Lana Lux – Jägerin und Sammlerin

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Lana Lux – Jägerin und Sammlerin

Sie ist eine hervorragende Schülerin, aber morgens rechtzeitig aus dem Haus zu kommen, scheint ein Ding der Unmöglichkeit für Alisa. Sie arbeitet abends zu lange und der Blick in den Spiegel auf die unreine Haut, macht stundenlange Vorbereitungen erforderlich, bevor sie sich unter Menschen trauen kann. Überhaupt ist ihr Aussehen ein Problem, sie ist nicht attraktiv wie ihre Mutter, der immer noch alle Männer nachschauen oder wie ihre Freundin Mascha, die als elfengleiche Ballerina bezaubert. Mehr und mehr hadert Alisa mit sich und zunehmend versucht sie ihren Frust förmlich runterzuschlucken, doch die Fressanfälle helfen nur kurz und das zwanghafte Erbrechen danach ist zur Sucht geworden. Dass sie Hilfe braucht, lässt sich bald nicht mehr übersehen, doch woher rührt das alles, wie konnte es nur so weit kommen?

Lana Lux hatte mich mit ihrem Debüt „Kukolka“ schwer begeistern können, gespannt war ich auf diesen Roman, der mit der ukrainisch stämmigen Protagonistin auch wieder Parallelen zu ihrer eigenen Biografie aufweist. Über weite Strecken konnte mich die Geschichte auch fesseln und überzeugen, der Schluss jedoch hat mich etwas enttäuscht.

Es ist leicht vorstellbar, dass Leser*innen mit eigenen Erfahrungen in Bezug auf Essstörungen stark getriggert werden. Alisas Gedankenwelt, die sich extrem um ihren Körper und ihr Aussehen dreht und ausgesprochen negativ geprägt ist, wirkt authentisch und stimmig. Genau diese begrenze und fehlgeleitete Sicht führt in die Anorexie oder Bulimie, aus der die Betroffenen selbst meist nicht mehr alleine herauskommen. In Alisas Fall wird die Ursache durch das Verhalten der Mutter – von klein auf Fokussierung auf das Aussehen, immer wieder Kritik an der Figur und dem Essverhalten, ganz offensive Bevorzugung der tanzenden Freundin bei mangelnder Zuneigung – überzeugend motiviert und erklärt. Die Bulimie kommt nicht plötzlich und wird ebenso wenig über Nacht geheilt, es ist ein langer Prozess mit Rückschlägen, den auch Familienmitglieder nicht immer nachvollziehen können.

Im letzten Teil geht die Geschichte weg von Alisa hin zur Mutter. Diese Hintergrundinformationen zu deren Kindheit und Jugend, zu ihren Träumen und Enttäuschungen erklären zwar ihr Verhalten gegenüber der Tochter, für mich war es jedoch weitaus weniger interessant und zugänglich als Alisas Story. Vielleicht wäre die Handlung für mich sogar stimmiger gewesen ganz ohne diesen Teil, da er so gar nicht zu der Perspektive davor passt. Alisa als Figur war genug und überzeugend und es ist schade, dass sie gerade mit dem geringen Selbstbewusstsein und der Überzeugung, dass ihre Mutter sie nicht sieht und sich nicht für sie interessiert, selbst hier dieser Frau wieder weichen muss. Da hätte Lana Lux liebevoller mit ihrer Figur umgehen dürfen.

Die Thematik des Würgegriffs durch Essstörungen kommt glaubhaft und plastisch rüber, so sehr dies das Leben einschränkt, bedingt es auch die Handlung. Der letzte Teil für mich inhaltlich fast verzichtbar und insgesamt gestalterisch nicht so stark wie die ersten beiden, führt zu einem kleinen Abzug. Gelungen dafür der Titel, für den ganz am Ende noch eine Erklärung gegeben wird.

Meg Haston – Alles so leicht

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Meg Haston – Alles so leicht

Stevie weiß nicht, wo sie sich befindet. In einem Auto, mit einer unbekannten Frau. Doch wo bringt diese sie hin? Und was ist geschehen? Egal, nur noch wenige Wochen, dann ist der große Tag und ihr Ziel ist erreicht. Doch so einfach wird es nicht werden zu verschwinden, schon gar nicht, wenn man sich tothungern möchte. Denn die Unbekannte liefert sie gerade in eine Fachklinik für essgestörte Mädchen ein. Die Regeln sind streng und die anderen alle doof. Stevie wird ihrer Psychologin zeigen, wie stark sie ist und dass bei ihr die Therapie nicht anschlagen wird, denn das ist sie ihrem Bruder schuldig, dem Bruder, der nicht mehr da ist. Wegen ihr. Genau wie ihre Mutter.

Meg Haston hat mit „Alles so leicht“ ein durchaus relevantes Thema aufgegriffen und ihm ein Gesicht gegeben. Essstörungen sind nach wie vor insbesondere bei jungen Mädchen ein wichtiges und auch erschreckendes Thema. Wie sie schön anhand Stevie und der anderen Mädchen aufzeigt, können die Ursachen vielfältig sein und doch zu derselben Krankheit führen. Insbesondere das verquere Weltbild ist eine große Hürde, um Heilung oder zumindest Besserung zu verlangen. Dies sieht man in dem Roman, wenn der Vergleich nie zu den Gesunden erfolgt, sondern immer nur zu den noch dünneren Mädchen, wenn die Diagnose Bulimie eine Katastrophe darstellt, denn noch die Anorektischen gelten als willensstark und diszipliniert, was man gerne sein möchte. Der Kampf um jede Kalorie, der Kampf mit sich, seinem Körper und den Menschen, die einem eigentlich helfen wollen – all das gelingt der Autorin glaubwürdig darzustellen.

Die größte Stärke des Romans ist für mich die Figurenzeichnung. Nach und nach wird die Vergangenheit Stevies aufgerollt und unterschiedliche Aspekte als Auslöser und Verstärker der Anorexie/Bulimie hervorgebracht. Die Arbeit der Psychologen kann ich schwer einschätzen, möglicherweise sind die Arbeitsweisen in diesen Fachkliniken auch anders als außerhalb, bisweilen erschien mir der Kontakt zu nach, zu persönlich und zu wenig professionell. Auch die Tatsache, dass nur wenige Tage im Prinzip ausreichen, um zu einem Therapieerfolg zu führen, bei einer Jugendlichen, die seit über einem Jahr darunter leidet, erscheint mir nicht ganz überzeugend und realistisch.

Alles in allem jedoch ein lesenswertes Jugendbuch, das die Thematik Essstörungen gut umsetzt und zum Nachdenken anregen kann.