Ilaria Tuti – Eiskalte Hölle

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Ilaria Tuti – Eiskalte Hölle

Das norditalienische Bergdörfchen Travenì wird von einem brutalen Mordfall erschüttert. Nicht nur wurde ein geschätzter Bewohner aus der Mitte der kleinen Gemeinschaft gerissen, nein, er wurde mit bloßen Händen getötet und dann hat man ihm die Augen ausgerissen. Was für ein Mensch kann für so eine Tat verantwortlich sein? Auch die herbeigerufene Kommissarin Teresa Battaglia kann sich nur schwer einen Reim auf die Psyche des Mörders machen, fürchtet jedoch schnell, dass es noch weitere Opfer geben wird und zu ihrem Leidwesen behält sie Recht damit. Ein grausames Wesen treibt sich im Wald im das Dorf herum, auch die Kinder haben ihn schon gesehen und nennen ihn nur das Gespenst, weil er leichenblass ist und mit seiner Umwelt verschmilz und so geradezu unsichtbar wird, wenn er nicht gesehen werden will. Teresa hat es mit einem schwer greifbaren Gegner zu tun, doch noch ein anderer Feind setzt ihr zu: ihr eigener Körper. Wird dieser den Strapazen der winterlichen Ermittlungen standhalten und sie den Fall noch lösen können?

Das Thrillerdebut der italienischen Autorin packt den Leser schon nach wenigen Seiten. Leider wurde beim deutschen Titel einiges verschenkt, da die Aussagekraft des Originals („Fiori sopra l’inferno“) verloren geht, die im Buch wieder aufgegriffen wird und mit ein Schlüssel zur Lösung des Falls ist. Genau dieses ist es auch, dass den Roman von anderen des Genres abhebt: es gibt mehr zwischen Himmel und Erde als uns bewusst ist und es gibt Menschen, die eine besondere Verbindung zur Natur haben und mehr wahrnehmen können als andere. Ein schreckliches Ereignis ermöglicht den Blick in die Hölle, den man nie wieder loswird. So geht es Teresa, die ihre Dämonen ständig im Zaum halten muss, so geht es dem Täter. Nur hierüber kann sie sein Denken verstehen, nur so kann sie ihn fassen.

Ein Thriller kann auf vielerlei Weise beeindrucken. Die geschilderte Brutalität, die völlig degenerierte Psyche eines Täters, die clever konstruierte Handlung, das Charisma und der Intellekt des Ermittlers. „Eiskalte Hölle“ fasziniert jedoch durch etwas anderes – wenn hier auch die psychologischen Aspekte ebenso fesseln wie die Figur der Kommissarin – und rückt den Thriller schon stark in die Nähe eines Horrorromans. Die Schilderungen vor allem der Kinder, dass sie ein Wesen im Wald sehen, dass sie sich beobachtet fühlen, dass es eine nicht greifbare Präsenz gibt, jagen einem den Schauer den Rücken hinunter. Man weiß, dass es diese Figur gibt und man weiß, dass sie wieder zuschlagen wird und so beschleunigt sich der Herzschlag beim Lesen mehr als einmal. Vor lauter Sorge, dass doch wenigstens die Kinder verschont bleiben mögen, kann man gar nicht anders als weiterlesen.

Die Angst, die im Dorf umgeht, der Schrecken, der von den verstümmelten Opfern ausgeht – der real gewordene Grusel, dem man sich nicht entziehen kann. Doch dann gelingt der Autorin etwas Unerwartetes: in dem augenscheinlich Bösen erkennt ihre Protagonistin noch etwas ganz anderes und die einfache Dichotomie von Gut und Böse muss infrage gestellt werden. Ein fesselnder Roman, der sich förmlich in den Leser hineinschleicht.

Franziska Kleiner – Was von der DDR blieb

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Franziska Kleiner – Was von der DDR blieb

Zum dreißigsten Mal hat sich diesen Herbst der Mauerfall gejährt. Die DDR ist Geschichte, inzwischen lebt eine ganze Generation, die ein geteiltes Deutschland nie erlebt hat und für die der ostdeutsche Staat in etwa genauso präsent ist wie der Zweite Weltkrieg. Doch ist sie wirklich untergegangen oder lassen sich auch im Deutschland des Jahres 2019 noch Spuren finden? Franziska Kleiner hatte sich bereits vor zehn Jahren auf die Suche nach selbigen gemacht und nun ihr Buch, das von Annika Huskamp dazu passend illustriert wurde, aktualisiert. Siehe da: so ganz untergegangen ist sie nicht, die DDR, denn bei genauem Hinsehen, kann man sie durchaus in Ost und West (!) entdecken.

Das kleine Büchlein ist eine Sammlung von Daten, Fakten und Anekdoten, also nichts, was man einmal von vorne nach hinten durchliest, sondern eher ein Buch, das zum Schmökern und immer wieder Reinlesen einlädt. Die Bandbreite ist dabei erstaunlich groß, der öffentliche Raum mit seinen Straßen und Autos wird ebenso betrachtet wie die Kulturszene mit ihren Filmen, Büchern und Vordenkern, aber auch der Alltag in Form von Lebensmitteln oder den typischen Plattenbauten findet seinen Platz.

Ich war zu jung, um die DDR zu Existenzzeiten zu begreifen oder die Bedeutung der Maueröffnung damals zu verstehen. An der Südwestgrenze Deutschlands geboren war sie auch einfach zu weit weg, um in meinem kindlichen Bewusstsein präsent zu sein. Umso spannender daher für mich die Frage, was mir denn von der DDR bekannt ist und tatsächlich konnten auch verschiedenste Reisen die offenkundigen Lücken kaum schließen. Die berühmten Bauwerke oder auch preisgekrönten Bücher und Filme der letzten Jahre sind nicht so überraschend gewesen, bei den Sportlern und Industrieanlagen sieht das jedoch schon ganz anders aus und bei so manchem Produkt, das ich selbstverständlich konsumiere oder benutze, war mir Herkunft und Geschichte gar nicht bekannt.

Eine dank des lockeren Plaudertons immer wieder unterhaltsame Lektüre, die ganz nebenbei auch den Blick schärft für ein Land, das auch nach seinem Untergang munter weiterlebt.