Arno Camenisch – Die Welt

Arno Camenisch – Die Welt

Der Schweizer Autor Arno Camenisch steht auf seiner Terrasse und erinnert sich in „Die Welt“ an die Zeit zu Beginn des Jahrtausends, als er jung und unternehmenslustig war, als ihn nichts mehr hielt und er aufbrach, um die Welt zu erkunden. Mit Anfang 20 lässt er alles hinter sich, flog über Asien nach Australien, wo er mehrere Monate lebte, bevor es ihn weiterzog nach Südamerika. Wieder zurück in der Schweiz passte das alte Leben nicht mehr und so brach er nach wenigen Monaten der Arbeit wieder auf, um nach Argentinien zurückzukehren, bevor es ihn für längere Zeit nach Spanien verschlug. Das damalige Lebensgefühl, der Drang nach Freiheit und Ausbruch, ist es, das ihn in den Erinnerungen schwelgen lässt.

Arno Camenisch ist mit seiner Alpentrilogie „Sez Ner“, „Hinter dem Bahnhof“ und „Ustrinkata“ bekannt geworden, in welcher er das Leben der Älpler einfängt. Seine Lesereisen führten ihn durch die ganze Welt, so ganz scheint er, obwohl er sich inzwischen in seiner Heimat niedergelassen hat, den Drang hinaus in die große Welt, nicht aufgegeben zu haben.

Es gelingt dem Autor, die Situation des jungen Arno Camenisch leicht nachvollziehbar zu transportieren. Das Gefühl, gefangen zu sein, dass da draußen vieles darauf wartet, entdeckt zu werden, das ihn immer weiter treibt, ist das zentrale Element seiner Erinnerungen. Es geschieht gar nicht viel auf seinen Reisen, er berichtet keine wirklich einschneidenden Erlebnisse, die von einem auf den nächsten Moment alles verändern. Und dennoch kehrt er als anderer Mensch zurück, ist nicht mehr der, der Monate zuvor aufgebrochen war.

Ich hätte mir etwas mehr tiefe und Analyse erwartet, was hat ihn verändert, wie zeigt sich das jenseits von einem diffusen Gefühl? Seine Erinnerungen wirken authentisch, da sie häufig redundant und repetitiv sind, was jedoch für den Leser bisweilen etwas anstrengend wird, weil man darauf wartet, dass noch eine große Erkenntnis kommt, die jedoch ausbleibt und stattdessen das bereits Gesagte vielfach wiederholt wird. Auch sind es nur Fragmente, die er von seinen Begegnungen und Erlebnissen berichtet, am Strand von Australien stehen und abends Bier trinken erscheint mir nicht das Spannendste und Wesentlichste, was vom anderen Ende der Welt berichten kann. Damit bleibt der Bericht leider weit hinter meinen Erwartungen zurück.

Claire Thomas – Die Feuer

Claire Thomas – Die Feuer

Samuel Becketts Theaterstück „Glückliche Tage“ wird im Theater in Melbourne aufgeführt. Es ist nicht nur ein glühend heißer Sommertag, draußen wüten auch Buschfeuer, die alles zerfressen, was sich ihnen in den Weg stellt. Summer, Schauspielschülerin und an jenem Abend Platzanweiserin, hätte gerne eine bessere Position, um mehr von dem Stück mitzubekommen. Professorin Margot Pierce kann sich als Zuschauerin kaum auf das Geschehen auf der Bühne konzentrieren, zu sehr sind ihre Gedanken noch bei einem unangenehmen Gespräch mit ihren Vorgesetzten. Auch Ivy Parker ist abgelenkt, beobachtet ihre Freundin Hilary neben sich, die ganz in das Geschehen versunken zu sein scheint, während in ihrem Kopf die Gedanken rasen.

Der zweite Roman der australischen Autorin Claire Thomas ist eine Hommage an Samuel Beckett und an die Verbundenheit von Menschen und die verschiedenen Lebensstadien von Frauen. „Die Feuer“ spielt geschickt mit den Ebenen zwischen Bühne und Zuschauerraum, die sich spiegeln, Parallelen aufweisen und tragikomisch die womöglich letzten Tage der Menschheit beschwören – zumindest die letzten vorpandemischen, in denen man noch einfach so eine Aufführung besuchen konnte.

Im Laufe der Geschichte wechselt immer wieder die Perspektive. Margot, Summer und Ivy erlauben nacheinander Einblicke in ihre Gedankenwelt, wobei sie letztlich auch eine einzige Frau sein könnten zu unterschiedlichen Zeitpunkten des Lebens. Zum einen die junge Studentin, die unsicher ist in sozialen Interaktionen und sich in ihrer Bildung als defizitär empfindet. Ivy steht mit knapp über 40 voll im Leben, ist erfolgreiche Managerin und wird als solche geschätzt und anerkannt. Der Weg dahin war jedoch steinig und hart und die Dramen ihres Privatlebens bleiben der Öffentlichkeit verborgen. Margot muss niemandem mehr etwas beweisen, als angesehene Professorin steht sie am Ende des Berufslebens und beginnt gerade damit, sich von Konventionen zu lösen, die sie Jahrzehnte lang eingeschränkt haben.

In Becketts Stück befinden sich die letzten beiden Menschen bereits auf einem Grabhügel, von Winnie ist kaum mehr zu sehen als nur der Kopf, sie kann nicht mehr weg, sondern steckt fest und ist ausgeliefert. Ihr Mann Willie kann sie auch nicht retten, spricht mehr aus dem Off als dass er zu sehen wäre. All dies unter der Hitze der gleißenden Sonne. Hilflos sind sie dem Schicksal ausgeliefert, ähnlich wie die drei Frauen, die mit ihren ganz individuellen großen Fragen alleingelassen sind: wie soll Margot mit der fortschreitenden Erkrankung ihres Mannes umgehen? wird Summer je erfahren, wer ihr Vater ist? kann Ivy den Tod ihres ersten Kindes endlich überwinden?

Es könnten die letzten glücklichen Tage sein, bevor die Buschfeuer sie ganz unmittelbar bedrohen. Der Planet und damit die Existenz der Menschheit ist bereits im letzten Stadium angekommen, Zeit also die Frage nach dem Sinn zu stellen, wenn das Ende naht. Es muss etwas getan werden, aber die Ängste, die alle drei Frauen in sich tragen, führen zu einer Starre – ähnlich wie Winnie auf der Bühne, die zusehends bewegungsloser wird – die nur noch das Gedankenkreisen erlaubt.

Ein Roman vollgepackt mit Denkanstößen ganz unterschiedlicher Art, die literarisch clever umgesetzt zu einem großartigen Gesamtwerk werden.

Trent Dalton – Der Junge, der das Universum verschlang

Trent Dalton – Der Junge, der das Universum verschlang

Was für andere hochgradig seltsam erscheinen mag, ist für den 12-jährigen Eli Bell Anfang der 1980er Jahre im australischen Brisbane einfach das normale Leben. Sein Bruder Gus spricht nicht, seine Mutter und ihr Freund dealen mit Heroin und der berühmteste Verbrecher des Landes ist sein Babysitter. Eli träumt davon, eines Tages Reporter bei der Zeitung zu sein und unablässig hinterfragt er alles, was ihm in seinem Leben begegnet. Als sich jedoch sein Stiefvater Lyle mit dem Drogenkartell anlegt und versucht, lukrative Nebenschäfte an diesen vorbei zu organisieren, bricht für die ungewöhnliche Familie alles zusammen. Aber das hält den Jungen nicht davon ab, tapfer weiter seinen Weg zu gehen. Er weiß, dass die Wahrheit über das, was mit Lyle geschehen ist, irgendwann ans Licht kommen wird und auch wenn die Jahre vergehen, bleibt er an seiner ganz eigenen Story.

Der Autor Trent Dalton berichtete in einem Interview, dass es hinter dem Wandschrank seines Kinderzimmers eines geheimen Raum mit einem roten Telefon gab. Der Escape Room seiner Familie ist der Ausgangspunkt für sein Erstlingswerk, das noch mehr Parallelen zu seiner Vita aufweist und von Dalton selbst als halb Fiktion, halb Realität bezeichnet wird. Es ist eine coming-of-age Geschichte, ein Kriminalroman und eine Milieustudie, die ein Leben am unteren Ende der Gesellschaft nicht beschönigt. In seiner Heimat wurde Dalton mit allen vier großen literarischen Preisen ausgezeichnet und wurde auch beim Publikum zu einem Verkaufsschlager.

Es gibt quasi keine Facette des Lebens, die in dem Roman nicht eher oder später aufgegriffen wird. Drogen und Gewalt bilden den Hintergrund, vor dem die Geschichte erzählt wird. So drastisch das Milieu, in dem Eli und Gus aufwachsen, auch geschildert wird, so vielschichtiges ist dieses jedoch auch. Gerade an der Figur Arthur „Slim“ Halliday zeigt sich, dass ein notorischer Verbrecher nicht zwingend nur böse ist, von ihm lernt Eli die wichtigsten Lektionen in seinem Leben. Seine geradezu philosophischen Fragen nach dem Guten und Bösen durchziehen den Roman wie ein roter Faden. Auch Gus ist alles andere als gewöhnlich, sein Mutismus gekoppelt mit einer Savant-gleichen Vorsehungsgabe passt sich jedoch völlig natürlich in die Geschichte ein.

Ungläubig folgt man der Handlung, die in rasantem Tempo die Jugendjahre Elis durchläuft und unglaubliche Episoden schildert, die so fern jedes Durchschnittslebens sind, dass es mir bisweilen nicht ganz leicht fiel, sie nicht für gänzlich übertrieben und fragwürdig zu halten. Der Erzählton passte zwar hervorragend zu dem jungen Protagonisten, ist in seiner lakonischen Art auch unterhaltsam, aber so wirklich konnte mich der Roman nicht erreichen.

Elizabeth Harrower – Die Träume der anderen

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Elizabeth Harrower – Die Träume der anderen

Als der Vater von Laura und Clare unerwartet stirbt, steht die Mutter mit den beiden Mädchen alleine da. Sie konnte noch nie viel mit ihnen anfangen und beabsichtigt auch jetzt nicht, sich um sie zu kümmern. Laura, die Ältere, soll auf eine Hauswirtschaftsschule, der Traum vom Medizinstudium oder als Opernsängerin ihren Lebensunterhalt zu verdienen, soll sie halt aufgeben. Die Jüngere hat noch keine Träume und als sie in das Alter kommt, welche zu entwickeln, wird auch ihr die Entscheidung abgenommen. Die Mutter beschließt Australien trotz des wütenden 2. Weltkrieges gen England zu verlassen und da Lauras Chef ohnehin noch Bedarf an einer Gattin hat, kann er das Mädchen ja heiraten und sich auch gleich um Clare kümmern. So kommen die beiden aufgeweckten und neugierigen Frauen von einem Haushalt, in dem sie von jung an auf sich alleine gestellt waren in die Fänge eines kontrollsüchtigen und jähzornigen Eigenbrötlers.

Elizabeth Harrower wurde 1928 in Sydney geboren und hat bis Ende der 1960er vier Romane verfasst, von denen jedoch bislang nur einer in deutscher Sprache verfügbar war. „Die Träume der anderen“ ist die zweite Übersetzung, die mehr als 50 Jahre nach der Veröffentlichung entstand. Bemerkenswert – und auch erschreckend – daran ist, dass die Autorin den Zeitgeist damals ebenso wie heute eingefangen hat und das Buch quasi keinerlei Aktualität eingebüßt hat.

„‘Aber gibt es nicht irgendetwas, was du gern sein möchtest?‘ Das Mädchen betrachtete sie. Laura zwang sie unglücklich zu sein. Aber das wollte sie nicht sein. Und wenn doch, dann in ihrem eigenen Tempo und aus ihren eigenen gründen.“

Die Schwestern und ihre Träume bilden den Dreh- und Angelpunkt der Geschichte. Interessanterweise beginnt das Buch mit der Präsentation einer recht unabhängigen Frau. Die Mutter der beiden ist hochgradig selbstbestimmt, dies geht sogar so weit, dass sie die Mutterrolle einfach ablegt und sich nicht verantwortlich erklärt. Sie verlässt ihre Töchter, um ihren eigenen Ideen nachzujagen und taucht auch später nicht mehr auf. Die vermeintlichen Freiheiten der Töchter werden jedoch durch die finanzielle Situation massiv eingeschränkt und so müssen sie sich dem Schicksal letztlich fügen.

Musste Laura früh schon die Last für ihre kleine Schwester mittragen nachdem die Eltern ausgefallen waren, drängt sie ihrerseits die Jüngere nun in die Zwangsgemeinschaft und fordert von ihr, das Leid im neuen Haushalt des Chefs mitzutragen. Es ist weniger Böswilligkeit aus dem Gedanken, dass die anderen nicht haben soll, was sie nicht bekommen konnte, als das Wissen, alleine das Leben an der Seite von Felix Shaw nicht ertragen zu können. Doch Clare kann und will sich nicht einfach einfügen und beginnt ihre Rebellion.

Der Roman leidet für meinen Geschmack unter etlichen Längen und dreht sich wiederholt im Kreis. So mühsam das Lesen an diesen Stellen wird, so beschwerlich gestaltet sich auch das Leben der Mädchen. In dieser Hinsicht ist die Passung sehr gut, überzeugt mich jedoch nicht wirklich. Auch fand ich es etwas schade, wie die Figur von Laura, die mir im ersten Teil sehr gut gefallen hat, so viel an Persönlichkeit verliert und immer mehr zur Puppe verkommt, die von Schwester und Ehemann nur noch benutzt und hin und her geschubst wird. Sicherlich war Emanzipation und völlige Entscheidungsfreiheit 1966 für junge Frauen eher im Bereich der Utopie angesiedelt, aber wäre es nicht gerade da wünschenswert gewesen, wenn die Literatur Ideen geliefert hätte und Modelle zur Orientierung hätte bieten können? Ein toller Anfang, den jedoch dann der Mut verlässt und mich am Ende etwas unglücklich mit der Geschichte zurücklässt.

Jane Harper – Lost Man

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Jane Harper – Lost Man

Since they have not heard from their brother Cameron who was due to meet them, Nathan and Bub set out for the remote border of their land in the Australian outback. They find Cameron dead, obviously from dehydration and close to the grave of the legendary stockman. His car about 9 miles away. The whole scene doesn’t make sense to them, yet, there must be a reason. When they return home, the news is greeted with silence, nobody really seems to be too sad, but nobody wants to tell Nathan what had happened the weeks before, obviously, there was something that had troubled Cameron. The deeper Nathan digs, the more secrets he uncovers that had been buried for a long time.

I have read novels from Jane Harper before and had certain expectations. “The Lost Man” however, did not make it easy for me. I expected some crime novel with a lot of suspense, but it took more than two thirds into the novel until I finally found it interesting and at least a bit exciting.

What made it most difficult was the fact that I hated all the characters. None of them was sympathetic and I was always fighting internally whom to hate most. We mainly meet elderly men, frustrated, eaten away by hatred and therefore harassing the people around them. It was just awful to follow them when they recklessly and egoistically do their own thing. More than once was I close to giving up because I didn’t see any progress in the plot and hardly could stand the characters’ lamentations.

Looking at it from the end, there is a clever crime plot that I could really appreciate, but it is a very long and hard way to get there. The novel certainly transports the hardship of farmers in the far away outback.

Liane Moriarty – Nine Perfect Strangers

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Liane Moriarty – Nine Perfect Strangers

Tranquillum House, ein Gesundheits- und Wellness Resort in der australischen Pampa, verspricht die völlige Transformation. Genau das, was Frances Welty jetzt braucht. Gerade hat ihr Verlag ihr aktuelles Buch abgelehnt und auch ansonsten läuft es nicht so gut. Zehn Tage ohne Handy, Internet und nur auf ihr Wohlbefinden ausgerichtet, scheinen perfekt. Auch die anderen Gäste haben Erholung nötig: der Lehrer Napoleon, der mit seiner Frau Heather und der Tochter Zoe den Tod des Sohnes verarbeiten will; Carmel, die mit vier Töchter plötzlich alleingelassen dasteht; der Scheidungsanwalt Lars, der nicht weiß, ob er mit seinem Partner wirklich ein Kind will und grundsätzlich nur Frauen vertritt; Ben und Jessica, die schon nach kurzer Ehe vor einem Scherbenhaufen stehen und Tony, ex Football Star, der seinem Hund nachtrauert. Sie alle begeben sich in die heilenden Hände von Masha und ihrem Team, auf der Suche nach der ultimativen Heilung. Doch der Trip wird zum bösen Erwachen führen.

Nachdem mich das letzte Buch von Liane Moriarty – „Truly, Madly, Guilty“ – nur mäßig begeistern konnte, hat sie nun mit „Nine Perfect Strangers“ wieder genau meinen Nerv getroffen. Nicht nur, weil sie bösartige Charaktere geschaffen hat, denen man mit größter Freude zusieht, sondern auch, weil sie perfekte Spannung aufbaut durch Andeutungen („NIEMAND verlässt uns vorzeitig…“), die die Vorfreude auf die Handlung nur steigen lassen.

Das Setting ist perfekt gewählt: fernab der Welt, ohne Zugang zu Telefon und Internet und mit lauter Figuren, die alle ihre Geschichte mitbringen, von der die anderen nichts ahnen und die sich erst nach und nach einander offenbaren. Dass die Chefin des Resorts völlig gestört ist, merkt man recht schnell und dass die Transformation ihrer Gäste sicherlich aus dem Ruder läuft, ist auch absehbar. Natürlich ist vieles völlig überzogen – die Gesundheitssmoothies, die Noble Silence während der jede Form von Gespräch verboten ist – wobei man sich durchaus vorstellen kann, dass es so etwas in der Realität auch gibt.

Beste Unterhaltung durch eine virtuose Verbindung von Spannung und ironischem Humor, genau das, was ich bei Liane Moriarty schätzen gelernt habe.

Liane Moriarty – Truly Madly Guilty

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Liane Moriarty – Truly Madly Guilty

Schon seit ihrer Kindheit sind Clementine und Erika befreundet. Doch das, was sie Freundschaft nennen, gleicht mehr einer seltsamen Abhängigkeit, die einst von Clementines Mutter auferlegt wurde: da Erika aus einem armen und schwierigen Elternhaus kam, musste Clementine mit ihr befreundet sein. Erika bewunderte sie und ihre Familie, was durchaus schmeichelhaft war. Doch nun wird ihre Freundschaft vor eine schwere Probe gestellt: erst die Bitte, von Erika und ihrem Mann Oliver völlig unvorbereitet geäußert, und dann die Ereignisse am selben Abend, als sie bei Erikas Nachbarn Vid und Tiffany zum Grillen eingeladen waren und ein dramatisches Ereignis die gelöste Stimmung schlagartig durchbrach.

Liane Moriarty konnte mich vor einigen Jahren mit „Little Lies“ unglaublich faszinieren, der zweiten Roman, den ich von ihr gelesen habe – „The Husband’s Secret“ –, konnte schon nicht mehr an das Debut nicht heranreichen und leider hat mich auch „Truly Madly Guilty“ nicht ganz gewinnen können. Womöglich liegt es daran, dass die Autorin sehr auf ein Erzählschema festgelegt ist, das beim dritten Versuch nicht mehr so überzeugen kann wie beim ersten. Auch in diesem Roman gibt es wieder zwei Erzählzeitpunkte, die eine am Tag des dramatischen, alles verändernden Ereignisses, die zweite danach bzw. auch davor in der Erinnerung daran, wie die Dinge waren, bevor es dazu kam. Alles läuft auf den einen Moment in der Handlung hinaus, der sehnsüchtig erwartet wird.

Hier genau lag für mich bei dem Roman eines der Probleme: das Hinauszögern soll die Spannung steigern, funktioniert auch bis zu einem gewissen Maße, ist dies jedoch ausgereizt, wird es nur noch nervig und man wünscht sich sehnsüchtig, endlich die erlösende Stelle zu erreichen. Es war einfach keine Spannung und gebannte Erwartung mehr da, zu sehr ging mir das künstliche immer wieder Verschieben auf die Nerven. Die Idee, kleine Zwischenhöhenpunkte einzuschieben, war durchaus nicht schlecht, aber so entsteht auch der Eindruck, zu viel in einen Roman gelegt zu haben, was am Ende auch als Fazit bleibt. Ein Drama hätte gereicht, das hätte die Handlung auch gestrafft und so die Spannung besser abgestimmt.

Hinzu kamen die Figuren, von denen leider keine als wirklicher Sympathieträger taugt. Man hatte bisweilen den Eindruck, dass die Autorin ihre Figuren hasst, so sehr werden sie alle immer wieder durch ihre Fehler und Unzulänglichkeiten charakterisiert: Oliver und Erika sind kleinkariert, besserwisserisch und extrem angepasst; ihre Nachbarn Vid und Tiffany das extreme Gegenteil, wobei ihr protziger Reichtum und die Vernachlässigung der Tochter auch keine Pluspunkte bringen; Clementine und ihr Ehemann bestechen durch andauernde Gereiztheit und Streitigkeiten, die nur schwer zu ertragen sind.

So wird die durchaus überzeugende Grundidee zu einer Tour de Force, die sich nur sehr langsam dem Ziel entgegenschleppt.

Sarah Bailey – The Dark Lake

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Sarah Bailey – The Dark Lake

The murder of a beloved teacher moves the whole city of Smithson in Australia. Rosalind Ryan is found dead in the waters of Sonny Lake after a stunning performance of her art class in their version of Romeo and Juliet. Gemma Woodstock and her partner Felix take over the investigation even though Gemma has known Rosalind for her whole life. But her superior doesn’t know that she not only knew the beautiful young woman, but that that there is much more that links the two. The investigation leads to nothing, nobody can provide any useful information, neither her family not her colleagues really seem to have a motive. Yet, somebody must have hated her so much that he killed her.

Sarah Bailey’s debut thriller “The Dark Lake” has an interesting setting. You hardly ever come across an Australian small town where everybody knows everybody and where all the characters have some kind of old common memories and histories. The most striking moment was for me, however, when everybody was complaining about the hot temperatures on Christmas – quite uncommon for most European or North-American novels. Well, things are different down-under, but the concept of a good thriller is the same, and “The Dark Lake” has much to offer in that respect.

The case is highly complicated and for a very long time I didn’t actually have the slightest clue of what was going on. The author has masterly crafted her plot and it takes some time until a lot of dub-plots suddenly make sense. The protagonist Gem is also quite interesting, she is not only the policewoman, but also a mother of a young boy and doubting her relationship with the kid’s father. An affair with her partner doesn’t make things easier – but that’s just how life is. She is somehow typically female, she follows her intuition and she has a different way of approaching suspects and of observing places. I really appreciated this different point of view in the investigation.

Even though much becomes clear when you come to the end of the novel, a downside was for me Gem’s private life in the present and the past. It was just a bit too much and slowed down the pace, even though it made perfectly sense for the story to tell it all.

Richard Flanagan – First Person

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Richard Flanagan – First Person

Kif Kehlmann is dreaming of being a writer. With his wife pregnant with twins and their financial situation rather critical, the offer of writing a book is welcomed. Yet, the frame conditions are hard: he will receive 10 000 dollars if he writes the autobiography of Australia’s most wanted fraudster within 6 weeks. Money is money and writing is writing, so Kif accepts the deal not knowing what lies ahead of him. His friend Ray warns him, as Siegfried Heidl’s bodyguard, he knows him quite well and he knows what Heidl is capable of. What sounded like an easy tasks reveals itself a mission impossible. First, Heidl varies the story of his life again and again, Kif does not even know the basic facts and the more he listens to him, the more confused he gets. Second, Siegfried Heidl seems to get into his head, he cannot let go of him anymore and slowly, Kif starts to question his whole life.

If have read other books by Richard Flanagan which could really thrill me, unfortunately, “First Person” does not belong to those. It took almost a third of the book to really get into the novel. Admittedly, it is getting better and better in the course of the time, but I am sure many readers will never reach this point.

Flanagan presents two strong protagonists who are quite appealing and interesting. Kif with his dream of writing a novel sold thousands of times and at the same time struggling with his private life. His head is full with other things, diving into a task such as the ghostwriter’s job seems rather impossible at this moment of his life. And both, his life and the writing, turn out to be incompatible.

Siegfried on the other hand is fascinating because we can never really make up a picture of him. Is he a con man or is he actually super-clever? Which pieces of the story he tells are true (in as much as fiction can be true), which are just narrative? Or as Kif puts it:

“For Heidl wasn’t so much a self-made man as a man ceaselessly self-making.” (pos. 3055)

It is his strange charisma that makes him enthralling and captivating. Kif, too, in his description is oscillating between adoration and disdain:

“I couldn’t decide whether I hated Heidl or admired him, if I was his friend or his enemy, if I wanted to save him or kill him.” (pos. 2877) and yet, “He was the closest thing to a man of genius I ever met.” (Po. 3747)

The dance they do is shows that Flanagan is one of the best writers of our time, but nevertheless, this story just was not one that could capture me completely.

Jane Harper – The Dry

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Jane Harper – The Dry

Zwanzig Jahre lang war Aaron Falk nicht mehr in Kiewarra, den kleinen Ort im australischen Outback, in dem er aufgewachsen ist. Doch nun wurde sein Jugendfreund Luke, dessen Frau und ihr Sohn erschossen aufgefunden. Alles deutet auf einen erweiterten Suizid hin. Doch nicht nur diese schreckliche Tragödie beschäftigt die Menschen; als sie Aaron sehen, kocht auch wieder die Gerüchteküche um den Mord an einem Mädchen zwanzig Jahre zuvor hoch. Luke war damals Aarons Alibi und beide wussten, dass ihre gegenseitigen Entlastungen Lügen waren. Offenbar weiß davon aber noch jemand etwas. Aaron hat Zweifel an Lukes Selbstmord und beginnt Fragen zu stellen, was nicht von allen gerne gesehen wird.

Jane Harpers Debüt „The Dry“ (unter demselben Titel inzwischen auch auf Deutsch erschienen), ist ein atmosphärisch düsterer Thriller im australischen Nirgendwo zur Zeit einer Jahrhundertdürre, der den Menschen bereits an den Nerven zehrt. Hier liegt für mich die größte Stärke des Romans, man spürt förmlich, wie die Stimmung am Zerreißen ist und kurz vorm Kippen steht. Geradezu wartet man auf ein furchtbares Gemetzel, dem noch mehr Menschen zum Opfer fallen.

Der Kriminalfall lässt einem lange auf falschen Spuren wandern und die Tatsache, dass man auch nicht weiß, ob man Aaron Falk trauen kann oder ob er selbst an einem Mord beteiligt war, erhöht die Spannung zudem. Erst langsam nähert man sich der Wahrheit, die dann ganz andere Aspekte zu bieten hat als man zunächst vermuten sollte und mit diesen Überraschungen kann die Autorin bei mir wirklich punkten.

Ein Thriller, wie man ihn sich wünscht. Aufgrund Harpers gelungenem Setting finde ich hier auch die Hörbuch-Version besonders empfehlenswert, da man das Flirren der Hitze und die Anspannung der Figuren geradezu greifen kann.