen, die einfach verschwinden, durchsuchte Wohnungen – die ganze Palette eines Staates im Ausnahmezustand und größter Erregung baut Fricke geschickt ein. Die Opfer der Repressalien – eine Künstlerin, ihr unbescholtener Sohn, ein Journalist – sind alledem machtlos ausgeliefert und auch Fred kann trotz ihrer Position wenig bis gar nichts ausrichten.

Die Grenzen der Diplomatie und was die Erfahrungen mit den oft handlungsunfähigen Menschen machen, fängt der Roman überzeugend ein. Von geradezu banalen repräsentativen Terminen bis zu jenen, die Contenance erfordern, die fast nicht aufbringbar ist und gegen die sich alles sträubt – man fragt sich, wie lange man so etwas aushalten kann. In der Figur Freds wird diese Zerrissenheit sehr deutlich und überzeugend dargestellt.

Ein kurzer und vor allem kurzweiliger Roman, der so gar nichts vom schönen Schein des Diplomatenlebens zeigt, dem Leser aber unterhaltsame bis nachdenkliche Einblicke erlaubt.

Pedro Mairal – The Woman from Uruguay

Pedro Mairal – The Woman from Uruguay

Lucas Pereyra has a plan to finally pay back all the money his family and friends lent him. The writer has asked to transfer the advance for his next book to an account in Uruguay where the exchange rate is simply better than in his home town of Buenos Aires. One morning, he takes off to Montevideo to collect fifteen thousand dollars. He knows that he is not allowed to cross the border with such an amount but he does not have any alternatives. And, spending a day in the Uruguayan capital allows him to see Guerra again, a woman he met at a conference some months before and whom he cannot forget. Yet, his idea does not materialise as planned, quite the contrary.

Pedro Mairal narrates the decisive day in the life of his protagonist, it is just a couple of hours which change everything, which turn a man on the winning track into somebody who is cruelly brought back down to earth. “The Woman from Uruguay” has quickly become a bestseller in Argentina and Spain and was awarded the Premio Tigre Juan in 20217, a prestigious Spanish literary award.

The novel is constructed like a classic tragedy respecting the three Aristotelian unities: the principal action takes place over a period of only a couple of hours in only one location. The dramatic structure also follows classic principles with the protagonist’s expectations of ultimately turning his life, then looking forward of meeting the woman he is in love with the climax of their encounter and then the tragic turning point after which Lucas has to bury all hope and realises what a fool he has been and that he has to cope somehow with the consequences of his stupid behaviour. He can be classified as some kind of tragic hero, on the one hand, he himself is the reason he is in the state he finds himself in the end, on the other, however, he became a victim of circumstances innocently at least to a certain extent.

I liked how the story unfolds even though the protagonist is not actually a sympathetic character. Not just the composition is convincing but also the author’s poetic writing is vivid giving insight in Lucas’ thinking. A compelling read which makes me want to read more of the author.