Die Stimmung in der marokkanischen Hafenstadt ist 1955 kurz vor dem Abzug der französischen Besatzer erhitzt, die Fronten zwischen Arabern und Franzosen verhärtet, der Hass wird offen zutage getragen und man schenkt sich nichts. Als Georges Bellanger die junge Spanierin Ginette vergewaltigt und beinahe tötet, versteht sich von selbst, dass man dies den Arabern unterschiebt, vor allem, da Bellangers Mutter, Ärztin im Krankenhaus, in dem Ginette behandelt wird, ein Verhältnis mit dem Zivilgouverneur hat, der jede Ermittlung sofort unterbinden wird. Als Ginettes Verlobter Manu aus dem Krieg zurückkehrt, sinnt er auf Rache und will Georges stellen. Dieser zieht derweil eine Spur der Verwüstung hinter sich her: rücksichtslos nimmt er sich, was er möchte, sicher, dass er unter mächtigem Schutz steht. Die ohnehin hitzige Stimmung spitzt sich immer weiter zu und Casablanca rast auf eine Katastrophe zu.
Tito Topin ist ein französischer Autor, Illustrator und Drehbuchschreiber, der 1932 in Casablanca geboren wurde. „Casablanca im Fieber“, sein dritter Roman, erschien bereits 1983 in Gallimards Série noire unter dem Titel „55 de fièvre“ und wurde mit dem Prix Mystère de la Critique ausgezeichnet. Seine Romane, denen der Filmcharakter deutlich anzumerken ist, sind häufig in Nordafrika angesiedelt und haben neben dem Fall auch immer eine sozialkritische Komponente, weshalb sie trotz des späten Erscheinens geradezu idealtypisch für den Roman noir sind.
Die Handlung spielt sich vor dem Hintergrund der hochproblematischen politischen Lage ab, diese wird jedoch nicht offen thematisiert, sondern die beiden verfeindeten Parteien durch das Agieren der Figuren gegenüber gestellt. Bemerkenswert ist, dass die Zuordnung von „gut“ und „böse“ schlichtweg nicht möglich ist, sowohl bei den Franzosen, insbesondere bei der Polizei, wie auch bei den Arabern findet man beides und die Grenzen zwischen Ordnungsmacht und Milieu vermischen zunehmend.
Aber nicht nur die arabisch-stämmige Bevölkerung wird verachtet, Georges Mutter findet auch klare Worte bezüglich Ginette:
«Vergewaltigt! Du Dummkopf, du hast dich reinlegen lassen … Vergewaltigt! Als ob man diese Mädchen vergewaltigen könnte … Sie spreizen die Beine breit wie ein Arc de Triomphe und werfen sich in die Arme von Söhnen aus gutem Hause, und danach schreien sie Vergewaltigung!»
Damit auch nichts schief läuft, erhält Ginette die passenden Medikamente, die ihre Erinnerung leiden lassen. Das Vorgehen der Polizei wird auch schon früh deutlich charakterisiert:
«Ich bestehe darauf, Guglielmi. Ich will einen Schuldigen! Wen auch immer, Hauptsache Araber! Da wird kein Europäer rein verwickelt.»
Die Suche nach dem Schuldigen beginnt gar nicht erst, er steht bereits fest ohne dass auch nur klar ist, was überhaupt geschehen war. Es gibt aber auch nachdenkliche Stimmen, beispielsweise von Manu, der die Gesamtsituation zwischen Franzosen und Arabern bedenklich findet:
«Was mich schockiert, ist, dass ich in diesem Land geboren bin und nicht in der Lage bin, mich mit zwei Kindern zu verständigen, weil ich nicht einmal die Sprache dieses Landes spreche! Ich bin ein Krüppel, verstehst du … ein Krüppel! Sie müssen mich für einen Marsmenschen halten.»
«Nein, einfach nur für einen Franzosen. Frankreich ist für sie schon so weit weg, dass sie sich keinen anderen Planeten vorzustellen brauchen. »
Tito Topins Roman überzeugt in jeder Hinsicht: ein Ermittlungsfall in hardboiled Qualität eines Raymond Chandler oder Léo Malet, der sich nur aufgrund der spezifisch gesellschaftspolitischen Lage Marokkos in dieser Weise entwickeln kann. Mit gerade einmal 220 Seiten kurz und auf den Punkt – für langatmige Ausschweifungen bleibt dabei keine Zeit.