Byeong-mo Gu – Frau mit Messer

Byeong-mo Gu - Frau mit Messer

Byeong-mo Gu – Frau mit Messer

Die Zeichen der Zeit lassen sich zunehmend nicht mehr ignorieren. Mit 65 spürt Hornclaw täglich, dass ihr Körper nicht mehr der einer jungen Frau ist und dass ihr nicht nur der Alltag, sondern vor allem ihr Beruf zunehmend schwerer fällt. Dabei ist es eigentlich ein Vorteil, denn als alte Frau wird sie in der Öffentlichkeit nicht mehr wahrgenommen, man sieht sie gar nicht erst und vergisst sofort wieder, dass sie da war. Für eine Auftragskillerin eigentlich perfekt. Doch nach 40 Jahren des Mordens entwickelt sie plötzlich auch Mitgefühl, steht anderen Menschen nicht mehr gleichgültig gegenüber. Eine Killerin mit Herz, kann es das geben? Viel drängender jedoch die Frage: bringt sie das nicht plötzlich selbst in Gefahr?

Die südkoreanische Autorin Byeong-mo Gu ist in Deutschland noch unbekannt, mit „Frau mit Messer“ ist jetzt die erste Übersetzung erschienen. Der Roman kann als eine Art feministischer Krimi beschrieben werden, denn die Protagonistin hat wenig von einer eiskalten Mörderin, obwohl sie mehrfach emotionslos zum Messer greift und ihren Auftrag erledigt. Es ist ihr Lebensweg, der sie zu dem gemacht hat, was sie jetzt ist, und dieser Weg ist sehr spezifisch weiblich. Als Leser folgt man ihr mit gemischten Gefühlen, einerseits wirkt sie einsam und sympathisch, doch dann erlebt man wieder ihre andere Seite. Ein Roman, der verstört und berührt zugleich, mit einer Protagonistin, die zugleich Täterin und Opfer ist.

Literatur aus Südkorea überschreitet oftmals die Grenzen dessen, was wir im Westen kennen. Unbequeme Wahrheiten und brutale Realitäten, vor denen man eigentlich lieber die Augen verschließen würde, werden in einer Weise geschildert, die sie als banal, alltäglich, schlichte Tatsachen erscheinen lassen und damit nochmals potenzieren.

In Byeong-mo Gus Roman erlebt man dies auch wieder. Es gibt konkurrierende Agenturen, an die sich der Normalmensch für einen Mord wendet, beinahe so als wenn man ein Maklerbüro für eine neue Wohnung beauftragt. Die Killer kommen in allen Formen daher, was sie in den Menschenmassen untergehen lassen, jeder, der neben einem im Bus steht, könnte in der nächsten Sekunde zuschlagen. Wie Hornclaw, die unscheinbare ältere Frau.

Ihren Alltag teilt sie nur mit einem alten Hund, zunehmend wird ihr Körper unbeweglicher und die Momente des Vergessens nehmen drastisch zu. Agil wird sie jedoch wieder im Kampf, bei dem sie dank ihrer Erfahrung auch starken jungen Männern so einiges entgegensetzen kann. Die Widersprüche lassen sich nicht auflösen, ergeben ein Bild mit Brüchen, das Hornclaw jedoch zu einer interessanten Figur macht, die die Handlung trägt und Fragen nach Moral und Recht schwer beantworten lässt.

Eine außergewöhnliche Geschichte, die Spannungsmomente mit sozialkritischen, feministischen Tönen verbindet.

Matt Cain – The Secret Life of Albert Entwistle

Matt Cain – The Secret Life of Albert Entwistle

Kurz vor Weihnachten erhält Albert die Nachricht, dass mit Erreichen des 65. Lebensjahres automatisch sein Renteneintritt folgt. Nur noch drei Monate bis dahin, der Postmann weiß jedoch nicht, was er ohne seinen Lebensinhalt tun soll. Familie hat er keine, seine Eltern sind schon lange tot und er lebt allein mit seiner Katze Gracie. Als diese auch noch verstirbt, versinkt er zunächst in einem Loch, bis er beschließt, sein Leben zu ändern. Er will endlich wieder fröhlich sein und entspannt mit anderen Menschen umgehen, er war lange genug einsamer Eremit. Und eine Sache muss er noch klären: er will sich bei George entschuldigen, der einzigen Liebe seines Lebens. 

Matt Cains Roman ist das, was man guten Gewissens einen Wohlfühlroman nennen kann. Der etwas verschrobene ältere Postmann der nordenglischen Kleinstadt macht innerhalb kürzester Zeit eine unglaubliche Wandlung durch, bei der ihm quasi der ganze Ort hilft und am Ende hat man eine wundervolle Friede-Freude-Eierkuchenszene. Es ist ein schmaler Grat zum Kitsch, dies umschifft der Autor aber mit dem ernsten Hintergrund der Geschichte.

Ausgang zu Alberts Rückzug ist die Tatsache, dass er einen Jungen liebt, zu einer Zeit, als dies noch ein Verbrechen darstellte. Er hat nicht den Mut, sich seinen Eltern und der Gesellschaft entgegenzustellen. Stattdessen zieht er sich zurück, erträgt die harschen Worte des Vaters gegenüber der gay community und verzichtet auf jede Form von Zuneigung. Je älter er wird, desto unfähiger scheint er im Umgang mit anderen Menschen, dabei will er eigentlich nicht einsam sein. 

Zuhilfe kommt ihm eine andere Außenseiterin, Nicole, Teenagermutter mit Migrationshintergrund, die zwar frisch verliebt ist, aber schnell merkt, dass die Eltern ihres neuen Freundes sie nicht für eine angemessene Partnerin halten. 

Auch wenn in Alberts und Nicoles Fall alles sehr schnell sehr glatt läuft, zumindest hinsichtlich der Message, dass man manchmal einfach seinen Schatten überspringen sollte, macht die Geschichte Mut. Ein wenig erinnert mich der Stil an die Romane von Fredrik Backman und ganz sicher ist er was, wenn man ein Buch sucht, das einem mit guten Gefühl zurücklässt.