Jean-René van der Plaetsen – Le métier de mourir

Jean-René van der Plaetsen – Le métier de mourir

Un check-point à la frontière israélienne-libanaise. Le jeune français Favrier s‘est enfuit de sa patrie pour oublier et pour savoir à quoi ça sert sa vie. A Ras-el-Bayada, en mai 1985, il rencontre le vieux soldat Belleface qui, avec sa sagesse et son expérience de décennies de vie de soldat, gère son groupe. Ils savent tous que, chaque jour, il pourrait y avoir une attaque du Hezbollah, il n‘y a que quelques jours un autre check-point a été attaqué et quelques de leurs confrères ont été tués. Favrier comprend vite que Belleface n‘est pas un soldat ordinaire, c‘est un homme avec une longue histoire qu‘il va connaître pendant les trois jours à venir. Mais ce n‘est non seulement le jeune qui profite de leur rencontre, Belleface lui aussi reconnaît son sort en parlant à ce jeune idéaliste.

Jean-René Van der Plaetsen a créé une ambiance très intense dans son roman « Le métier de mourir » qui est parmi la première sélection du Prix Renaudot 2020. Il ne lui faut qu‘un seul endroit où il n‘y a plus ou moins rien et à part de Belleface et Favrier, il n‘y a presque personne. En fait, c‘est une rencontre de deux personnes qui est plus importante et révélateur que parfois toute une vie ensemble.

Pendant tout la lecture, c‘est le danger qui est à l’affût des personnages, ils se trouvent dans une situation de tension maximale et on craint tout le temps qu‘un malheur puisse se produire. Quoique à première vue, les deux hommes semblent bien différents, ils partagent aussi des similarités : tous les deux sont venus en Israël volontairement, mais aussi parce qu‘ils s‘enfuyaient. Tous les deux ont subi de graves pertes de personnes aimées, des pertes incompréhensibles d‘innocents.

« Non, il n‘y a pas de justice sur terre. Et je ne vois pas d‘autre solution que de croire à la justice de Dieu. »

D‘autre côté, Belleface est un survivant de la Shoah qui a perdu toute sa famille quoique Favrier soit un jeune catholique de la France moderne qui a connu la vie légère de Paris. Néanmoins, il y a un lien qui les joint immédiatement, le vieux reconnait soi-même dans le jeune et pour lui, Favrier est une sorte de fils qu‘i, n‘a jamais eu. En revanche, celui-ci a l‘impression d‘avoir trouvé un père et un maître, quelqu‘un de sage de qui il peut apprendre beaucoup.

« L‘important, songeait le jeune homme, c‘était de faire les choses pour lesquelles on était fait, et d‘apprendre à les faire auprès de ceux qui savent les faire. »

Une histoire intense qui pose les questions les plus importantes : à quoi ça sert la vie, comment vivre, et en quoi croire ?

Pascal Engman – Feuerland

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Pascal Engman – Feuerland

Nur noch die eine Entführung, dann wird Nicolas mit seiner Schwester endlich aus Stockholm verschwinden. Ivan ist ein zuverlässiger Partner, es kann nichts schiefgehen, denn wie beim letzten Mal ist alles minutiös geplant. Doch dann laufen die Dinge anders, denn die Legion, eine der berüchtigsten Banden Schwedens, hat einen Auftrag für Nicolas: er soll zehn Straßenkinder entführen. Nicolas hat nach seinen Jahren bei einer Eliteeinheit des Militärs kein Interesse an krummen Geschäften, die Entführungen sind so geplant, dass niemand zu Schaden kommt und die Lösegeldforderungen bleiben moderat. Kommissarin Vanessa Frank wartet derweil darauf endlich wieder in den Dienst zurückkehren zu dürfen, aber nur weil sie suspendiert ist, heißt das ja nicht, dass das Verbrechen pausiert und prompt gerät sie zwischen die Fronten.

Der schwedische Journalist Pascal Engman konnte mich im letzten Jahr mit seinem Debüt „Der Patriot“ bereits von seinem schriftstellerischen Können überzeugen, sein zweiter Thriller „Feuerland“ steht dem in nichts nach. Verschiedene Handlungsstränge werden geschickt miteinander verwoben, politisch brisante Themen dabei aufgegriffen und die Handlung von interessanten Figuren getragen. Tempo und Spannung sind hoch, so dass keine Wünsche offenbleiben.

Der Roman bietet viele beachtenswerte Einzelaspekte, die es verdient hätten, ausführlich besprochen zu werden, was aber den Rahmen einer Rezension bei weitem sprengen würde. Die politischen Themen – Korruption innerhalb der Ermittlungsbehörden, kaum einzudämmende Bandenkriminalität, europäischer Kolonialismus in Südamerika, globaler Organ- und Menschenhandel, geheime Interventionen von Spezialeinheiten, die nie an die Öffentlichkeit geraten – finden ihren Platz in der Handlung, ohne diese zu stark zu dominieren und mit ihrer Brisanz zu erdrücken. Engman gelingt es die dahinterliegenden Mechanismen aufzuzeigen und lädt so den Leser zum Nachdenken und Hinterfragen ein.

Im Vordergrund stehen sich zwei scheinbar gegensätzliche Protagonisten gegenüber, die jedoch beide nicht in das vorgezeichnete Schema passen wollen. Vanessa ist nicht die rechtschaffene Polizistin, die gesetzestreu agiert und Vorschriften befolgt. Nicolas ist ein Verbrecher mit Ehrenkodex und festen Regeln, die von einem erstaunlichen Humanismus geprägt sind. Beide werden sie herausgefordert und ihre Ansichten infrage gestellt.

Zwar war mir das Ende etwas zu dick aufgetragen, aber das tut dem Gesamteindruck keinen Abbruch. Von dem ungleichen Paar Vanessa und Nicolas würde ich gerne noch mehr lesen.

David Diop – Nachts ist unser Blut schwarz

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David Diop – Nachts ist unser Blut schwarz

Sie haben ihre Heimat im Senegal verlassen, um an der Seite ihrer Kolonialherren gegen die Deutschen zu kämpfen. Alfa Ndiaye und sein bester Freund Mademba Diop befolgen gemeinsam die Befehle des Kommandanten, liegen gemeinsam im Schützengraben und erleben gemeinsam die Gräuel des Krieges. Sie erleben, wie schnell sich der Hass der Franzosen gegen die Senegalschützen, oder abfällig auch “Schokosoldaten“, richtet, als eine Gruppe sich dem Befehl verweigern. Als Mademba in seinen Armen stirbt, stirbt auch etwas in Alfa. Er wird zu dem, was die Franzosen schon immer in ihm gesehen haben: ein Wilder. Wie besessen stürzt er sich fortan in den Kampf, nicht mehr nur um den Feind zu töten, sondern um diesen auch noch zu verstümmeln. Und mit jedem Tag wächst auch die Angst seiner Kameraden vor ihm.

David Diop schreibt in seinem Debutroman, der 2018 mit dem Prix Goncourt des lycéens ausgezeichnet wurde, über eine vielfach verdrängte Episode in der langen und oftmals entsetzlichen französischen Kolonialgeschichte. Dass tausende Schwarzafrikaner auf den Feldern Nordfrankreichs ihr Leben gelassen haben, ist weithin bekannt. Nur was sie dachten, was womöglich in ihnen vorging, hat wenig Beachtung erhalten. Diop verleiht einem eine Stimme und dies gelingt ihm auch in bemerkenswerter Weise, denn er verwebt geschickt das senegalesische Erbe und die Weltsicht seines Protagonisten mit den Kriegserfahrungen in der Ferne.

„Sie haben keine Vorstellung davon, was ich gedacht, was ich getan habe, wozu der Krieg mich gebracht hat.“

Es ist eine bekannte Tatsache, dass der Krieg den Menschen zum Tier werden lässt und so wird auch Alfa von blinder Wut geleitet, um Rache für den Tod seines Freundes zu nehmen. Erst später erkennt er, was aus ihm geworden ist, was er getan hat. Er ist dem Moment, als man ihm den Wahnsinn attestiert, kann er wieder klar denken. Keiner der Soldaten wird sich von ähnlichen Taten oder Gedanken freisprechen können, sie alle sehen das Schlimmste im Menschen hervortreten und können sich selbst davor nicht schützen.

Das Band der beiden Freunde ist weitaus enger als man das in europäischem Verständnis kennt. Alfa und Mademba sind „Seelenbrüder“ (daher auch der französische Titel des Romans „Frère d’âme“), was sich gegen Ende des Romans, als Alfa in den Zwangsurlaub scheinbar in eine Psychiatrie geschickt wird, offenbart. Hier drehen die Gedanken sich nicht mehr nur um den Krieg, sondern um das, was vor der Abreise noch im Senegal geschah.

Vor allem Diops Sprache reflektiert überzeugend den Seelenzustand des Erzählers. Mantra-artig wiederholt er Sätze, ebenso wie sich seine Gedanken im Kreis drehen und er aus dem Kreislauf nicht auszubrechen vermag. Trotz der oft einfachen Wortwahl, die sehr stark reduziert wirkt, oder vielleicht auch gerade wegen ihr erscheint die afrikanische Sicht auf die Welt umso bildhafter.

Ein kurzer, aber umso eindrucksvoller Roman, aus dem eine starke und laute Stimme spricht.

Philippe Dijan – Marlène

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Philippe Dijan – Marlène

Wer ist Marlène? Und hat sie wirklich so eine böse Aura, wie Richard vermutet? Schwanger flüchtet Marlène zu ihrer Schwester Nath, die sie aus Pflichtgefühl aufnimmt, auch wenn die Situation gerade schwierig ist. Mit ihrer 18-jähirgen Tochter Mona liegt sie im Clinch, so dass diese zu Dan zieht, dem besten Freund ihres Vaters Richard. Dieser saß drei Monate im Gefängnis und steht kurz vor der Entlassung. Dan versucht in das bürgerliche Leben zurückzukehren, was nach den Erfahrungen im Jemen und Afghanistan nicht einfach ist, doch im Gegensatz zu Richard scheint es ihm zu gelingen. Er ist bemüht seinem Job regelmäßig nachzugehen, die Nachbarn zu grüßen und seine Hilfe anzubieten, um wieder aufgenommen zu werden in die Gesellschaft. Doch dann kommt Marlène und macht ihm eindeutige Avancen. Er wehrt sich und ahnt noch nicht, dass er besser die Flucht ergreifen sollte, denn Marlène zieht eine Spur der Verwüstung hinter sich her.

Philippe Dijan ist als Autor in der französischen Literaturszene seit Jahrzehnten eine feste Größe. Vor allem die komplizierten zwischenmenschlichen Beziehungen haben es ihm angetan, seinen Durchbruch hatte er 1985 mit „37°2 le matin“ (dt. „Betty Blue – 37,2 Grad am Morgen“), in dem er die obsessive Liebe zwischen Betty und Zorg schildert. Sein Roman „Oh…“ aus dem Jahr 2012 wurde mit dem Prix Interallié ausgezeichnet und beschreibt die verstörende Anziehung zwischen einer Frau und ihrem Vergewaltiger.

Die Protagonistin, die dem aktuellen Roman den Titel verleiht, bleibt über weite Teile der Handlung erstaunlich blass. Es wird mehr über sie gesprochen als dass man sie selbst erleben würde und man fragt sich, wie die anderen Figuren zu ihrer Einschätzung kommen und inwieweit sie mit dieser richtig liegen. Richard hasst Marlène und macht keinen Hehl daraus. Die Probleme, die Richard und Dan haben, wieder festen Boden unter den Füßen zu finden, nehmen viel mehr Raum ein und man fragt sich fast, wie Marlène zu ihrer Ehre kommt, kann sie Dan vielleicht doch von seinem Trauma befreien?

„Er kannte nicht nur Angst, Blut und Schmerz, aber er konnte sich schrubben, so viel er wollte, es ging nicht ab, es kam immer wieder, und jedes Mal färbte es auf den Rest ab (…) Er hatte sich daran gewöhnt. In gewisser Weise war er schon tot, dachte er. Weder Marlène noch sonst jemand konnte etwas dafür. Wer einmal in der Hölle gewesen war, kam nicht wieder zurück.“

Die zarte Verbindung scheint jedoch eine Zukunft zu haben, zumindest in Dans Augen. Er ist bereit sich dafür auch gegen seinen Freund zu stellen und Marlène zu verteidigen. Doch dann folgt unweigerlich der Moment des Schreckens und Grauens. Völlig unvorbereitet trifft es einem als Leser und Dijan legt sofort nach, kaum ein Herzschlag vergeht zwischen den Schlägen, die er uns zumutet.

In kurzen Sequenzen erzählt Dijan seine Geschichte, wechselnd zwischen den Figuren erlaubt er Innen- und Außensicht, was ein komplexes Bild entstehen lässt und die Zwänge, denen sie ausgesetzt sind, anschaulich verdeutlicht. Dialoge und Beschreibungen gehen fließend ineinander über und entwickeln so die Figuren und die Handlung unentwegt fort. Kaum scheint man sie greifen zu können, entweichen sie wieder.

Dijan ist keine leichte Kost, aber ein sprachlicher Virtuose, der ein Auge für die Vielschichtigkeit der menschlichen Seele hat.

Ein herzlicher Dank geht an den Diogenes Verlag für das Rezensionsexemplar. Mehr Informationen zu Autor und Buch finden sich auf der Verlagsseite.