Agatha Christie – Sie kamen nach Bagdad

Agatha Christie – Sie kamen nach Bagdad

Victoria Jones ist gerade mal wieder ihren Job als Stenotypistin losgeworden, als sie in einem Park Edward kennenlernt und sich sofort in ihn verliebt. Doch dieser wird nur wenige Tage später nach beruflich nach Bagdad reisen müssen, Rückkehr nach London ungewiss. Da sie in der Heimat ohnehin nichts mehr hält, beschließt auch Victoria ebenfalls in den Orient zu reisen, als Begleiterin einer kranken Dame ergibt sich auch direkt eine Chance. Unerschrocken stürzt sie sich in das Abenteuer, nicht ahnend, dass sie bald schon zwischen die Räder von geheimen Untergrundorganisationen, Mördern und undurchsichtigen Staatsdienern geraten wird.

Agatha Christies 41. Roman „Sie kamen nach Bagdad“ gehört zu den wenigen, die nie verfilmt wurden und ist meiner Einschätzung nach auch eher ein unbekanntes Werk. Wie auch „N oder M?“ ist es eher ein Spionageroman denn klassischer Krimi, auch wenn recht schnell die ersten Leichen auftauchen und die mysteriösen Umstände ihres Ablebens zentral für die Handlung sind.

Im Fokus steht die einerseits naive und sorglose Victoria, die schneller handelt als sie denkt und zudem einen Hang zum Lügen hat. Bisweilen möchte man sich die Haare raufen ob ihrer Unbedachtheit, dann wiederum zeigt sich jedoch, dass sie über eine Alltagsschläue und Cleverness verfügt, die nicht auf den ersten Blick erkennbar sind und weshalb sie schnell abgestempelt und unterschätzt wird. Dass ein komplexer Komplott von dem Fräuleinwunder gelöst wird, ist schon etwas abenteuerlich, Glück und Zufall helfen auch nach, aber wohlwollend kann man durchaus konstatieren, dass Christie hier eine sehr moderne junge Frau geschaffen hat, die sich behauptet und wenn es drauf ankommt, all ihre Stärken ausspielt – und vor allem die Vorurteile, die man ihr entgegenbringt, zu nutzen weiß.

Ein amüsanter und gänzlich Christie-untypischer Roman mit einer außergewöhnlichen Protagonistin.

Eric Ambler – Epitaph for a Spy

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Eric Ambler – Epitaph for a Spy

Kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges gönnt sich Josef Vadassy seinen ersten Urlaub seit vielen Jahren. Lange lebte der Sprachenlehrer in England, die zunehmend schwierige politische Lage brachte ihn schließlich nach Paris und nun an die Côte d‘Azur. Der gebürtige Jugoslawe mit ungarischem Pass will seine geliebte Kamera testen, auf die er lange gespart hat. Als er jedoch seine entwickelten Bilder abholen will, wird er verhaftet. Auf den Bildern waren nämlich nicht nur Eidechsen, wie er angab, sondern auch Aufnahmen von militärischen Einrichtungen, was den Mann mit der ungeklärten Nationalität sehr verdächtig macht. Offenkundig hat jemand die Kameras vertauscht und wenn er kein Spion ist, dann muss es einer der anderen Gäste sein. Der französische Geheimdienst zwingt ihn zur Zusammenarbeit und droht mit der Deportation, die unweigerlich im Tod enden wird. Josef Vadassys Ermittlertätigkeiten sind mehr als dilettantisch und statt dem wahren Täter auf die Spur zukommen, scheint er viel eher sein eigenes Grab zu schaufeln.

Eric Ambler gehört zu den Erfindern der Spionageromane, die sich insbesondere durch einen hohen Grad an Realismus auszeichnen. „Epitaph for a Spy“ (in der ersten Übersetzung „Die Stunde des Spions“, in der späteren „Nachruf auf einen Spion“) war sein dritter Roman, den er 1938 verfasste und der die angespannte Lage auf den europäischen Kontinent authentisch einfängt. Kein Urlaubsgast kann einfach mehr die französische Riviera genießen, alle beobachten argwöhnisch die Mitbewohner und stellen Vermutungen über deren Hintergründe und Motive an.

Der Roman folgt erwartungsgemäß einem sehr klassischen Setting und sowohl die Figuren wie auch das Setting sind hervorragend aufeinander abgestimmt. Der über allem drohende Weltkrieg macht die Hotelgäste nervös. Die schweizer Besitzerin führt offenbar mit dem deutschen Schimler oder Heimberger – weshalb benutzt er zwei Namen? verdächtig! – etwas im Schilde, die Geschwister Skelton werden plötzlich küssend am Strand gesehen, die Liste der Verdächtigen wird immer länger, je näher Vadassy sie kennenlernt. Auch wenn die Geschichte klar ein Spionageroman ist, muss man doch immer wieder über die Unfähigkeit des Protagonisten, aber auch über das seltsame Vorgehen der scheinbar korrumpierten Polizei schmunzeln. Allein schon der Gedanke eine Person wie Vadassy ermitteln zu lassen, erscheint absurd. Doch die wahre Verstrickung zeigt sich erst am Ende der Geschichte und alle Fragen lösen sich sauber auf.

Unterhaltsamer Krimi aus längst vergangener Zeit. Eher mit humorvollen Passagen und auch durch die politischen Anspielungen überzeugend als durch eine hochspannende und komplexe Story. Erwartungen dennoch voll erfüllt.