Carlton Roster – Blutboden

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Carlton Roster – Blutboden

Ein Krimi-Hörbuch aus dem Genre „Mit Recherche und Realismus hab ich’s nicht so, aber meine Porno- und Fetischphantasien würde ich schon gerne als Krimi präsentieren“. Eigentlich ist das scheußliche Cover schon recht wegweisend und sollte einem vom Hören abhalten. Aber zum Inhalt: Einer jungen Studentin werden brutal die Zehen abgehackt und sie findet einen grausamen Tod durch Ausbluten. Der zuständige Hauptkommissar Krüger kümmert sich nen feuchten Kehricht um den Fall und schickt stattdessen seine attraktive Marie Liebsam allein zu ihrem ersten Fall. Sie macht dann auch etwas, was man großzügig ermitteln nennen könnte, bevor sie erwartungsgemäß selbst in die Fänge des Bösen Mörders gerät.

Wer hinter dem Autorennamen „Carlton Roster“ steckt ist schwer herauszufinden, viel mehr als das „Blutboden“ sein Erstlingswerk und Auftakt einer Reihe ist, konnte ich nicht herausfinden. Es besteht keine Gefahr, dass ich an weitere Bücher oder Hörbücher des Schreibers gerate, zu sehr hat sich mir das Hörerlebnis in die Erinnerung eingebrannt. Gleich auf mehreren Ebenen kann man das Werk als geradezu bahnbrechend beschreibend. Himmelschreiend würde es aber auch ganz gut treffen.

Der Fall beginnt tatsächlich blutrünstig und spannend, man gerät direkt in die Mordszene und die Neugier ist geweckt. Interessant: es werden bei der Leiche nur neun Zehen gefunden, was die Ermittler messerscharf zur Erkenntnis führen: das muss der Beginn einer Mordserie sein oder das Opfer hatte nur neun Zehen. Joa, beides die unmittelbar logischen Schlüsse. Der Täter versteht etwas von seinem Handwerk, weshalb zunächst das Umfeld des Opfers beleuchtet wird und da ist es naheliegend, in eine große Erstsemester BWL Vorlesung mit mehreren Hundert Zuhörern zu gehen und allen zu erzählen, dass sie ermordet und wurde und jetzt um qualifizierte Beiträge zu bitten. Einzig suspekt ist jedoch der Dozent, der aber gegenüber der Polizei nicht zugeben wird, dass er diese Studentin tatsächlich näher kennt. Also ziemlich nah, denn er hat in seinem Auto mit ihr geschlafen. Lange Rede: es wird dann noch eine falsche Spur gefunden, der man nachgeht und die sogar zu einer Verhaftung führt. Jetzt ein bisschen CSI: die DNA Daten entlasten den Verdächtigen, das Ergebnis ist positiv wie der Polizist mitteilt. Also negativ, aber positiv für den Mann in Gewahrsam.

Das absolute Highlight ist aber Marie Liebsam. Sie trägt im Dienst Minikleidchen, bei dem man den Zwickel der Strumpfhose sehen kann. Das erfährt man nicht einmal, nicht zweimal, sondern jedes Mal, wenn sie ihren Auftritt hat. Sie ist die Protagonistin, das kommt also dauernd.  Nicht mit Charme, sondern ganz profan nackten Tatsachen becirct sie ihre Zeugen und Verdächtigen. Dies tut sie vorwiegend allein. Wozu auch noch einen Kollegen mitnehmen, kann die junge Polizistin in ihrem ersten Fall ganz allein, bringt sie zwar mehrfach in brutal gefährliche Lagen, aber mit Realismus war’s bei der Story ja eh nicht so. Ach ja, sie zeigt ihren messerscharfen Verstand – der offenbar gelegentlich auch schwere Aussetzer hat – und beeindruckt damit die männlichen Kollegen. Da man an der Haustür des Opfers keine Einbruchsspuren findet, erklärt sie dies mit folgender beeindruckender Überlegung: die junge Frau hat bestimmt immer die Tür offenstehen lassen. Sicher, liegt nahe bei einer jungen Frau, die frisch aus der Provinz in die Großstadt gezogen ist.

Nochmal zurück zu den Zehen, von denen ja eine fehlte. Das schien irgendwie wichtig zu sein. Wurde dann aber leider vergessen zu erklären. Ebenso woher jemand was von dem Bargeldversteck unter der Badewanne wissen konnte. Dass eine Studentin mehrere tausend Euro in ihrer Wohnung aufbewahrt, ist ja jetzt auch nicht unbedingt der Normalfall. Achtung Spoiler! sollte jemand trotz der klaren Warnung doch noch Interesse an dieser Geschichte haben, nicht weiterlesen! Dem echten Täter kommen sie dann nicht wegen Kommissar Zufall auf die Spur, sondern dieser kehrt einfach in die Wohnung des Opfers zurück, wo er – hier dann doch Kommissar Zufall – auf Marie trifft. Warum er dort ist, bleibt völlig unklar. Was er mit der Nachbarin zu tun hat, ebenso. Und außerdem wird der Fall am Ende sowieso nicht geklärt.

Fazit: beeindruckend, wie viele frauenverachtende männliche Figuren man in einer so kurzen Geschichte unterbringen kann. Auch die Dreistigkeit, mit der eine Pornodarstellerin als verantwortliche Kommissarin getarnt ermitteln darf, ist durchaus beachtenswert. Ebenfalls gelernt: alle jungen Frauen haben offenbar einen Schuhfetisch und sind sowieso nymphoman veranlagt. Aber auch alles andere ist so schräg und realitätsfern – unbedingt noch zu erwähnen: der Pathologe, der während der Obduktion das Handy greift, mit den Handschuhen, mit denen er gerade an der Leiche war, aber die zieht er dann eh aus, um mit bloßen Händen weiter zu untersuchen – dass man vor lauter Fassungslosigkeit den Ausschaltknopf nicht findet.

Claire McGowan – Blackwater

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Zehn Jahre sind vergangen, seit Zoe tot aufgefunden wurde. Ihr Vater ist daran zerbrochen, ihre Mutter hat Blackwater verlassen und Paul hat seine Strafe für den Mord abgesessen. Doch jetzt taucht plötzlich eine junge Frau an Zoes Elternhaus auf und behauptet ebendiese Zoe zu sein. Wie kann das sein? Ihr Onkel und ehemaliger Polizist Phil hatte sie eindeutig identifiziert, ihr glitzerndes Partykleid, das sie zum Feiern an ihrem letzten Abend trug, war auch sehr ausgefallen, so dass eine Verwechslung ausgeschlossen war. Es dauert nicht lange, bis Zweifel an den damaligen Ermittlungen aufkommen, hatte man Paul zu schnell verurteilt und er unschuldig Jahre im Gefängnis gesessen? Stellt sich die Frage, wer die tote Frau dann war und wo Zoe in den letzten Jahren war.

Claire McGowan hat die Geschichte exklusiv für das Radioprogramm der BBC geschrieben, die bereits auch mehrere ihrer Romane für das Radio adaptiert hat. Die Handlung ist ausgesprochen kompakt und damit perfekt als Hörbuch, die Anzahl der Figuren bleibt überschaubar und auf Nebenhandlungen wird weitgehend verzichtet. Nichtsdestotrotz bietet die Story einiges an Spannung und kann durch eine clevere Konstruktion, die sauber aufgelöst wird, überzeugen.

Aktuell unter BBC Sounds noch zum Nachhören verfügbar.

Volker Kutscher – Der nasse Fisch

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April 1929, Gereon Rath ist gerade von Köln in die Hauptstadt gezogen; statt im Morddezernat muss er jetzt allerdings in der Sitte seinen Dienst schieben, was ihn jedoch nicht daran hindert, privat in dem Fall um den unbekannten Toten vom Landwehrkanal zu ermitteln. Schnell stößt er auf eine Spur, sein Zimmernachbar, ein Journalist, kommt ihm dabei zu Hilfe. Doch seine Ermittlungen werden nicht nur von der Unterwelt ungern gesehen, stört er doch erheblich die Ruhe, sondern auch bei der Polizei selbst macht er sich damit Feinde. Dass er zudem der Stenotypistin und Jurastudentin Charlie Ritter Avancen macht, stößt den Kollegen ebenfalls auf.

Volker Kutschers Auftakt zu Serie um Kommissar Gereon Rath verbindet gleich mehrere Themen miteinander: die politisch fragile Lage Ende der 1920er, das berühmt-berüchtigte Berliner Nachtleben der Roaring Twenties, Korruption in der Polizei und beste Verbindungen ins Milieu – wenig läuft in geordneten Bahnen und wer erfolgreich ermitteln will, muss sich unkonventioneller Methoden bedienen und unerschrocken sein Ziel verfolgen.

Parallel zur Verfilmung unter dem Titel „Babylon Berlin“ wurde in Zusammenarbeit von Radio Bremen, WDR und RBB auch eine Hörspielversion des Romans produziert und unter anderem mit Ulrich Noethen, Peter Lohmeyer, Meret Becker und Uwe Ochsenknecht prominent und überzeugend besetzt.

Die Handlung überzeugt durch komplexe Verwicklungen, ein authentisches Setting und vor allem zwei starke Protagonisten. Die Umsetzung als langes Hörspiel von fast vier Stunden konnte mich ebenfalls direkt begeistern. Die Sprecher sind hervorragend besetzt und die Ausgestaltung, insbesondere die musikalische Untermalung von Verena Guido und dem WDR Funkausorchester, könnte besser kaum sein. Nachdem ich die Verfilmung nach nur wenigen Minuten wieder aufgegeben habe, weil sie mir doch zu trostlos und wenig ansprechend erschien, hätte ich beim Hörspiel noch viele weitere Stunden zuhören können. In der ARD Mediathek sind die Folgen aktuell noch abrufbar.