Angie Thomas – The Hate U Give

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Angie Thomas – The Hate U Give

Garden Heights – ein Vorort, der sich überall in den USA befinden könnte. Die sechzehnjährige Starr und ihre Stiefschwester Kenya sind auf einer Party, auf der sie besser nicht wäre. Wie erwartet kommt es zu Ärger und als Schüsse abgefeuert werden, verlässt Starr mit ihrem Kindheitsfreund Khalil den Ort des Verbrechens. Auf dem Weg nach Hause werden sie von einem Polizisten gestoppt – grundlos. Oder ist ihre Hautfarbe etwa schon Grund genug? Starr hat von klein auf gelernt, wie sie sich in einer solchen Situation zu verhalten hat: nicht schlauer sein wollen, als man ist; kooperativ zeigen; keine schnellen Bewegungen. Sie hofft, dass Khalil diese Regeln auch beherzigt, doch seine Frage nach dem Warum lässt den Officer schon ausrasten. Er holt den Jungen aus dem Wagen und kurz darauf passiert das Unglaubliche: mehrere Schüsse durchsieben Khalils Körper. Starr traut ihren Augen nicht, wie konnte das passieren? Und wird Officer 115 zur Rechenschaft gezogen werden?

Man kommt im englischsprachigen Raum derzeit kaum an Angie Thomas‘ Roman vorbei. Mit Lobeshymnen wird die Autorin für ihren Debütroman überhäuft. Ohne Frage trifft das Thema des Jugendromans den Nerv der Zeit. Die Black Lives Matter Bewegung prangert völlig zurecht den Umgang der überwiegend weißen Polizisten mit den jungen Schwarzen an und selbst diejenigen, die wie Starr ein redliches und friedfertiges Leben führen, geraten schnell ins Visier.

Interessant sind vor allem die Kontraste, die im Roman geschaffen werden. Zum einen die überwiegend von Schwarzen bewohnte Nachbarschaft, in der der raue Ton der Straße bestimmt, wer und was man ist. Wo niemand wirklich frei ist und Gefängnisaufenthalte zum Alltag gehören. Dagegen steht Starrs Schule, 45 Minuten entfernt in einer rein weißen Umgebung, die von typischen Teenagerproblemen und relativer Sorglosigkeit geprägt ist. Das Mädchen kann die beiden Welten nicht unter einen Hut bringen, sie sieht sich selbst als gespalten und völlig verschiedene Personen, je nachdem, wo sie sich gerade aufhält. Dass ihre Schulfreundinnen ihren Alltag in Garden Heights nachvollziehen könnten, erwartet sie nicht, weshalb das, was sie dort erlebt, außen vor bleibt und sie wie nach einem langweiligen Wochenende montags wieder die Schule besucht, obwohl sie weniger als 48 Stunden vorher mit angesehen hat, wie einer ihrer besten Freunde erschossen wird.

Es ist jedoch weniger Starrs Umgang mit den Erlebnissen und die Trauerarbeit – das kennt sie schon, hat sie bereits einige Jahre zuvor ihre beste Freundin durch einen Schuss verloren – als die Frage, ob es in diesem Fall Gerechtigkeit geben kann und wird. Bezeichnend ihr verhör bei der Polizei. Obwohl die befragende Polizistin selbst als Latina beschrieben wird, macht sich doch das unangenehme Gefühl breit, dass der Fall bereits abgeschlossen ist und einmal mehr die Welt ein wenig besser wurde, weil ein junger schwarzer Gangster weniger auf den Straßen rumläuft.

Der Roman ergreift nicht einseitig Partei. Khalil ist nicht der ganz unschuldige Junge, auch Starrs Familie kann mit einige Straftaten aufwarten. Dennoch zeigt der für unsereins groteske Verlauf der Polizeikontrolle, in welcher Situation sich gerade die Jugendlichen befinden und wie sie versuchen, zwischen Akzeptanz der Gegebenheiten und berechtigtem Hinterfragen des Handelns, einen Ausgleich zu finden, bei dem sie jedoch am Ende die Verlierer sind.

Ein kurzes Buch, das viel Food for Thought bietet und sicherlich die nächsten Monate noch berechtigterweise im Fokus stehen wird.

Donna Leon – Earthly Remains

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Donna Leon – Earthly Remains

While interrogating a suspect, one of Commissario Brunetti’s colleagues is on the verge of attacking the interviewee. Brunetti has to interfere and fakes a heart attack. He finds himself in hospital before he can explain what has happened. Albeit the doctor does not find any sign of heart attack, she nevertheless advocates for some time off for the commissario to recover from work. One of Paola’s aunts happens to possess a villa in Sant’Erasmo, one of the largest island in the laguna and so Brunetti sets out for some holidays without his family. He spends his days with the housekeeper Davide Casati with whom he likes to row through the laguna. Yet, after a stormy night, Casati does not return and to Brunetti’s sorrow, they find the elderly man drowned. Even though everything points at an accident, Brunetti knows that Casati has been preoccupied and wanted to tell him something he had been researching for months. So Brunetti starts to ask questions that were not meant to be asked.

Donna Leon’s 26th novel in the Brunetti series brings us again into Venice laguna with sympathetic Commissario Brunetti. What I like about these crime novels is the fact that they put the human being into the focus. We do not have the brutal, lurid murder cases, but everyday men and women who act in accordance with their beliefs and convictions and sometimes commit crimes without being thoroughly evil.

This novel is especially slow in pace and thus mirrors quite well the hot Italian summers. After a third of it, still everybody is alive and kicking and I already started to wonder if it could do without any murder at all. Well then of course we have a dead and some suspicion which actually leads to a case. Starting from only small points, the story extends in concentric circles linking the hints and in this way forming a complete picture of a convincing and logic series of events. The characters’ motivation of realistic and comprehensible. Yet, at the very end, Brunetti could surprise me a lot – even though his acted in quite an unexpected way, this was consistent with his personality.

All in all, the perfect crime novel for a hot afternoon.