Saphia Azzeddine – Sa mère

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Saphia Azzeddine – Sa mère

L’accouchement sous X – cette loi française permet à une femme d’accoucher et d’abandonner son bébé sans révéler son identité. Marie-Adélaïde était un tel bébé et comme elle ne connait ni ses parents ni son destin, c’est la rage qui la dirige dans la vie. Peu diplomate, elle a toujours des problèmes, avec ses camarades, ses collègues et même ses patrons. Elle ne peut ni ne veut accepter les conventions et en plus, elle ne peut pas imaginer des personnes qui ne lui veulent pas, qui l’aiment même et qui s’intéressent à elle. Le jour de son 18e anniversaire, elle a le droit de lire son dossier et d’avoir, finalement, un nom qui la mène à sa mère. Qui est cette femme qui a abandonné sa fille, qui ne s’intéresse pas à sa vie et son sort ? Y aura-t-il la chance de revivre une enfance passée ?

Marie-Adélaïde est une héroïne difficile à aimer. La colère qui règne en elle ne le rend pas facile à l’embrasser et comprendre. Le fait qu’elle se retrouve en prison n’est pas trop surprenant si on considère sa manière de traiter ses prochains. Son assistante sociale aussi met un grand effort à lui montrer comment retourner en société – mais Marie-Adélaïde a le sentiment d’être volée une enfance qu’elle aurait méritée et ainsi, elle n’est pas capable de se comporter doucement et tranquillement.

Le roman devient le plus intéressant au moment où Marie-Adélaïde commence à faire des recherches sur sa mère. Incrédule d’abord, elle ne peut pas croire ce qu’elle lit dans le dossier et ce que son détective privé révèle. La rencontre avec la mère, finalement, est aussi bien singulier et convient bien avec le caractère et la biographie de la fille. Le procès du rapprochement entre mère et fille est raconté avec une douceur éblouissante comme toutes les deux n’ont pas d’expérience avec la proximité, avec être mère ou fille, seulement des idées comment cela doit être, mais parfois cela a l’air de ne pas être correct et juste pour elles.

Encore une fois, comme dans les autres romans de Saphia Azzeddinne, l’auteur arrive à trouver un ton particulier pour sa narratrice qui reflète son état d’âme et son caractère. Marie-Adélaïde – déjà son nom signifie une rupture avec le destin attendu d’une fille adoptée – vit une vie « transitoire », entre réalité et rêve – des rêves qu’elle n’a pas. Elle a la tête sur les épaules et n’attend pas trop de sa vie ce qui la rend bien directe envers les autres. Quoique l’histoire soit pleine de chagrin et tristesse, il y beaucoup de moments à éclater de rire où au moins à sourire. Enfin, Marie-Adélaïde est aimable et on lui souhaite le meilleur – mais la vie ne fonctionne pas de cette manière.

Saphia Azzeddine – Bilqiss

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Saphia Azzeddine – Bilqiss

Ein Land, in dem die Männer herrschen, das Frauen unter Burkas versteckt und den Koran auf teilweise absurde Weise interpretiert. Bilqiss ist angeklagt, das Urteil – öffentliche Steinigung auf dem Dorfplatz – steht schon fest, nur der Richter lässt sich ungewöhnlich viel Zeit. Ihr Vergehen: sie hat den Platz des unpässlichen Muezzins übernommen und den Adhan deklamiert. Eine Frau, den geheiligten Ruf. Der Richter erkennt in ihr seine erste Ehefrau wieder, ebenso wie Bilqiss widerspenstig, eigensinnig und die Gesetze des misogynen Staates nicht einfach hinnehmend. Er verliebt sich und weiß doch, dass er ihr Schicksal besiegeln muss. An diesem nimmt zwischenzeitlich die ganze Welt dank Videos des Prozesses Anteil und lockt sogar die amerikanische Reporterin Leandra in das ferne Land, das sonst nur amerikanische Soldaten betreten. Aber kann die junge, in Sicherheit und Wohlstand aufgewachsene Frau wirklich verstehen, wie sich die Situation für die Frauen vor Ort darstellt?

Einmal mehr zeigt Saphia Azzeddine ihr Talent für die Außenseiter, die Unterdrückten, die aber mit einer unglaublichen Stärke ausgestatte sind. Wie auch Polo in „Mein Vater ist Putzfrau“, der sich im Pariser Vorstadtdschungel durchschlagen muss, ist Bilqiss vom Leben nichts geschenkt worden. Als 13-Jähige mit einem 30 Jahre älteren Mann verheiratet und in der Ehe die Hölle auf Erde erlebend, weiß sie sich zu befreien. Von ihrer Lehrerin lernt sie zu fragen, zu hinterfragen und sich ihres Verstandes zu bedienen und so dem Richter ebenbürtig zu werden in der Auslegung der Geschehnisse. Clever kontert sie, stellt in Frage, was dieser im Land der extrem Gläubigen nur nachbetet, aber nicht hinterfragt. Unterstützer hat sie keine, dafür ist ihr Verhalten zu renitent und noch dazu lockt das Spektakel einer Steinigung. Der Richter erkennt die Intelligenz dieser Frau, im harten Kontrast zu seiner zweiten Gattin, die nicht einmal lesen und schreiben gelernt hat und lediglich für das leibliche, nicht aber für das intellektuelle Wohl sorgen kann.

Bilqiss‘ Rolle in der afghanischen Gesellschaft – auch wenn das Land nie konkret genannt wird, liegt der Handlungsort aufgrund der Burka und der amerikanischen Soldaten doch nah – und ihr ganz eigener Widerstand ist ein interessanter Aspekt des Romans. Eine zweite Dimension erhält er jedoch in der Spiegelung mit der idealistischen Journalistin. Dass diese Jüdin ist, mag nur ein kleiner Faktor am Rande sein, viel spannender ist der Versuch zu verstehen und der unbändige Glaube, etwas bewirken zu können. Bilqiss beschreibt sie schon recht spät im Roman mit folgenden Worten:

„Ich argwöhnte, dass sie einen Hang zum Exotismus hatte, irrtümlicherweise dachte sie wohl, dass das Tragen einer Burka dem Eintauchen ins Land förderlich wäre. Da diesem nichts Endgültiges anhing, trug Leandra sie wie eine Verkleidung, wohingegen sie für uns eine zweite Haut darstellte.”

Sie versucht, das Leben der afghanischen Frauen nachzuempfinden, es gelingt ihr aber nicht, dies wirklich zu erfassen. Die Bedeutung der Burka, Bilqiss Kampf gegen die aufgezwungenen Farben selbiger als Symptom des Widerstands gegen diesen Staat, gegen die Dominanz der Männer und die Absurdität des Daseins – diese Dimensionen bleiben der Amerikanerin verborgen. Nicht das einzelne Schicksal zählt; einzelne Episoden ergeben noch kein vollständiges Bild und ein kurzer Abstecher in die Ferne helfen noch lange nicht, zu verstehen.

Der Roman besticht vor allem durch die Dialoge, das Ausfechten der Deutungshoheit zwischen Bilqiss und ihrem Richter. Darunter verborgen offenbart sich jedoch noch weitaus mehr, das derzeit einen dunklen Schatten über weite Teile dieser Welt legt.

Saphia Azzeddine – Mein Vater ist Putzfrau

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Saphia Azzeddine – Mein Vater ist Putzfrau
Paul, genannt Polo, wird nichts geschenkt im Leben. In der Pariser Cité gelingt das Überleben mehr schlecht als recht, die Mutter liegt krankheitsbedingt nur im Bett, die Schwester träumt davon eine Misswahl zu gewinnen und sein Vater arbeitet nachts als Putzfrau. Paul hilft ihm dabei und erwirbt so ein unheimliches Wissen über die Welt, denn sie kommen ebenso in Bibliotheken wie Großraumbüros und Diskotheken der besseren Gesellschaft. Auch in der Schule ist er – zu klein, zu hässlich, zu seltsam – ein Außenseiter, nur die von ihm angehimmelte Priscilla schenkt ihm Aufmerksamkeit. Langsam wird er erwachsen und stellt sich den wesentlichen Fragen des Lebens: will er Muslim werden oder doch lieber Jude? Ist sein Penis zu klein? Wie kann er aus dem, was ihm gegeben ist, etwas machen?

Saphia Azzeddine gelingt der Spagat zwischen unterhaltsam und doch den Ernst der Lage erfassen und vermitteln. Zwar bleibt ihr Ton durch eine gewisse Naivität des zu Beginn noch jungen Erzählers leichtfüßig und unterhaltsam, aber seine Not in prekären Verhältnissen, umgeben von der bekannten Gewalt der Pariser Vorstädte und ausgegrenzt von der französischen Mittelschicht, wird deutlich und auch von der Erzählweise nicht komplett überlagert. Man gewinnt Einblick in das Innenleben eines einsamen, seine Umwelt aufmerksam beobachtenden Jungen, dessen Chancen immer überschaubar bleiben werden – was ihn aber nicht daran hindert, glücklich zu sein.