Petra Johann – Die Frau vom Strand

Petra Johann – Die Frau vom Strand

Nach einer Fehlgeburt wollten Rebecca und Lucy sich zurückziehen und sind vom turbulenten Hamburg in der Ostseedorf Rerik gezogen. Offenbar tat die Seeluft gut, denn Rebecca wird sogleich wieder schwanger. Jedoch auch Monate nach der Geburt von Töchterchen Greta möchte sie nicht wieder zurück, sehr zum Leidwesen von Lucy, die zwischen ihrer Agentur und dem gemeinsamen Heim pendelt. Obwohl es nur wenige junge Menschen im Ort gibt, fühlt sich Lucy nicht einsam; als sie die gleichaltrige Julia kennenlernt, freut sie sich aber dennoch endlich eine Freundin gefunden zu haben, die beiden Frauen liegen sofort auf einer Wellenlänge. Aber dann verschwindet Julia plötzlich und es scheint, als wäre sie nie dagewesen, sie hat keinerlei Spuren hinterlassen. Unerwartet findet Rebecca allerdings eine Verbindung, die ihr Leben durcheinanderwirbelt und Lucy das Leben kostet.

Mit gleich zwei Mysterien wird man als Leser in Petra Johanns Thriller konfrontiert: wer ist die sympathische Frau, die aus dem Nichts auftaucht und ebenso schnell wieder verschwindet? Und natürlich: wer hätte ein Interesse am Mord von Lucy gehabt? Die allseits beliebte und immer auf Ausgleich bedachte Frau hatte scheinbar keinerlei Feinde und der Tod einer jungen Mutter erscheint völlig unsinnig. Das Ermittlungsteam sieht sich zahlreichen Fragezeichen gegenüber, die sich nur langsam auflösen.

Der Roman lebt vor allem von den Figuren, die wenig durchschaubar sind. Viele lernt man zunächst auch nur durch andere vermittelt kennen, Lucys Tod schon zu Beginn lässt sie nur noch in der Erinnerung ihrer Kollegen und Freunde aufleben – ein Bild das notwendigerweise Lücken aufweist. Auch Rebecca ist zunächst verschwunden, was an sich schon seltsam erscheint und sie verdächtig macht – dies passt wiederum so gar nicht zu dem Eindruck der liebenden Mutter, die sich in dem kleinen Ort und weitgehend isoliert dennoch wohlfühlt. Zuletzt natürlich die unbekannte Frau, die sich als Julia vorstellt, zu der aber außer Rebecca kaum jemand etwas berichten kann. Wo sie herkam, wer sie eigentlich ist und weshalb sie scheinbar gezielt zu Rebecca Kontakt gesucht hat – Fragen über Fragen.

Für mich kein nervenzerreißender Thriller, aber durchaus ein spannender Krimi, der den Leser lange auf die Folter spannt.

Wladimir Kaminer – Die Kreuzfahrer

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Wladimir Kaminer – Die Kreuzfahrer

Eine Seefahrt, die ist lustig, eine Seefahrt, die ist schön – so oder so ähnlich hatte sich Wladimir Kaminer das Reise auf einem Kreuzfahrtschiff vorgestellt, was ihn erwartete, war der Alptraum aller Individualurlauber. Vier Reisen unternimmt er, bei dreien eingeladen im Kulturprogramm als Vorleser zu fungieren und erstaunlicherweise nach den Erfahrungen noch eine private Reise. Er durchquert den Atlantik, schippert durch Mittelmeer und Ostsee, bevor er die Karibik erkundet. Mit pointierter Ironie beschreibt er die Reisenden und die Gepflogenheiten auf dem Schiff und bei Landgang, kann irgendwann treffsicher Nationalitäten zuordnen und verbringt ansonsten sehr viel Zeit mit Essen und Trinken und dem Trällern der offenbar obligatorischen Schlager.

Das perfekte Buch, um einem jede Lust aufs Urlauben auf einem Kreuzfahrtschiff zu verderben – und zugleich köstliche Unterhaltung. Auf engstem Raum werden die unterschiedlichsten Menschen zusammengepfercht, um dann schaukelnd durch den Seegang und schunkelnd durch Ballermannmusik von A nach B transportiert zu werden. Man hat den Eindruck als wenn es sich um die komprimierte Form des Massenurlaubs rund ums Mittelmeer handelt und die bekannten Verhaltensweisen der Touristen sind dort natürlich genauso zu finden wie auf Mallorca:

„Obwohl Olga und ich als erste Reisende an Bord gingen, lagen bereits fremde Badetücher an strategisch wichtigen Plätzen: auf dem Sonnendeck, vor der Grillstation und am Pool. Fliegende Badetücher waren wahrscheinlich eine neue Reiseoption, die man bei AIDA buchen konnte, dachten wir. Noch bevor der Inhaber des Badetuches an Bord kam, wurde ihm ein warmes Plätzchen auf dem Sonnendeck reserviert.”

Auch wenn er in erster Linie unterhalten will – und das tut er ohne Frage – sind doch auch kritische Untertöne herauszuhören. Der seit Jahren boomende Tourismus auf allen Ozeanen und Binnenmeeren der Welt ist zu einer gnadenlosen Industrie geworden. Das Personal im Dauergrinsezustand bleibt stets freundlich und lässt den durchschnittlichen Urlauber nicht hinter die ausbeuterische Fassade in den unteren Stockwerken blicken, wo die geringverdienenden Philippinos schuften. Ebenso an Land, wo man selten noch auf Einheimische trifft, sondern sich Flüchtlinge und Migranten aus aller Welt der Nachfrage angepasst haben und die Kundschaft mit dem bedient, was sie sehen will: verkleidete Götter, Eseltreiber und heimatliche Tänze. Perfekt orchestriert, um in wenigen Stunden Aufenthalt das unmittelbare Erlebnis zu garantieren, wenn sie dies überhaupt noch wollen:

„(..) glich unsere AIDA einer schwimmenden Kneipe. Ihre Gäste – die meisten davon Stammgäste auf dem Schiff – hatten schon längst jede Lust aufs Festland verloren. Man konnte sie nur mit Gewalt zu den Sehenswürdigkeiten Griechenlands zwingen. Manche wurden von den Unterhaltungsoffizieren buchstäblich von Bord geschubst.”

Kaminers unverkennbarer Stil führt unweigerlich dazu, dass man im ersten Moment laut loslachen möchte, das Lachen einem dann aber doch im Halse stecken bleibt. Spätestens jetzt ist man von der Idee, eine Kreuzfahrt zu unternehmen völlig geheilt. Perfekte Sommerlektüre für den vollbepackten Strand, wo man neben Touristen aus aller Herren Ländern auf engstem Raum gemeinsam schwitzt.