Sophie Jai – Wild Fires

Sophie Jai – Wild Fires

It is the death of her cousin Chevy that brings Cassandra from London back to Toronto where her family is based after having left Trinidad. But she not only returns to the funeral but to a whole history of her family that suddenly pops up again. Stories she had forgotten but now remembers, things which have always been unsaid despite that fact that everybody knew them and secrets that now surface in the big house in Florence Street where the tension is growing day by day. The sisters and aunts find themselves in an exceptional emotional state that cracks open unhealed wounds which add to the ones that have come with the death of Chevy.

Sophie Jai was herself born in Trinidad just like her protagonist and grew up in Toronto, “Wild Fires” is her first novel and was published in 2021. It centres around a family in grief, but also a family between two countries and also between the past and the present and things that have never been addressed between the members. Having been away for some time allows Cassandra a role a bit of an outsider and she sees things of her family she has never understood.

The author wonderfully interweaves the present story of the family gathering at the Toronto home to mourn the loss and Cassandra’s childhood recollections and well-known family stories. Thus, we get to know the deceased and his role in the family web. Like Chevy’s story, also the aspects that link but also separate the generations of sisters are uncovered thus exposing long avoided conflicts.

The novel raises the questions if you can ever flee from the family bonds and how to deal with what happened in the past and has never openly be spoken out loud and discussed. Sophie Jai finds the perfect words to express the nuances in the atmosphere and paces the plot according to the characters’ increasingly conflicting mood.

I liked how the characters and their story unfolds, yet, I would have preferred a more accelerated pace and at the beginning, I struggled to understand the connection between them which was a bit confusing.

David Chariandy – Francis

David Chariandy – Francis

Michael und Francis wachsen mit ihrer Mutter in einem heruntergekommenen Stadtteil von Toronto auf. Den Vater haben die Brüder quasi nicht kennengelernt und die Heimat der Eltern auf einer der West Indies ist ihnen ebenfalls fremd. Dafür kennen sie jede Ecke von Scarborough – auch Scarbistan, Scarbirien oder Scarlem genannt wegen der bunt zusammengewürfelten Bewohner aus aller Herren Länder. Die Mutter bemüht sich, arbeitet als Putzfrau gleich in mehreren Jobs, um ihre zwei Söhne ordentlich großzuziehen. Zehn Jahre sind vergangen seit jenem unheilvollen Tag und plötzlich meldet sich Aisha wieder, die Michael seither nicht mehr gesehen hat. Er bittet sie zu kommen, damit sie über das reden können, worüber sie so lange geschwiegen haben. Der Besuch seiner ersten Liebe führt ihn gedanklich zurück in jene Zeit, als plötzlich alles kippte und aus seinem fürsorglichen großen Bruder ein wütender junger Mann wurde.

David Chariandy unterrichtet Literatur an der Simon Fraser University, auch als Autor ist er in seiner Heimat bekannt und wurde mit zahlreichen Preisen geehrt, auch sein Roman „Francis“ wurde mehrfach ausgezeichnet. Im Zentrum der Handlung steht das Aufwachsen in finanziell und sozial prekärem Umfeld gepaart mit Erfahrung von Rassismus. Es ist ein Umfeld, das literarisch nicht unbekannt ist, für europäische Leser man jedoch ausgerechnet Toronto, Kanada, unerwartet sein. Ein Land, das üblicherweise als Musterland für Immigration und das friedliche Zusammenleben unterschiedlicher Kulturen bei relativ hohem Lebensstandard gilt, ist für ein solches Setting nicht gerade typisch. Der Autor öffnet mit seinem Roman damit eine bislang verschlossene Tür.

„(…) je erwachsener Francis wurde, desto unzufriedener wurde er mit der Welt und dem ihm zugedachten Platz.“

Michael und Francis trennt gerade einmal ein Jahr und so wachsen sie zusammen auf. Obwohl kaum älter übernimmt Francis die Rolle des Beschützers, nicht nur die wenigen Monate Altersvorsprung, sondern vor allem sein untrügliches Gespür für Emotionen und eine brenzlige Atmosphäre schützen die beiden Jungs vor ernstzunehmenden Schwierigkeiten. Früh schon machen sie Bekanntschaft mit der Polizei, kommen jedoch unbeschadet aus den Konfrontationen heraus. In der Schule haben sie Chancen, die sie jedoch nicht nutzen und so rinnt ihnen die Zukunft, die vielleicht ein Entkommen ermöglicht hätte, durch die Finger.

Francis erkennt schneller als Michael, dass die Welt ihm nichts zu bieten hat und entwickelt eine Wut, die immer weniger kontrollierbar wird. Es beginnt eine Spirale, die sich unweigerlich dreht und in eine Richtung bewegt. Man ahnt, wie es ausgehen muss, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis es zur Eskalation kommt.

Die Handlung springt zwischen der Gegenwart und der Jugend der Protagonisten in den 80er Jahren. Die Elterngeneration hat mit der Emigration zwar nicht die Hoffnung auf eine bessere Zukunft, jedoch ihre eigenen Berufschancen aufgegeben. Für ihre Kinder arbeiten sie hart und kommen doch nicht weit. Obwohl die Mutter erschöpft und verzweifelt ist, kümmert sie sich engagiert und liebevoll um ihre Kinder, erzieht sie, versucht ihnen mitzugeben, was sie im Leben brauchen. Von außen wird sie jedoch wahrgenommen als alleinerziehende Mutter, die es zu nicht mehr als Putzfrau gebracht hat und irgendwann den Lebensmut verliert, dement und wohl auch alkoholabhängig wird.

Ein dichter Roman, der trotz der Kürze die Dramatik gleich zweier Generationen ausbreitet und verschiedene Facetten von Leid und Enttäuschung sprachlich unaufdringlich, aber pointiert ins Licht rückt. Eine für mich bis dato weitgehend unbekannte Seite des diesjährigen Gastlandes der Frankfurter Buchmesse, das offenkundig noch einige Überraschungen bereithält.

Margaret Atwood – The Robber Bride

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Margaret Atwood – The Robber Bride

Die Freundinnen Roz, Charis und Tony trauen ihren Augen nicht: die Frau, die gerade das Restaurant betritt, in dem sie ihr monatliches gemeinsames Essen haben, ist doch tot. Sie waren sogar bei ihrer Beerdigung! Aber Zenia, ihre ehemalige Kommilitonin, ist quicklebendig, was nichts Gutes bedeuten kann. Alle drei haben sie ihre Erfahrungen mit der charismatischen Frau gemacht, sind von ihr belogen und betrogen worden und haben alles, was ihnen wertvoll und wichtig war, verloren. Doch wer ist Zenia überhaupt und wo hat sie in den vergangenen Jahren gesteckt?

Margaret Atwoods Roman „The Robber Bride“ wurde bereits 1993 zum ersten Mal veröffentlicht. Es ist eine Geschichte von Verrat, Vertrauensmissbrauch und Hinterlist – aber diese Eigenschaften können nur wirken, wenn ein anderer gutgläubig, vertrauensselig und naiv ist. Die drei Freundinnen werden erst zum Trio durch die gemeinsamen Erlebnisse. Die Erkenntnis, dass sie alle drei auf Zenia hereingefallen sind und ihre Leichtgläubigkeit gnadenlos ausgenutzt wurde, eint sie im finalen Kampf gegen die hinterlistige und gefährliche Frau.

Der Roman beginnt am Ende mit der unerwarteten Begegnung, bevor er in Flashbacks erzählt, was zum Teil Jahrzehnte zuvor geschah. Vieles ist eigentlich recht vorhersehbar, die Manipulationen sind nicht besonders raffiniert, dennoch wirken sie, weil sie im richtigen Moment die richtige Stelle treffen. Menschen können noch so intelligent sein, sie haben ihre verletzlichen Momente und verletzlichen Seiten, die sie anfällig für Betrüger macht.

Margaret Atwood greift einmal mehr auf die urmenschliche Blindheit zurück in ihrer Erzählung. Man sieht nur, was man sehen möchte und verschließt die Augen vor dem Offenkundigen, auch wenn es sich direkt vor einem abspielt. Die drei Frauen lassen sich manipulieren und rennen offenen Augens in ihr Verderben. Man hat nur begrenzt Mitleid mit ihnen, dabei sind sie Zenias Opfer – diese ist durch und durch böse und bietet eigentlich keinen Raum für Sympathien.

Nachdem ich aktuelle Werke von Atwood gelesen hatte, die mich schnell überzeugen konnten, nun etwas älteres und die Erkenntnis, dass es sich lohnt, auch diese näher zu betrachten.