Taylor Jenkins Reid – Die sieben Männer der Evelyn Hugo

Taylor Jenkins Reid – Die sieben Männer der Evelyn Hugo

Evelyn Hugo – einer der größten Stars, die Hollywood je hervorgebracht hat und die auch mit fast 80 Jahren noch alle zum Luft anhalten bringt, wenn sie irgendwo auftaucht. Sie will Monique Grant, eine unbekannte Journalistin, um ihre Biografie zu schreiben. Warum ist nicht nachvollziehbar, doch die Diva macht klar: sie oder niemand. Monique besucht sie täglich in ihrem luxuriösen Appartement in Manhattan und lernt eine ganz andere Seite der Frau kennen, die die Öffentlichkeit als Sex Bombe und Gattin von sieben Ehemännern abgespeichert hat. Ein Leben voller Kämpfe, Siegen und Niederlagen – und voller Leidenschaft, die jedoch nur im Verborgenen existieren konnte. Monique ist fasziniert von der Frau, die vor ihr alle Schandtaten und Emotionen ausbreitet – doch es bleibt die Frage: warum sie? Welchen Grund hat die Schauspielerin, ausgerechnet Monique Grant all das anzuvertrauen?

„Die sieben Männer der Evelyn Hugo“ ist der Roman, mit dem die amerikanische Schriftstellerin Taylor Jenkins Reid ihren Durchbruch schaffte, der jedoch auf Deutsch erst fünf Jahre nach der Erstveröffentlichung erscheint. Mich hat die Autorin mit ihren fabelhaften Romanen „Daisy Jones & The Six“ und „Malibu Rising“ bereits restlos überzeugen können und genau das, was mich dort begeistern konnte, findet sich auch bei Evelyn Hugo: Figuren, die so authentisch und lebendig wirken, als würde man mit ihnen im Raum sitzen und all das erleben, was sie gerade durchmachen. Ein emotionales Auf und Ab, das ein großes und geheimnisvolles Leben offenbart, von dem man gar nicht glauben kann, dass es nicht real gewesen sein soll.

Immer wieder erinnert die Autorin geschickt daran, dass über der ganzen Geschichte ein Geheimnis hängt, das es noch zu lüften gilt. Dies kann jedoch nicht von dem schillernden Leben der Protagonistin ablenken, die am Ende ihres Lebens angekommen nichts mehr zu verbergen hat und frank und frei ihrem deutlich jüngeren Gegenüber alle richtigen wie auch falschen Entscheidungen offenbart. Es enthüllt sich das Leben einer Frau, die zum Star geboren war, die für ihre Chancen kämpfte, egal wie groß die Steine waren, die man ihr in den Weg legte. Sie war aber immer auch intelligent genug, die Grenzen zu kennen, jene, die Hollywood Frauen in den 50er und 60er Jahren auferlegte und jede der Gesellschaft, die noch nicht bereit war, jede Form von Liebe zu akzeptieren.

Ein Roman voller Leidenschaft, die nicht wenig Leiden schaffte, der schillernd Liebe und Freundschaft in allen Facetten schildert. Evelyn Hugo ist nicht verbittert, sie hat auch keine große Beichte mehr abzulegen, sie ist mit sich im Reinen und hat – trotz mancher Fehler – das Leben gelebt, das sie leben wollte. Emanzipiert lange bevor der Begriff geprägt wurde und doch den Konventionen unterworfen – Taylor Jenkins Reid fängt Widersprüche ein und lässt sie doch nachvollziehbar und plausibel werden.

So wie die Journalistin Monique zugleich fasziniert ist, wird man auch als Leser unmittelbar gefangen und folgt mit Sensationsgier wie auch Neugier den Schilderungen, ahnend, dass es noch einen Aspekt gibt, der womöglich alles zunichtemacht, was vorher an Begeisterung und Zuneigung für die Hauptfigur aufgebaut wurde. So entsteht eine Geschichte, die mitreißt auf der emotionalen Achterbahn, aus der man am Ende etwas durchgeschüttelt, aber mit absolutem Hochgefühl aussteigt.

Theresa Prammer – Lockvogel

Theresa Prammer – Lockvogel

Schauspielschülerin Toni hätte sich nicht vorstellen können, dass ihr das passiert. Ihr Freund Felix ist auf und davon und hat ihre ganzen Ersparnisse sowie den Schmuck ihrer Oma mitgenommen. Zur Polizei will sie nicht gehen, da sie dann der Oma beichten müsste, was geschehen ist. Aus diesem Grund sucht sie Hilfe bei Edgar Brehm, seines Zeichens Privatdetektiv. Dieser ist nicht nur gesundheitlich angeschlagen, sondern auch finanziell in einer Notlage, weshalb ihm sein neuer Auftrag gerade Recht kommt: Sybille Steiner, Frau eines erfolgreichen Regisseurs, engagiert ihn, um Anschuldigungen gegen ihren Mann prüfen zu lassen. Dieser soll jahrelang die Situation junger, ambitionierter Schauspielerinnen ausgenutzt haben. Da kommt Toni ins Spiel: sie hat zwar kein Geld, um den Detektiv zu bezahlen, aber als Lockvogel kann sie die Kosten quasi abarbeiten.

Theresa Prammers Krimi ist eine unterhaltsame Mischung aus klassischem Mordfall, immer wieder humorvollen Einschüben und der immer noch aktuellen #metoo Debatte. Die liebevoll gezeichneten Figuren tragen dabei ganz entscheidend zu Gelingen bei: sowohl die bisweilen naive und chaotische Toni wie auch der angeschlagene Detektiv Brehm wirken wie aus dem Leben gesprungen: sie sind keine Superhelden, im Gegenteil, nicht wenig geht bei ihren Ermittlungen auch schief, aber die kleinen und großen Schwächen machen sie schlicht sympathisch und menschlich.

So richtig scheinen in dem Fall die Puzzleteile nicht zusammenzupassen: bei schillernden einer Party im Haus der Steiners wird ein Aushilfskellner getötet. War das Drehbuch, das der verhinderte Autor dem Starregisseur zustecken hat wollen der Anlass? Doch wie brisant sollte dessen Inhalt gewesen sein? Da ist das anonyme Tagebuch, dass man Sybille Steiner zugespielt hat deutlich aufschlussreicher. Das ungleiche Team stürzt sich in die Ermittlungen, wobei Toni bald merkt, dass sie zwar über Schauspieltalent verfügt, aber die Improvisation, die undercover Einsätze erfordern, auch geübt sein will, weshalb sie ein uns andere Mal in durchaus kritische Situationen gerät. So wie Brehm sie aus diesen retten muss, kommt auch sie ihm zu Hilfe, denn mehr als einmal drohen sie gnadenlos aufzufliegen und zu scheitern.

Obwohl es sich um einen Krimi handelt, war die Spannung eher moderat, was für mich aber durch den lockeren Erzählton und die wirklich herausragenden Figuren locker wettgemacht wurde. Die verschiedenen Handlungsstränge wurden überzeugend miteinander verbunden und letztlich auch sauber gelöst. Eine runde und unterhaltsame Angelegenheit.

Agatha Christie – Evil Under the Sun/Murder in Mesopotamia

Agatha Christie – Evil Under the Sun / Murder in Mesopotamia

In diesen sehr speziellen Zeiten fällt es mir manchmal schwer, mich auf außergewöhnliche Geschichten einzulassen, wenn der Alltag schon sehr anstrengend ist, soll es wenigsten bei Büchern etwas entspannter zugehen und da sind die Klassiker wieder ganz weit vorne. Mit Agatha Christie und vor allem den John Moffatt Hörspiel-Versionen ist gute Unterhaltung jedenfalls gesichert.

In „Evil Under the Sun“ urlaubt der belgische Privatdetektiv in einem exklusiven englischen Seebad, wo jedoch nach der Ankunft der Schauspielerin Arlena Stuart die Ruhe empfindlich gestört wird. Nicht nur drehen sich alle Männer nach ihr um, ihr unerwartetes Ableben bringt die Urlaubspläne Poirots dann vollends durcheinander. Ein Hotelgast nach dem anderen wird verhört und genauestens durchleuchtet bis der Schuldige und sein perfider Mord schließlich offengelegt werden.

Einen ganz anderen Schauplatz wählt Christie für den Mord an Louise Leidner, die bereits seit einiger Zeit fantasierte und scheinbar Geister sah: die nervöse Ehefrau eines Archäologen befindet sich bei einer Ausgrabungsstätte in Mesopotamien und ist erleichtert über die Ankunft von Krankenschwester Amy Leatheran, der sie sofort vertraut. Doch auch diese neue Freundschaft kann die Bluttat nicht verhindern. Glücklicherweise befindet sich Poirot in der Nähe auf Durchreise und kann zu dem ungewöhnlichen Fall hinzugezogen werden. Klar ist: nur einer aus dem Ausgrabungsteam kommt als Mörder in Frage.

Die BBC hat insgesamt 25 Krimis der Grande Dame mit John Moffatt intoniert, in denen der Schauspieler in die Rolle des berühmten Ermittlers schlüpft. Mit charmantem Akzent und der gewohnt zurückhaltend aber dennoch überlegenen Art nähert er sich souverän der Lösung und deckt jede Lüge auf, die man ihm unverfroren präsentiert. „Murder in Mesopotamia“ fand ich insgesamt etwas raffinierter und allein schon aufgrund des Handlungsortes in der irakischen Wüste interessanter. Noch dazu bietet Poirot am Ende eine herrliche Querverbindung zu anderen Werken: er plane nun, nachdem der Fall aufgeklärt ist, zurück nach England zu kehren. In Istanbul will er den berühmten Orient Express nehmen, ein wenig Luxus soll man sich ja gönnen. Dass der bekannte Mord in selbigen bereits Jahre zuvor beschrieben wurde, kann man hier getrost ignorieren.

Juli Zeh – Nullzeit

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Juli Zeh – Nullzeit

Die Nullzeit ist bei einem Tauchgang mit einem Drucklufttauchgerät die durch die Dekompressionstabelle vorgegebene Zeitspanne, in der man ohne Dekompressionsstopp (Verharren für eine bestimmte Zeit in einer bestimmten Tiefe) an die Wasseroberfläche zurückkehren kann.

[Quelle: Wikipedia]

Jola und Theo kommen auf eine der Kanarischen Inseln, um dort das Tauchen zu lernen. Die Schauspielerin will sich so auf eine der nächsten Rollen vorbereiten, ihr Partner begleitet sie und findet vielleicht eine Inspiration für sein neues Buch. Zwei Wochen haben sie den Tauchlehrer Sven gebucht, der dort seit Jahren als Aussteiger eine Tauchschule betreibt. Normalerweise ist Sven egal, wer seine Kunden im echten Leben sind, doch dieses Mal begeht er den Fehler nach ihnen zu googlen, aber das wird nicht der einzige Fehler bleiben und nach den zwei Wochen mit den vermeintlichen Promis wird sein Leben ein Scherbenhaufen sein. Er merkt schnell, dass zwischen den beiden so einiges nicht stimmt und es dauert nicht lange, bis dies zu echten Gefahr wird. Immer mehr verunsichert ihn vor allem Jola Verhalten, diese wiederum dokumentiert die Erlebnisse in ihrem Tagebuch. Das Problem ist nur: die Schilderungen aus Svens und Jolas Sicht könnten kaum verschiedener sein. Wer von den beiden sagt die Wahrheit, was geschah wirklich auf der Insel?

Juli Zeh ist mir als Erzählerin von Gegenwartsromanen bekannt, dass sie auch Krimis schreibt, hatte ich vor „Nullzeit“ nicht registriert. Aber auch in diesem Genre kann sie überzeugen, was ihr vor allem durch zwei Dinge gelingt: interessante Protagonisten, die auf Augenhöhe miteinander ringen und die Konstruktion der Geschichte, die verunsichert und Zweifel sät.

Jola ist zunächst das recht typische Serien-Sternchen, das auf den ganz großen Durchbruch hofft. Ihre schauspielerischen Fähigkeiten zeigen sich gegenüber Sven erst im Laufe der Handlung, wenn sie diese manipulativ einsetzt, denn sie hat ganz offensichtlich ihr eigenes Drehbuch mit auf die Insel gebracht und für den Tauchlehrer eine Hauptrolle vorgesehen. Ihre Inszenierung ist gut durchdacht und sauber geplant. Aus kleinen Neckereien des Pärchens werden schnell lebensbedrohliche Situationen und Sven beschleicht zunehmend die Angst, dass Theo tatsächlich in großer Gefahr sein könnte.

Man ist geneigt den Schilderungen Svens zu glauben, erscheint er doch nicht nur sympathisch, sondern es fehlt ihm auch an Motiv einem anderen Schaden zufügen zu wollen. Jolas Tagebucheinträge indes sind überdreht und emotional, für eine Frau mit 30 eher unpassend. Aber heißt das auch direkt, dass sie unwahr sind und kann diese Frau auch die sein, die einen gemeinen, hinterhältigen aber sehr cleveren Plan eines Mordes aushecken und durchziehen kann?

Insgesamt beste Unterhaltung, ein Krimi, der alles bietet, was man sich wünschen kann: klassisches Krimisetting, ebenbürtige Gegner und lange Unklarheit darüber, was eigentlich geschieht.

Vendela Vida – Des Tauchers leere Kleider

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Vendela Vida – Des Tauchers leere Kleider

Eine Frau flieht, nur weg aus Amerika. Casablanca erscheint ihr entfernt genug. Kaum im Hotel angekommen, wird ihr Rucksack mit Pass und Kreditkarten gestohlen. Das Personal macht einen engagierten Eindruck, auch die Überwachungskamera zeigt den Schuldigen. Die Polizei beruhigt sie, man wird den Täter schnell finden. Doch am nächsten Tag auf der Wache übergibt man ihr den falschen Rucksack inklusive dem Pass einer anderen Frau. Soll sie diesen annehmen und das Thema abhaken oder weiter ihren eigenen fordern? Sie greift zu und übernimmt die fremde Identität. In ihrem Hotel will sie nicht bleiben und zieht daher um. In ihrer neuen Unterkunft finden gerade Dreharbeiten mit einer berühmten Schauspielerin statt und nach dem Ausfall eines Lichtdoubles wird sie spontan engagiert. Mit einer neuen Identität eröffnet sich ein neues Leben. Aber so leicht lässt sich das alte nicht abstreifen.

Vendela Vidas Roman kann immer wieder überraschen. Nicht nur weil die Protagonistin völlig absurd und wenig nachvollziehbar agiert, sondern auch weil die Handlung immer wieder unerwartete Wendungen nimmt. Wenig an dem Roman entsprach dem, was ich von ihm erwartet hatte.

Im Zentrum steht die junge Frau, die offenbar Schreckliches erlebt hat, was sich aber erst sehr spät im Roman nach und nach offenbart, ihre Flucht aber letztlich sehr glaubhaft motiviert. Casablanca ist für sie kein reiflich überlegtes Ziel, überhaupt scheint der Ort, an den sie reist, nur am Rande relevant zu sein. So bleibt das Setting auch weitgehend beliebig und die Handlung könnte sich ziemlich überall abspielen, womit die Autorin leider eine Chance vergeben hat. Dass sie die fremde Identität annimmt und wie es dazu kommt, kann man entweder als völlig unglaubwürdig oder ausgesprochen klischeehaft einordnen – beides ist nicht besonders befriedigend.

Den größten Teil der Handlung nehmen die Begegnung mit der Schauspielerin und die Dreharbeiten ein. Zugegebenermaßen hat mich der Ablauf an einem Filmset herzlich wenig interessiert, dies wird aber detailliert ausgeführt. Die Schauspielerin selbst ist eine durchaus interessant angelegte Figur, bleibt aber oftmals zu skizzenhaft, um real zu wirken.

Auch das Ende lässt mich etwas unzufrieden zurück. Überstürzt flüchtet sie immer weiter und es ist nicht abzusehen, ob und wie sie sich ihrem Leben wieder stellen will. Mittlerweile gänzlich ohne Papiere und Habseligkeiten, irrt sie umher. Dies erscheint dann doch etwas arg überzogen.

Interessant am Roman war der Schreibstil. Die Autorin hat sich für eine ungewöhnliche Erzählperspektive entschieden, wie folgende Passage verdeutlicht:

Du schlägst den Pass auf und siehst, dass dir das Foto zwar ähnelt – die Frau hat glatte braune Haare und helle, weit auseinanderstehende Augen –, dass es aber nicht dein Pass ist. Er gehört, wie du siehst, einer Frau namens Sabine Alyse. Der Polizeichef legt dir ein rotes Portemonnaie hin.

Diese Du-Erzählung in der der Erzähler die Protagonistin adressiert ist gewöhnungsbedürftig und vermutlich nicht umsonst eher selten.

Das Gesamturteil fällt gemischt aus. Die guten Ansätze können die verschenkten Chancen nicht aufwiegen und die Erzählperspektive gestaltete das Lesen doch etwas holprig.