Matt Cain – The Secret Life of Albert Entwistle

Matt Cain – The Secret Life of Albert Entwistle

Kurz vor Weihnachten erhält Albert die Nachricht, dass mit Erreichen des 65. Lebensjahres automatisch sein Renteneintritt folgt. Nur noch drei Monate bis dahin, der Postmann weiß jedoch nicht, was er ohne seinen Lebensinhalt tun soll. Familie hat er keine, seine Eltern sind schon lange tot und er lebt allein mit seiner Katze Gracie. Als diese auch noch verstirbt, versinkt er zunächst in einem Loch, bis er beschließt, sein Leben zu ändern. Er will endlich wieder fröhlich sein und entspannt mit anderen Menschen umgehen, er war lange genug einsamer Eremit. Und eine Sache muss er noch klären: er will sich bei George entschuldigen, der einzigen Liebe seines Lebens. 

Matt Cains Roman ist das, was man guten Gewissens einen Wohlfühlroman nennen kann. Der etwas verschrobene ältere Postmann der nordenglischen Kleinstadt macht innerhalb kürzester Zeit eine unglaubliche Wandlung durch, bei der ihm quasi der ganze Ort hilft und am Ende hat man eine wundervolle Friede-Freude-Eierkuchenszene. Es ist ein schmaler Grat zum Kitsch, dies umschifft der Autor aber mit dem ernsten Hintergrund der Geschichte.

Ausgang zu Alberts Rückzug ist die Tatsache, dass er einen Jungen liebt, zu einer Zeit, als dies noch ein Verbrechen darstellte. Er hat nicht den Mut, sich seinen Eltern und der Gesellschaft entgegenzustellen. Stattdessen zieht er sich zurück, erträgt die harschen Worte des Vaters gegenüber der gay community und verzichtet auf jede Form von Zuneigung. Je älter er wird, desto unfähiger scheint er im Umgang mit anderen Menschen, dabei will er eigentlich nicht einsam sein. 

Zuhilfe kommt ihm eine andere Außenseiterin, Nicole, Teenagermutter mit Migrationshintergrund, die zwar frisch verliebt ist, aber schnell merkt, dass die Eltern ihres neuen Freundes sie nicht für eine angemessene Partnerin halten. 

Auch wenn in Alberts und Nicoles Fall alles sehr schnell sehr glatt läuft, zumindest hinsichtlich der Message, dass man manchmal einfach seinen Schatten überspringen sollte, macht die Geschichte Mut. Ein wenig erinnert mich der Stil an die Romane von Fredrik Backman und ganz sicher ist er was, wenn man ein Buch sucht, das einem mit guten Gefühl zurücklässt. 

Antoine Laurain – Liebe mit zwei Unbekannten

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Antoine Laurain – Liebe mit zwei Unbekannten

Als der Buchhändler Laurent eines Morgens eine verlassene Handtasche auf der Straße findet, ist seien Neugier geweckt. Wem mag sie gehören? Der Inhalt verrät viel über die Unbekannte, aber nur wenig Greifbares. Ihrem Notizbuch kann er ihren Vornamen entnehmen: Laure. Offenbar besitzt sie auch eine Katze und hat ein Kleid in einer Reinigung. Fasziniert von dieser mysteriösen Frau begibt er sich auf die Suche. Laure liegt unterdessen im Koma, sie ist überfallen worden und ein Schlag auf den Hinterkopf hat sie temporär außer Gefecht gesetzt. Zwei Fremde in Paris, die plötzlich miteinander verbunden werden, doch das Band ist unsichtbar, lässt sie aber nicht mehr los.

Einen Roman von Antoine Laurain zu lesen ist wie an einem nasskalten Herbsttag ein wohlig warmes Haus betreten und einen dampfenden Kaffee oder Tee gereicht zu bekommen. Man lässt sich niedersinken und die ungemütliche Welt draußen ist vergessen. Man weiß, dass alles gut ausgehen wird und genießt das Eintauchen in diese pastellfarbene Zuckerwelt.

„Die Tasche hatte viele Innenfächer, mit Reißverschluss oder ohne. Laurent hätte niemals gedacht, dass eine Frauentasche so viele Ecken und Winkel haben konnte. Es war noch komplizierter als das Sezieren eines Tintenfischs auf dem Küchentisch.“

Mit viel Liebe zeichnet der Autor einmal mehr seine Protagonisten, die einerseits völlige Durchschnittsmenschen sind, andererseits aber das bisschen an Zauber und Magie, das der Alltag zu bieten hat, in ihrem Leben zulassen. Es sind nicht die Lauten, Extrovertierten, sondern die eher Schüchternen, die einen Anstoß von außen brauchen. Ob die Geschichte dabei realistisch ist, die Figuren authentisch und facettenreich wirken – egal, Antoine Laurain schenkt einem ein paar wundervolle Lesestunden, die man einfach genießen sollte, ganz ohne literarische Analyse und nach tiefgründigen Aussagen zu suchen.