Yael Inokai –  Ein simpler Eingriff

Yael Inokai – Ein simpler Eingriff

Marianne ist die neue Patientin, die die Krankenschwester Meret vor der innovativen Behandlung betreut. Es ist ein simpler, aber wirkungsvoller Eingriff, der Mariannes Wut, die sie schon ihr Leben lang begleitet, endlich für immer eindämmen soll, so dass Marianne ein normales Leben führen kann. Unzählige Mal schon hat der Arzt die Operation erfolgreich durchgeführt, auch wenn die Nebenwirkungen bisweilen erheblich sind, aber das Leiden, das die Frauen zu ihm führten, konnte behoben werden. Meret mag ihre Arbeit und vertraut dem Arzt, doch dieses Mal geht etwas schief und die Zweifel, die sie bis dato in ihrem Inneren versteckt hatte, kriechen jetzt langsam hervor. Sie fühlt sich mitschuldig daran, das Verfahren lange Zeit unterstützt zu haben, und muss sich nun in ihrem Leben neu justieren.

Yael Inokai hat mich vor einigen Jahren mit ihrem Roman „Mahlstrom“, für den sie mit dem Schweizer Buchpreis ausgezeichnet wurde, bereits beeindrucken können. Auch „Ein simpler Eingriff“ spielt wieder in einem sehr kleinen und engen Setting, das die Handlung auf das Wesentliche konzentriert und doch die großen Fragen aufreißt. Vieles bleibt schleierhaft und vage, man weiß weder genau wann, noch wo die Geschichte spielt, aber die Protagonistin, die man als Leser begleitet, durchlebt stellvertretend große Emotionswogen, die einem gleichermaßen mitreißen.

Der Roman bietet ein großes Spektrum an Sinnfragen an, denen man nachhängen kann. Zentral natürlich die ethisch-moralische Frage danach, was Medizin darf und was die Mehrheitsgesellschaft als „normal“ oder „akzeptabel“ definiert. Die psychische Erkrankung der meist jungen Frauen scheint hierbei etwas aus der Zeit gefallen, verbindet man dies doch eher mit dem ausgehenden 19. Jahrhundert, als die typisch weibliche Hysterie die Mediziner faszinierte.

Auch Meretes erste Erfahrungen der Liebe, so natürlich und unschuldig sie entstehen, erscheinen bald für die anderen Figuren als fragwürdig. Gleichermaßen angerissen das Verhältnis zur Schwester, die ausbrach aus dem starren vorgefertigten Rahmen und nach eigenen Maßstäben lebt. Machtverhältnisse von Männern als Chef und Frauen als Untergebenen, aber genauso von älteren Frauen, die qua Erfahrung den Freibrief zur Tyrannei glauben erhalten zu haben – viele Facetten des Lebens werden von Inokai als Angebot zum Nachdenken gemacht. Sie beantwortet diese nicht, gibt keine Lösungen vor oder wertet. Die Sprache, die ich oft nüchtern und sachlich empfand, unterstützt die Distanz, die durch den Erzähler geschaffen wird und so Raum für den Leser und seine Gedanken eröffnet.

Eine Einladung zum Dialog mit sich selbst. Eine Geschichte, die mir erst durch die Nominierung auf der Longlist des Deutschen Buchpreis aufgefallen ist, wo sie ihren Platz mehr als verdient hat.

Amanda DuBois – The Complication

Amanda DuBois – The Complication

Seattle attorney Camille Delaney rushed to the hospital where her friend Dallas Jackson has to undergo an emergency operation with a fatal outcome. When the former nurse accidentally sees his folder, questions arise. What happened in the operation room? And why was nobody aware of the seemingly critical state her friend was in? As her company only represents hospitals and high profile doctors, thus she cannot pursue her inquiries. Instead this brings her to a point where she has to ask herself if she has given up her ideals for the money and status. As a consequence, she decides to run the risk and leaves the company to start her own firm with her first case. She soon realises that nobody wants to talk about Dr Willcox, responsible surgeon in the operation room, but her gut feeling tells her that something is totally going wrong in this hospital.

There are some similarities between the author and her protagonist. Amanda DuBois herself was a trained nurse before she became a lawyer and medical malpractice has been her area of specialisation. “The Complication” is her first novel which highly relies on her profession knowledge combining medical aspects with law. From a seemingly unfortunate operation, the case develops into a complicated conspiracy which brings the protagonist repeatedly into dangerous situations since she has to deal with reckless people who do not care about a single life.

What I liked about the novel was how the medical details were incorporated and explained along the way so that the reader with limited medical knowledge could smoothly follow the action. The characters are authentically drawn, especially Camille’s discussion with her mother about her ideals and principles raising the question what use she makes of her legal capacities while working for a law firm that puts more interest in the billing hours than helping to serve the law was interesting to follow.

Even though I would estimate that the case is realistically depicted with Camille again and again coming to dead ends and only advancing slowly, I would have preferred a higher pace since as a reader, you have a lead and soon know what scheme is behind it all.

Daniel Silva – Der Drahtzieher

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Daniel Silva – Der Drahtzieher

Schon wieder ein Anschlag des IS auf britischem Boden, hunderte Tote und Verletzte, das Westend in Schutt und Asche. Drahtzieher ist offenkundig Saladin, der Islamist, den es nicht gelungen war zu eliminieren nach dem Angriff auf das Weinberg Center in Paris. Gabriel Allon, inzwischen Chef des israelischen Geheimdienstes, will ihn endlich unschädlich machen und stellt eine nie gesehene internationale Koalition zusammen: MI5 und MI6 aus England, der französische Geheimdienst und sogar die USA, selbst Opfer Saladins geworden, erklären sich zur Zusammenarbeit bereit, um dem größten Feind des Westens mit vereinten Kräften zu begegnen. Die Spuren führen nach Marseille, Einfallsort für die Drogenversorgung Europas. Als Lockvögel werden der beste Spion der Briten und alter Bekannter Allons, sowie Natalie, die Saladin bereits schon einmal sehr nah kam und ihm damals das Leben rettete, auf den Kontaktmann angesetzt. Dann ist Warten angesagt, bis sich die Chance ergeben wird.

Band 17 der Gabriel Allon Reihe setzt nahtlos da an, wo der Vorgänger aufhörte. Immer noch ist der Islamist Saladin das Ziel des Israelis. Auslöser für alle Aktivität ist wieder einmal ein Attentat in Europa, dem die westlichen Sicherheitskräfte nichts entgegensetzen konnten.

Insgesamt legt „Der Drahtzieher“ über weite Strecken ein recht gemächliches Tempo an den Tag. Der Fokus liegt dieses Mal ganz entschieden auf der Arbeit der Geheimdienste, was jedoch kein bisschen an Spannung einbüßt. Anwerbung, Ausbildung, Kontrolle im Hintergrund – detailliert schildert Silva, wie eine große Operation geplant und umgesetzt wird, was dazu erforderlich ist und was offenkundig so alles bewegt werden kann. Ebenso interessant sind natürlich die Befindlichkeiten der einzelnen Länder, wie jeder den großen Sieg einfahren möchte, wie alte Animositäten fast die ganze Aktion gefährden. Hier bewegt sich Silva tatsächlich im klassischen Spionage-Milieu und kann an einen John LeCarré heranreichen.

So interessant dies alles ist, führt es jedoch unweigerlich auch dazu, dass die Handlung langsamer verläuft als man das von Silva gewöhnt ist. So manche Länge bleibt ebenfalls nicht aus. Auch Gabriel Allon bleibt dieses Mal im Hintergrund, die tragenden Figuren sind die Agenten und ihre Zielpersonen. Diese sind überzeugend gezeichnet und auch lebendig in ihrem Handeln. Allerdings habe ich mich doch gefragt, ob sich zwielichtige Personen tatsächlich so leicht anwerben lassen und uneigennützig kooperieren würden. Auch der finale Showdown in Marokko war zwar rasant und einem Thriller würdig, aber hatte doch mehr Hollywood Potential als Überzeugungskraft.

Insgesamt eine solide Fortsetzung mit großem Unterhaltungswert, die die Erwartungen an die Reihe voll erfüllt.